Mönchengladbach "Olympia wäre ein Wunder"

Profiläuferin Sonja Oberem aus Mönchengladbach spricht im Interview mit Stefanie Sandmeier über ihren Start beim Marathon in Düsseldorf, die Qualifikation für die Olympischen Spiele und ihr Karriereende. Die 35-Jährige will am Sonntag ihren letzten Wettkampf laufen.

 Sonja Oberem beim Metro Group Marathon im Mai.

Sonja Oberem beim Metro Group Marathon im Mai.

Foto: rpo, Falk Janning

Frau Oberem, Sie waren zwei Wochen krank, lagen sogar mit Fieber im Bett. Da bietet es sich an, als erstes zu fragen, wie es Ihnen geht.

Oberem Ich fühle mich von Tag zu Tag besser, nachdem es mich am vorletzten Wochenende wirklich umgehauen hatte. Es wurde jetzt Zeit, dass ich gesund werde.

Die Krankheit war für Ihre Vorbereitung auf den Marathon am Sonntag in Düsseldorf nicht förderlich.

Oberem Nein. Das wirft einen sehr zurück. Ich weiß, ich müsste trainieren, kann aber nichts machen. Meinen abschließenden 35 Kilometer-Lauf musste ich nach fünf Kilometern abbrechen. Ich war zwischendurch sogar so weit, den Start ganz abzusagen.

Seit Montag steht fest, dass Sie laufen.

Oberem Ja. Ich hatte mich noch einmal vom Kardiologen untersuchen lassen. Denn die Gefahr, eine Entzündung am Herzen zu übergehen und dauerhafte Schäden davonzutragen, war mir zu groß. Ich darf laufen, aber eben nicht unter der Prämisse, in Peking dabei zu sein.

Sie wollten sich aber qualifizieren.

Oberem Die Olympia-Norm ist für mich passé, das sage ich ganz ehrlich. Denn es wäre gelogen, wenn ich sage würde, dass ich zwei Wochen krank war und dann mal eben so nach Peking renne. Meine Vorbereitung war zu zäh, dass ich einen solchen Ausfall wegstecken könnte. Und noch vermessener wäre es, die Norm von 2:31 Stunden angehen zu wollen. Im Moment bin ich froh, wenn ich gut durchkomme.

Macht Sie das traurig?

Oberem Klar, ich habe lange auf dieses Ziel hintrainiert und gehofft, dass ich es schaffe. Aber ich bin eben nicht topfit. Ich hatte in meiner Karriere aber auch oft Glück. Ich durfte zweimal bei Olympia dabei sein, bin fünf Welt- und zwei Europameisterschaften mitgelaufen. Ich habe meine Zeiten gehabt. Das heißt aber nicht, dass ich mich aufgebe. Ich bin bloß realistisch.

Realistisch heißt: Der Lauf am Sonntag ist Ihre letzte Chance, sich noch einmal für Olympia zu qualifizieren.

Oberem Ja, aber das Leben ist kein Wunschkonzert. Wenn es nicht sein soll, muss man das akzeptieren. Ich durfte 17 Jahre lang Leistungssport treiben, aber das ist nicht spurlos an mir vorbeigegangen.

Wie bereiten Sie sich in der Endphase auf den Marathon vor?

Oberem Ich trainiere zweimal am Tag. In der normalen Vorbereitung sind das 150 bis 160 Kilometer pro Woche. Kurz vor dem Wettkampf laufe ich 200 bis 230 Kilometer. Dazu kommen Gymnastik und Stabilisation. Zum Ausgleich fahre ich gerne auf meinem Rennrad.

Die mögliche Olympia-Norm wäre ein schöner Nebeneffekt des Marathons.

Oberem Ganz ehrlich: Es wäre ein Wunder. Ich werde alles geben, um gut zu laufen. Aber die Norm allein wird nicht reichen. Mittlerweile sind vier Deutsche unter 2:31 Stunden geblieben. Irina Mikitenko ist nach ihrem Sieg in London gesetzt. Bleiben zwei Plätze. Am Sonntag wissen wir, wer nach Peking fährt. Ich vermutlich nicht.

Sind Sie überrascht von der plötzlichen Leistungsdichte in Deutschland?

Oberem Nein, die Entwicklung hat sich im vergangenen Jahr angedeutet. Immer mehr Läuferinnen wollten sich auf dieser Strecke etablieren — mit dem Ziel, in China dabei zu sein. Die Chance ist über diese Distanz am größten. Auf den kurzen Strecken kann derzeit nur Sabrina Mockenhaupt mitlaufen.

Weltweit reicht das aber nicht.

Oberem Das stimmt. Die Zeiten sind weit weg. Die Zeit (2:24 Stunden) von Mikitenko ist zwar weltspitze, aber eben nicht die schnellste. Es wird für sie schwer, in Peking vorn zu sein, obwohl ich es ihr zutraue.

Was tun Sie am nächsten Montag?

Oberem Da gibt es vieles, was ich machen möchte. Ich bin nach meinem Wechsel zum Verein "rhein-marathon Düsseldorf" vollständig in der Stadt angekommen. Ich habe meinen Verein und Ausrüster um mich herum. Hinzu kommt, dass ich auch in unserem Betrieb in Mönchengladbach mitarbeite, und künftig das Düsseldorfer Organisationsteam verstärkt unterstützen werde. All das gilt es, mit der Familie zu koordinieren.

Dass heißt, sie hängen die Laufschuhe völlig an den Nagel?

Oberem Nicht ganz. Aber es wird mein letzter Marathon sein, den ich ambitioniert laufe. Am Sonntag verabschiede ich mich vom Leistungssport. Ich hatte 2004 ja schon mal aufgehört. Wenn man es über Jahre gewohnt war, täglich zu laufen, braucht man es irgendwann auch nicht mehr auf dem Niveau.

Wie sieht Ihre Arbeit im Organisationsteam aus?

Oberem Ich will dabei helfen, den Marathon zu etablieren. Wir überlegen, künftig auch Angebote im Vorfeld des Marathons zu anzubieten. Sei es in Form von Volksläufen oder Vorbereitungsrennen. Wir werden nach dem Marathon versuchen, ein Konzept zu erarbeiten, das kostengünstig und für viele zugänglich ist. Vorgesehen ist auch, dass ich mich um die Repräsentation kümmere. Das heißt, den Kontakt mit Schulen und Vereinen pflege. Gerade die Vereine stellen jährlich viele ehrenamtliche Helfer, ohne die wir einpacken könnten.

Und wie sieht's mit Rennen aus?

Oberem Ich weiß nicht, ob ich überhaupt nochmal Rennen laufe. Dann wäre mein Anspruch an mich selbst wohl zu hoch. Wenn man merkt, dass man nicht mehr so schnell kann, wie man will, sollte man es besser anderen überlassen. Vielleicht laufe ich irgendwann mit meinem Sohn (2), der ganz heiß darauf ist. Ich schließe aber nicht aus, dass ich aus Spaß nochmal an einem Marathon teilnehme.

Das Team unserer Zeitung ist schon heiß auf Sonntag? Welche Tipps können Sie den Läufern geben?

Oberem Sie sollten locker rangehen. Ich habe die Teams vergangene Woche besucht und weiß, dass sie sich gut vorbereitet haben. Sie sollen das Rennen genießen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort