Mönchengladbach Stressjobs sind mir nicht fremd

Mönchengladbach · Interview mit dem neuen Polizeipräsidenten. Hans-Hermann Tirre (58) berichtet, was er sich in seinem neuen Amt vorgenommen hat und was er sich vom Präsidiums-Neubau verspricht. Er verrät, warum er für Schottland schwärmt und welche Krimis er gerne sieht

Sie sind jetzt rund acht Wochen Polizeipräsident von Mönchengladbach. Haben Sie sich hier schon einleben können?

Tirre Das mit den 100 Tagen Eingewöhnungszeit ist so eine Sache, die mich immer wieder in Erstaunen versetzt. In diesem Amt muss man sofort Entscheidungen treffen.

Welche waren das?

Tirre Mein Vorgänger und seine Mitarbeiter haben bereits gute Erfolge gehabt. Darauf möchte ich aufbauen. Denn wie sagt man so schön: Die Lorbeeren von heute sind die Kakteen von morgen. Wir bauen gerade den Leitungsstab neu auf. Ich selber und die Abteilungsdirektoren, die auch davon profitieren sollen, werden Fakten zusammenfassen und analysieren. Jeder soll möglichst schnell und objektiv informiert sein.

Das hört sich sehr theoretisch an. Was hat der Bürger davon?

Tirre Ich bekomme zum Beispiel jede Woche eine Mitteilung über den Krankenstand in der Behörde. Von den 800 bis 900 Mitarbeitern sind eigentlich fast immer sieben bis neun Prozent krank. Ein hoher Krankenstand bedeutet für die Mitarbeiter im Dienst Stress. Denn sie übernehmen die Arbeit für die Erkrankten. Und das bekommen unter Umständen auch die Bürger zu spüren. Wenn es uns gelingt, den Krankenstand abzubauen, profitieren auch unsere Kunden.

Wie wollen Sie denn den Krankenstand verringern?

Tirre Wir sind gerade dabei zu ermitteln, wo es besonders viele Kranke gibt und woran es liegen könnte. Arbeiten in der Abteilung vielleicht viele ältere Beamte? Könnte das ein Grund sein? Vielleicht gibt es bei der genaueren Betrachtung erstaunliche Erkenntnisse. Möglicherweise müssen Organisationsstränge anders gefasst werden. Aus manchen Stresssituationen kommen wir natürlich nie heraus. Polizisten, die Autofahrer mit Handy am Ohr hinter dem Steuer erwischen, bekommen fast immer zu hören: Habt ihr eigentlich nichts Besseres zu tun? Wir müssen nicht nur schnell reagieren, wir sollten es auch schaffen, in der Bevölkerung dafür gelobt zu werden.

Sie wollen nach dem Neubau des Präsidiums auch die Wache an der Theodor-Heuss-Straße zur Krefelder Straße verlegen. Ihr Vorgänger Dr. Walter Büchsel wollte das nicht. Was sind Ihre Gründe?

Tirre Die Wache an der Theodor-Heuss-Straße ist nach heutigen Gesichtspunkten für Polizeizwecke nicht mehr geeignet. Es gibt dort auch für den Bürger keinen Wohlfühlfaktor. Im Neubau können wir das ändern. Außerdem liegt das Grundstück an der Krefelder Straße strategisch sehr günstig und ist von allen Seiten gut zu erreichen. Der Bürger wird nicht spüren, dass die Wache an der Theodor-Heuss-Straße nicht mehr da ist. Die übrigen Wachen in Rheydt und in der Altstadt bleiben ja erhalten. Die Polizei ist also weiterhin überall präsent.

Waren Sie eigentlich überrascht, als Sie zum Polizeipräsidenten berufen wurden?

Tirre In meinem letzten Job war ich für alles zuständig, was stinkt, kracht und Ärger macht. Ich habe als Dezernent von Recht, Ordnung und Wirtschaft Erfahrung mit Leitstellen von Notdiensten und Feuerwehr. Ich war im Katastrophenschutz tätig und Leiter mehrerer Krisenstäbe. Mir ist also auch die Arbeit mit unangenehmen Dingen nicht fremd. Vor sieben oder acht Jahren sollte schon einmal eine Polizeipräsidenten-Stelle neu besetzt werden. Da war mein Name auch im Gespräch.

Und was hat Ihre Familie zu Ihrem neuen Job gesagt?

Tirre Sie hat sich mit mir gefreut. Ich bin 58 Jahre. In dem Alter darf man eigentlich nicht erwarten, dass etwas grundsätzlich Neues passiert. Mir ist es jetzt geschehen. Ich finde die neue Aufgabe unheimlich spannend. Das ist fast wie Blutdoping, man fühlt sich wieder jung. Meine Söhne finden meinen neuen Job sehr aufregend. Und wenn ich repräsentative Aufgaben wahrnehme, wie zum Beispiel den Besuch des wirklich sehr guten Polizeichors, dann begleitet mich meine Frau gerne.

Sie sind musikalisch, spielen selbst ein Instrument.

Tirre Ja, Querflöte. Aber das würde ich jetzt nicht als mein ganz großes Hobby bezeichnen.

Was ist denn Ihr großes Hobby?

Tirre Ich habe in Schottland schottische Geschichte und schottisches Recht studiert. Schottland lässt mich auch heute noch ins Schwärmen geraten. Meine Söhne waren dort in der Ausbildung, und wir verbringen dort alle gerne unseren Urlaub.

Ihre Frau ist Französin, und Sie haben in Schottland studiert. Welche Sprachen sprechen Sie?

Tirre Neben Englisch und Französisch noch Japanisch. Früher wollte ich in den Auswärtigen Dienst gehen.

Wie würden Sie Ihren Führungsstil bezeichnen?

Tirre Der hat sich entwickelt — von autoritär zu teambezogen. Ein Teil meiner Vergangenheit spielte in der Bundeswehr, und ich bin auch heute noch bei den Reservisten. Ich kann mit Befehlen und Gehorsam umgehen. Ich versuche aber, meine Mitarbeiter mitzunehmen und zu überzeugen.

Sehen Sie eigentlich gerne Krimis?

Tirre Ja, aber ich schaue sie mir personenabhängig an. Beim Tatort mag ich zum Beispiel die Teams aus Köln, Münster und München. Meine Frau nimmt mir die Sendungen auf. Denn sonntags abends sitze ich nicht gerne vor dem Fernseher. Dann lese ich lieber ein Buch — zurzeit "Der Untergang des römischen Reiches" von Peter Heather — und trinke dazu gerne einmal ein Glas Whiskey.

Gabi Peters und Dieter Weber führten das Gespräch

(RP)
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