Vereine „Es herrscht eine Aufbruchstimmung“

Mönchengladbach · Der Vorsitzende des Gladbacher HTC spricht über den 100. Geburtstag seines Klubs und die sportliche Situation.

 Florian Kunz ist seit Februar 2015 Vorsitzender des Gladbacher HTC.

Florian Kunz ist seit Februar 2015 Vorsitzender des Gladbacher HTC.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Der Gladbacher HTC feiert in diesem Jahr den 100. Geburtstag. Pünktlich zum Jubiläum sind die Hockey-Herren in die Hallen-Bundesliga aufgestiegen. Doch der Klub hat noch mehr vor. Darüber haben Georg Amend und Karsten Kellermann mit dem GHTC-Vorsitzenden Florian Kunz gesprochen.

Wie wichtig ist der Wiederaufstieg in die Hallenhockey-Bundesliga für den Gladbacher HTC?

Kunz Sehr wichtig, vor allem nachdem wir drei, vier Jahre hintereinander in der Halle immer Zweiter geworden sind. Wir wollen mit unseren Mannschaften möglichst hochklassig spielen, dafür steht der GHTC.

Wie viel zählt der Aufstieg in der Halle? Im Hockey ist der Feldsport noch immer die Nummer eins.

Kunz Es zählt auf jeden Fall viel. Aber wir sagen jetzt nicht, dass es uns reicht „nur“ in der Halle in der Ersten Liga zu spielen. Man sieht auch bei den Herren auf dem Feld eine ganz klare Tendenz nach oben mit der jungen Mannschaft und unserem jungen Trainer Marcus Küppers. Wir haben zwei, drei Jahre immer gegen den Abstieg gespielt, jetzt haben wir – wenn wir das Nachholspiel gegen die TG Heimfeld im April gewinnen, was unser Ziel ist – sechs Punkte Rückstand auf Tabellenführer Großflottbek. Und das, obwohl unsere drei besten Spieler in der Hinrunde nicht dabei waren. Wir gucken nach oben. Es ist schwer, aber nicht unrealistisch, die Liga ist recht ausgeglichen.

Wächst da etwas heran, das konstant bleiben kann?

Kunz Ich hoffe. Eine Garantie gibt es nicht, aber wir haben ein gutes Umfeld geschaffen für die Mannschaft – auch bei den Damen, bei denen wir einen klaren Plan haben. Wir sind auf dem richtigen Weg, aber ob das langfristig ist, kann man wirklich nie voraussagen. Hockey hat sich gewandelt, die Leute wechseln schneller als früher. Aber wir haben eine Mannschaft – mit Ausnahme von zwei Spielern, die in den letzten zwei Jahren dazugekommen sind – die so schon Jahre für den GHTC spielt, und das obwohl es teilweise gute Angebote von anderen Vereinen gab. Das spricht für die Jungs und den Verein. Wir hoffen, dass wir die Mannschaft zusammenhalten können, wollen uns aber auch noch weiter verstärken.

Der Standort ist allerdings schwierig mit der Konkurrenz aus Köln, Krefeld und Neuss. Was muss man als GHTC tun, um attraktiv zu werden und zu bleiben?

Kunz Wir müssen ein Umfeld schaffen, das passt. Wir sind in Gesprächen, um mit Unternehmen Kooperationen zu schaffen, bei denen es auch um berufliche Perspektiven geht. Unsere Spieler kann man sehr gut weiterempfehlen und die wollen sich alle nicht nur sportlich weiterentwickeln. Klar geht es irgendwann immer ums Geld. Die Kosten steigen, nicht nur für die Spieler, auch Fahrtkosten und alles andere. Daher ist natürlich das Hauptziel, weitere Sponsoren zu finden.

In der Halle hat der GHTC viel Spektakel drumherum veranstaltet. Braucht man das?

Kunz Ich glaube schon. Jeder, der in den letzten drei, vier Spielen dabei war, hat gesehen, dass es echt eine coole Sportart ist, mit einer Truppe, die sympathisch ist, immer 100 Prozent gibt und zu der die Jugendlichen aufschauen. Da ist eine richtige Klubgemeinschaft entstanden. Nach dem Aufstieg haben alle zusammen mit der Mannschaft auf dem Platz gefeiert. Natürlich ist es draußen, wo das Feld größer ist und weniger Tore fallen, wieder anders, aber auch da überlegen wir uns gerade Konzepte, dass wir wieder mehr Zuschauer bekommen. Wir liegen da eigentlich in Gladbach noch ganz gut. Es gibt Bundesligisten, bei denen nicht so viel los ist. In der Halle waren wir Zuschauer-Krösus, nicht nur in unserer Zweiten Liga, sondern bundesweit. Da haben wir natürlich auch ein gutes Team um Jan Klatt, das viel organisiert, macht und tut.

Wie läuft es beim Nachwuchs?

Kunz Wir hatten eine Delle, aber wir sind wieder auf dem Weg nach oben. Unsere Mannschaften spielen jetzt wieder um die Endrunden mit. Wir haben aber auch viel investiert und aktuell dreieinhalb hauptamtliche Trainer, haben Athletiktraining, Torwarttraining und so weiter. Und in Hanna Röhrs eine unglaublich engagierte Hockeykoordinatorin. Das muss man heute auch machen, um die guten Jugendlichen zu halten, die insgesamt wechselwilliger als früher sind. Jetzt fehlt uns noch der Kunstrasen zur Optimierung des Umfeldes.

Also passt der Aufwärtstrend zum Vereinsjubiläum des 100-jährigen Bestehens in diesem Jahr?

Kunz Ja. Und das ist nicht nur auf die Hockey-Abteilung bezogen. Was die Tennis-Abteilung in den letzten drei Jahren für eine Entwicklung genommen hat, ist wirklich super. Wir haben, ohne arrogant zu sein, eine der besten Tennisschulen in der Region und da sehr gute Zuwachsraten, besonders im Jugend- und Breitensportbereich. Der ganze Klub hat in den letzten fünf Jahren fast 30 Prozent mehr Mitglieder gewinnen können. Wir sind knapp an der Marke von 1000 Mitgliedern, das passt schön zum 100-jährigen Bestehen (lacht). Es entwickelt sich alles sehr gut, da war der Aufstieg ein echtes Ausrufezeichen.

 Florian Kunz im GHTC-Trikot,

Florian Kunz im GHTC-Trikot,

Foto: Dieter Wiechmann/Wiechmann, Dieter (dwi)

Was ist im Jubiläumsjahr geplant?

Kunz Es steht alles unter dem Motto des 100-Jährigen, für das wir auch ein eigenes Logo entworfen haben. Dann muss eigentlich dieses Jahr der neue Kunstrasen kommen. Der aktuelle ist jetzt zwölf Jahre alt. Wir müssen den Teppich austauschen, was rund 200.000 Euro kosten wird, von denen die Stadt uns 100.000 Euro dazugibt.

Welche Aktivitäten sind geplant?

Kunz Ein großes Klubfest, das „Tag des offenen Tores“ heißen wird. Da sind Gäste sehr herzlich willkommen. Viele Leute denken, unsere Anlage sei ein eingezäunter abgeschirmter Bereich und kennen sie darum gar nicht. Das wollen wir ändern. Ende des Jahres wird es dann eine festliche Gala geben. Dann haben wir noch viele kleine Events. Alle Mannschaften werden dieses Jahr unter dem Logo „100 Jahre GHTC“ auflaufen. Und dann gucken wir, wo wir am Ende sportlich stehen. Ich glaube, Henrik Schmidt hat sich mit der Tennis Bundesliga Mannschaft auch etwas vorgenommen. Die Hockeyherren können auch fast nicht mehr absteigen – insofern gucken wir da nach oben. Es wird ein anstrengendes Jahr für diejenigen, die das organisieren müssen, aber auch ein schönes und lustiges für Gäste und Mitglieder.

Hockey war lange führend im GHTC, dann hat Tennis überholt. War es da wichtig, dass nun ein Hockey-Mann den Verein führt?

Kunz Nein. Wir sind ein Klub und haben mit Henrik Schmidt auf der Tennisseite jemanden, der da viel Manpower reinbringt und sich hundertprozentig engagiert. Der Erfolg der Tennis-Abteilung beruht auf dem, was er gemacht hat mit seinem Team, mit seiner Frau, Eva Amrath und den Trainern. Wenn wir eine tolle Tennis-Abteilung haben, ist das super, wenn die Hockey-Abteilung zeitgleich auch noch gut ist, gibt es nichts Besseres. Es gibt bundesweit nur noch einen anderen Klub, wo Mannschaften im Tennis und Hockey jeweils in der Bundesliga spielen. Aber es geht uns nicht nur um die Spitzenmannschaften. Wir haben in den letzten Jahren auch besonders den Breitensport gefördert und haben in diesem Bereich jetzt viele Mannschaften. Und, das ist für uns sehr wichtig, die Mitglieder identifizieren sich mit dem Klub. Man merkt schon, dass eine Aufbruchstimmung herrscht.

Beim Tennis hat der GHTC Philipp Kohlschreiber als deutschen Star, der für den Event-Charakter sorgt. Geht Sport noch ohne Event?

Kunz Ich glaube, Vereinssport schon noch. Die Frage ist immer, ob die Leute Vereinssport noch so leben wie früher. Wir merken, dass sich im Breitensport viel entwickelt hat. Vielleicht braucht man kein Event, aber man muss den Leuten die Möglichkeit geben, sich zu entfalten und auf der Anlage aufzuhalten. Klubleben geht auch ohne Events. Und Events sind dann Highlights.

Verträgt sich das Klubleben mit den Tennis-Stars, die nur zum Spiel kommen und wieder weg sind?

Kunz Ich glaube, dass der besondere Teamspirit und die Identifikation mit dem Klub die Deutsche Meisterschaft 2016 überhaupt nur möglich gemacht hat. Die Spieler haben sich wohlgefühlt im GHTC und auch darum für das Team und den Klub alles gegeben. Nach dem Sieg haben alle zusammen gefeiert. Da waren auch die Tennis-Stars dabei, obwohl sie am nächsten Tag den Flieger bekommen mussten. Das hat einer, glaube ich, nicht geschafft (lacht). Natürlich ist das etwas anderes als Spieler, die permanent da sind. Aber es ist auch für viele Leute und vor allem Jugendliche toll, wenn man einen Weltklassespieler wie Kohlschreiber sieht. Das ist auch ein sehr netter Kerl, der sich um die Jugendlichen kümmert und nicht als abgehobener Star auftritt. Das zeichnet unsere Tennis-Mannschaft aus: Natürlich ist das der Beruf der Profis, aber sie sind auch gerne im GHTC, weil Henrik ein Umfeld geschaffen hat, in das sie gerne kommen.

Wieviel Leistungssport kann sich der GHTC leisten?

Kunz Wir sind natürlich angewiesen auf Spenden, Sponsoren und vielleicht auch den einen oder anderen Unterstützer. Aber das geht den anderen Klubs genauso. Wir nehmen uns auf jeden Fall fest vor, so viel wie möglich mit unseren Topteams zu erreichen. Wir sind aber nicht diejenigen, die das Geld rausschmeißen. Im Hockeybereich haben wir noch eine Mannschaft, die wirklich für den Klub spielt. Und im Tennis sind wir auch nicht derjenige, der das meiste Geld ausgibt. Der Tennis-Bereich nimmt nicht dem Hockey-Bereich etwas weg oder umgekehrt. Das ist keine Konkurrenz. Der Etat für die Tennis-Bundesliga gehört ohnehin nicht zum Gesamt-Etat des GHTC. Wir leben ganz gut damit, dass wir zeigen, dass wir schon ein wenig anders sind und trotzdem erfolgreich sein können.

Als ehemaliger Welthockeyspieler: Wie ist der aktuelle Zustand der Hockeystadt Mönchengladbach?

Kunz Hockey-Hauptstadt sind wir aktuell nicht, aber Hockeystadt und Sportstadt schon, genauso wie eine Tennisstadt. Mit dem Hockeypark haben wir die Möglichkeit, dass wieder ein paar Turniere hier stattfinden können, zum Beispiel durch die neue Pro League, wovon ja dieses Jahr viele Länderspiele in Gladbach stattfinden werden.

Wie wichtig ist das?

Kunz Es ist super, wenn es hier Weltklasse-Hockey zu sehen gibt, weil man damit viele Leute, die erst einmal nichts mit dem Hockey zu tun haben, ansprechen und den Reiz von Hockey näherbringen und vielleicht auch für den Verein gewinnen kann. Aber es gibt auch nicht jedes Jahr ein Groß-Event, das man nach Deutschland holen kann. Das muss man verstehen. Wir hatten ja schon fast alle großen Hockeyturniere im Stadion. Die deutsche Endrunde hatten wir auch schon bei uns, aber dafür ist das Stadion vielleicht schon zu groß. Wenn es nur halb voll ist, kommt keine Stimmung auf. Ich glaube aber, dass der Deutsche Hockey Bund wieder verstanden hat, was er an dem Stadion hat, und wenn da neue Events stattfinden, ist das für uns als Verein sensationell, aber auch für die ganze Region.

Wie sehen Sie Borussia als Faktor für andere Sportarten?

Kunz Es wird für alle Vereine schwieriger. Alle neben Borussia haben es schwer. Es sind manche Vereine auf einmal aus Bundesligen verschwunden. Jetzt kommen gottseidank wieder welche hoch, aber für die ist es natürlich schwierig, neben Borussia und der Berichterstattung in allen Medien, wo Fußball über allem steht, Sponsoren zu gewinnen oder standzuhalten. Es gibt Sportarten, die das schaffen werden, und dazu zähle ich Tennis und Hockey.

Muss man als Verein auf gewissen Wellen mitschwimmen?

Kunz Wir versuchen auch, bei Groß-Events parallel Werbung zu machen. Für uns ist Mitgliedergewinnung ganz wichtig, um einen guten Unterbau zu haben. Darum sind wir regelmäßig an Grundschulen und Kindergärten.

Ist die Kooperation mit den Schulen der Weg, weil die Kinder auch weniger Zeit haben?

Kunz Wir haben mit der Stadt eine feste Vereinbarung, dass wir das im Sinne der Talentsichtung und -förderung machen, und das machen wir auch gerne. Aber vor 20 Jahren gab es nicht so viele Sportarten, das Freizeitverhalten hat sich verändert, dann kam das G8-Konzept, das für alle Sportvereine eine Katastrophe war. Da musstest du innerhalb von drei Stunden Hunderte Jugendliche durchs Training „schleusen“. Darum bin ich aus reiner Sportvereinssicht und als Familienvater froh, dass es wieder G9 geben wird. Die Kooperation mit den Schulen läuft sehr gut, aber die Schulzeit war zuletzt so lang, dass Kinder teilweise zu spät zum Training um 16 Uhr kamen. Wir mussten auf das Wochenende ausweichen. Und da Kinder vor allem am Anfang nicht nur eine Sportart machen, wurde es immer enger. Da hat man gemerkt, dass immer weniger Kinder zum Sport kommen.

Weil Vereinssport altbacken ist?

Kunz Es hängt davon ab, was man unter Vereinssport versteht. Vereinssport an sich klingt ja schon altbacken. Aber es geht um Gemeinschaft, um soziale Kontakte. Ich merke seit zwei, drei Jahren, dass Eltern und Kinder darauf wieder mehr Wert legen. Es gibt doch nichts Schöneres als zu wissen: Die Kinder sind auf der Anlage, bewegen sich, hängen nicht am Computer, sondern machen Sport oder schwimmen in unserem Pool, lernen soziale Kompetenz und sind auf einem Gelände, auf dem ihnen eigentlich nichts passieren kann. Das ist ein Wert, den Eltern wieder schätzen.

Kann Hockey so aus dem Nischensport-Dasein herauskommen?

Kunz Hockey ist in Deutschland ein Nischensport, komischerweise in anderen Ländern nicht. Nische ist aber nicht nur negativ, es kann auch eine gute Nische sein. Es geht einfach darum, dass Kinder einen Mannschaftssport machen sollten. Und da ist Hockey ein toller Sport.

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