Mönchengladbach Stadt verkauft Adressen

Mönchengladbach · Wer in Mönchengladbach ein Gewerbe anmeldet, erhält Post von einem Versicherungsmann. Die Adresse hat er bei der Stadt gekauft. Wie man sich gegen die Datenweitergabe wehren kann? Gar nicht.

 Geld zu verschenken ist gar nicht so einfach, wie mancher denken mag.

Geld zu verschenken ist gar nicht so einfach, wie mancher denken mag.

Foto: rponline

Vor wenigen Wochen hat Martin B.* sich selbstständig gemacht und ordnungsgemäß bei der Stadt ein Gewerbe angemeldet. Es dauerte nicht lange, da erreichte ihn der Brief eines Sozialversicherungsfachmannes. Martin B. musste sich nicht lang fragen, woher der Mann seine Adresse hatte. Denn in dem Schreiben heißt es gleich im ersten Satz: "Von der Gewerbemeldestelle der Stadt Mönchengladbach erhalte ich eine Aufstellung über Gewerbeneuanmeldungen." Gleich danach wird eine Beratung zu Sozialversicherungen angeboten — "kostenlos und unverbindlich", heißt es, aber Martin B. ist sich sicher: "Danach sollen mir doch bestimmt Versicherungen verkauft werden."

160 Euro für die Stadtkasse

B. ist ziemlich wütend darüber und fragte bei der Stadt nach, ob sie tatsächlich Adressen weitergebe. "Ja", bekam er zur Antwort, "wir verkaufen sie sogar." Und dies sei ganz legal. Das erklärte auch Hans-Georg Krull, Abteilungsleiter für Gewerbeangelegenheiten, der RP: "Laut Gewerbeordnung dürfen wir die Daten weitergeben, wenn ein berechtigtes Interesse besteht." Im Fall des Versicherungsmannes sei dies gegeben, eine Aufklärung über den nötigen Versicherungsschutz sinnvoll. Zwei Adressenkäufer gebe es derzeit bei der Stadt. Jeder einzelne Interessent werde geprüft, die Anschreiben mit dem Amt für öffentliche Ordnung abgesprochen. Es dürfe in den Briefen auf keinen Fall der Eindruck erweckt werden, dass es sich um ein städtisches Angebot handele.

270 Selbstständige melden laut Dirk Rütten von der städtischen Pressestelle pro Monat ein Gewerbe in Mönchengladbach an. Der Verkauf ihrer Adressen bringt 160 Euro monatlich in den Stadtsäckel.

Wehren können sich Gewerbetreibende nicht gegen die Weitergabe der Daten. Krull: "Früher konnte man widersprechen. Heute nicht mehr. Das hat auch etwas mit der zunehmenden Vernetzung zu tun." Schließlich könne man ja auch ins IHK-Verzeichnis hineinschauen.

Auch aus dem Einwohnermeldeamt werden persönliche Daten verkauft. Geregelt wird das im Paragraph 34 des Meldegesetzes. Privatpersonen, Krankenkassen oder Firmen können anfragen, ob Karl Mustermann noch in Mönchengladbach gemeldet ist und wo. Für diese einfache Auskunft aus dem Melderegister braucht er keine Gründe anzugeben, muss aber vier Euro zahlen. Sammelanfragen wie "Geben Sie mir bitte die Namen aller Anwohner von der Bismarckstraße" sind laut Rütten nicht zulässig. Hier gibt es aber ein Widerspruchsrecht. Darauf wird in einem Merkblatt beim Einwohnermeldeamt hingewiesen.

Vom Standesamt werden keine Adressen verkauft. Wer sich nach der Geburt eines Kindes über plötzliche Babyartikel-Werbegeschenke wundert — von der Stadt kommt die Information über den Nachwuchs samt Adresse nicht. Das versichert auf jeden Fall Dirk Rütten. *Name geändert

(RP)
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