Hockey Weise: "Medaillen sind nur die Endprodukte"

(RP). Am Samstag um 13 Uhr beginnt im Mönchengladbacher Hockeypark die Hockey-Champions Trophy mit dem Spiel Deutschland gegen England. Bis zum 8. August, dem Finaltag, messen sich die sechs besten Mannschaften der Welt bei diesem Turnier. Thomas Grulke und Karsten Kellermann sprachen mit Bundestrainer Markus Weise (47).

 Am Samstag beginnt die Champions Trophy in Mönchengladbach.

Am Samstag beginnt die Champions Trophy in Mönchengladbach.

Foto: ANP, AFP

(RP). Am Samstag um 13 Uhr beginnt im Mönchengladbacher Hockeypark die Hockey-Champions Trophy mit dem Spiel Deutschland gegen England. Bis zum 8. August, dem Finaltag, messen sich die sechs besten Mannschaften der Welt bei diesem Turnier. Thomas Grulke und Karsten Kellermann sprachen mit Bundestrainer Markus Weise (47).

Sie werden bei der Champions Trophy erstmals den Gladbacher Hockey-Park als Trainer erleben. Wie gefällt Ihnen das Stadion?

Weise Ich habe sicher schon viele Stadien gesehen. Doch ich kenne keines, das so schön ist. Auch die Spieler freuen sich schon sehr auf diese Champions Trophy.

Was darf man von Ihrer Mannschaft bei diesem Turnier erwarten?

Weise Es ist nicht mein Problem, was andere von uns erwarten. Es ist immer das gleiche, ich erwarte nichts von der Mannschaft. Ich möchte einfach das Beste aus ihr herausholen und bereite die Spieler so auf das Turnier vor, dass sie an ihre persönliche Bestleistung herankommen. Und ich weiß, dass meine Mannschaft viel anzubieten hat.

Ist es diese Arbeitsweise, die Sie immer wieder antreibt?

Weise Ja, das macht mir riesigen Spaß. Mir wurde nach dem Olympia-Gold von Peking oft gesagt, dass ich doch jetzt aufhören könne. Doch ich denke nicht in diesen Kategorien. Die Medaillen sind letztlich nur die Endprodukte. Du bist mit der Mannschaft ständig im Umbruch und hast andere Persönlichkeiten. Da gibt es bei mir keine innere Ermüdung.

Sind die Australier Favorit auf den Turniersieg?

Weise Ich wage da keine Prognose. Denn die Champions Trophy ist das härteste Turnier überhaupt, bei dem du fast täglich auf einen Top-Gegner triffst. Das macht ihren Reiz aus.

Australien ist Weltranglistenerster.

Weise Das ist mir gar nicht so unrecht. Für uns ist diese Position ganz günstig, denn so haben wir jemanden zu überholen und spielen um etwas. Wenn man oben steht verfällt man leichter in eine Verteidigungshaltung.

Wie schaffen es die Hockeyspieler, auf diesem Niveau sechsmal in neun Tagen zu spielen?

Weise Das ist wahrscheinlich eine Frage der Gewohnheit. Wir trainieren schon in der Jugend auf solche Belastungen hin. Zudem bin ich froh über den engen Terminplan. Ich wüsste nicht, was ich fünf Tage lang zwischen zwei Spielen machen sollte. Da wandelt man am Rande des Wahnsinns. Deswegen habe ich höchsten Respekt vor der Arbeit von Joachim Löw während einer Fußball-WM.

Ihr Vorgänger Bernhard Peters war so etwas wie die Lichtgestalt des deutschen Hockeys. Haben Sie das Gefühl, aus seinem Schatten hervorgetreten zu sein?

Weise So etwas bedeutet mir nichts. Von den zwei Jahren als Co-Trainer unter Bernhard Peters habe ich enorm profitiert.
Peters wagte den Schritt ins Fußballgeschäft. Wäre das für Sie auch vorstellbar?
Weise Grundsätzlich schon. Ich kenne die Szene sicherlich nicht so gut, doch was die Talententwicklung angeht, könnte sicher noch mehr passieren. Grundsätzlich ist man aber von der Einstellung der dort handelnden Personen abhängig.

Ist es für die deutschen Talente förderlich, dass mittlerweile auch einige Hockey-Bundesligisten in ausländische Stars investieren.

Weise Bei einem bestimmten Maß schon. Wir haben glücklicherweise keine holländischen Verhältnisse. Wenn hier nur 20 Ausländer einen Vertrag haben und die deutschen Spieler auf ihre Spielzeit kommen, dann ist es für die Qualität der Liga auf jeden fall positiv.

Zumal die deutschen Spitzenspieler ebenfalls in Deutschland spielen.

Weise Darüber bin ich auch sehr froh. Allerdings ist es nicht gut, dass die Spieler, die fast alle nebenbei studieren, kaum noch Pausen im engen Terminkalender haben. Deswegen beenden sie mittlerweile ihre Länderspiel-Karrieren schon mit 26, 27 Jahren.

Im Hockey-Deutschland ist kein großes Geld zu verdienen. Wieso kann sich die Sportart im Fernsehen nicht besser positionieren?

Weise Das liegt an vielen Punkten. Wir leben sicherlich in einer Fußball-Gesellschaft. Es müsste ein langer Wachstumsprozess über mindestens zehn Jahre einsetzen. Aber ich glaube nicht, dass wir viel mehr rausholen können.

Was macht das Spiel der deutschen Hockey-Nationalmannschaft aus?

Weise Da kommen sicher die typisch deutschen Tugenden der Turniermannschaft zum Tragen. Wir schaffen es einfach, auf hohem Niveau in das Turnier einzusteigen und uns dann weiter zu steigern. Zudem sind wir sowohl im Aufbauspiel als auch in der Verteidigung sind wir sehr variabel und können auf Entwicklungen im Spiel schnell wechslen.

Wie sieht es mit den deutschen Trainern aus?

Weise Wir legen viel Wert auf Kontinuität, schon im Jugendbereich. Doch es geht nicht darum, mehrmals U17-Weltmeister zu werden. Letztlich sind wir mit unserem Formel-1-Auto, der Herren-Nationalmannschaft, zum Erfolg verdammt. Denn wenn wir keine olympische Medaillen holen, fallen wir aus der Förderung raus.

Doch der Übergang der Jugend in den Herren-Kader funktioniert doch bestens. Nun sind wieder drei U21-Weltmeister bei der Champions Trophy dabei?

Weise Ja, grundsätzlich wird die Mannschaft immer jünger. Bei diesem Kader hat nur Ersatztorwart Tim Jessulat 30er-Grenze überschritten.

Mit Christopher Zeller stößt ein erfahrener Spieler wieder hinzu. Wird er der Mannschaft helfen?

Weise Wenn er seine Normalform abrufen kann, wird er uns sicher weiter helfen. Mit ihm sind wir in der Offensive noch durchschlagskräftiger. Zudem ist er neben dem Niederländer Takaema der beste Strafeckenschütze der Welt. Es ist sicher hypothetisch, aber vielleicht hätte Chrissi im WM-Finale gegen Australien im März die paar Prozent zu unseren Gunsten ausgemacht.

Sie betreiben in der Trainingsarbeit einen hohen Aufwand. Ist der im Amatuersport Hockey überhaupt noch zu steigern.

Weise Ehrlich gesagt habe ich immer das Gefühl, dass wir doppelt so gut sein könnten. Und es gibt sicher noch Bereiche wie das Spiel ohne Ball, wo jeder noch 30 Prozent Reserven hat. So viel holt man natürlich nicht mehr in den Bereichen der Schnellkraft oder Ausdauer heraus. Wir brauchen auch nicht mehr an der Umfangsschraube drehen. Generell geht der Trend aber noch viel stärker als früher zum individualisierten Training.

Dafür benötigen sie einen Stab von Spezialisten.

Weise Und da habe ich auch nur Topleute um mich herum, die in bestimmten Gebieten sogar besser sind als ich. Natürlich mache ich auch weiterhin das Handwerkliche, aber ich muss als Generalist auch von oben drauf schauen und die einzelnen Arbeitsbereiche koordinieren.

(RP)
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