Abschlag in die Profikarriere Wie sich ein Gladbacher im Golfsport etablieren will
Golf · Jannik De Bruyn nimmt in diesem Jahr die europäische Golftour in Angriff. Das Leben als Profisportler bringt aber auch einige Herausforderung mit sich – gerade im Golf. Dennoch hat der Mönchengladbacher hohe Ziele und träumt von den Olympischen Spielen. Ein Umdenken fordert er beim Image seines Sports.
Es ist einer der ungemütlicheren Tage im Februar: Graue Wolken schieben noch grauere Wolken zur Seite, gelegentlich spuckt der Himmel Regenschauer aus. Keine idealen Bedingungen zum Golfen. Das muss auch Jannik De Bruyn feststellen. Also fällt das Training auf der Anlage Schloss Myllendonk an diesem Tag größtenteils aus. Es sind Unwägbarkeiten, die ein „Draußensport“ eben mit sich bringt. De Bruyn sieht es gelassen: „Da muss man einfach spontan sein und die trockenen und guten Tage nutzen.“ Diese Saisonvorbereitung ist jedoch eine besondere für den 22-Jährigen: Es ist seine erste als Profispieler. „Darauf habe ich immer hingearbeitet“, sagt der Mönchengladbacher, der inzwischen auch wieder in der Vitusstadt wohnt.
Deutscher Meister bei den Herren 2019, Team-Europameister 2020, De Bruyn hat bereits einige Erfolge erzielt. Dazu stand er auf Platz 36 der Amateur-Weltrangliste. „Das ist ein guter Indikator, um auch als Profi erfolgreich zu sein“, sagt er. Das nötige Handicap für den Wechsel ins Profilager besaß De Bruyn ebenfalls schon länger. Doch mit dem Schritt zu den Profis wartete er bis zum vergangenen Sommer, da sich zuvor für ihn die Förderung als Amateur durch die Nationalmannschaft als sinnvoller erwies.
Das System im Profigolf ist komplex, jeder Spieler muss sich in den Spielklassen von unten nach oben hocharbeiten. De Bruyn darf sich nun für Turniere auf der Pro Golf Tour und einige Wettbewerbe auf der Challenge Tour melden, der dritt- und zweithöchsten Spielklasse im europäischen Golf. Außerdem hofft er auf Einladungen für den Porsche European Open und die BMW International Open, die beiden deutschen Turniere der PGA European Tour, der höchsten Turnierkategorie in Europa. An den Porsche European Open nahm De Bruyn bereits im Vorjahr teil, schied dort jedoch frühzeitig aus. „Es war mein erstes Turnier auf der PGA European Tour. Es ist noch einmal etwas anderes, wenn die Stars plötzlich neben einem stehen. Ich gehe nun aber anders an die Turniere heran, weil ich weiß, was ich nun brauche, um dort zu bestehen“, sagt er rückblickend.
Profisportler wollte er schon immer werden. Anfangs jedoch als Fußballer. Sogar ein Probetraining bei Borussia Mönchengladbach absolvierte er. Mit elf Jahren trat jedoch Golf in sein Leben. Zunächst als Faszination im Fernsehen, kurz darauf erstmals auf der Anlage. „Wir haben in der Nähe von der Golfanlage Schloss Myllendonk gewohnt und mein Vater hat mich dann zum Probetraining gebracht. Damit fing es an“, sagt er. Mit 13 Jahren habe er sich dann entscheiden müssen: Fußball oder Golf? „Ich habe im Golf die besseren Erfolgsaussichten für mich gesehen. Da habe ich es selbst in der Hand, wie gut ich bin und welche Ergebnisse ich erziele“, sagt De Bruyn. Sein Handicap wurde immer besser, die Turniere immer hochkarätiger: erst in NRW, dann bundesweit, später international.
In seinem Umfeld ließ er sein neues Hobby aber zunächst geheim. „Ehrlich gesagt, wussten nur ganz wenige Mitschüler davon. Mit 16 Jahre gehörte ich zum Nationalkader, dem Junior Team Germany. Ab dem Zeitpunkt war für mich klar, dass es nicht nur ein Hobby ist, sondern es die Chance gibt, Golf zum Beruf zu machen. Ich bin dann häufiger während der Schulzeit auf Turnieren gewesen. Da fragen die Mitschüler dann schon nach“, sagt De Bruyn. Ab der Jugendzeit war sein Leben daher auf die Profikarriere ausgelegt – einiges hat er dadurch versäumt. „Auf jeden Fall viele Partys“, sagt er und lacht. Unter anderem verpasste er die Mottowoche vor seinem Abitur, weil er ein Turnier spielen musste. „Ich habe auf der anderen Seite viele Erfahrungen mitgenommen, die ich sonst nicht gemacht hätte. Deswegen bin ich froh über meinen Weg“, sagt er.
Seine Berufung in den deutschen Nationalkader half ihm derweil auch in finanzieller Hinsicht. Die Branchenzeitung „Golf Time“ bezifferte 2017 die laufenden Ausgaben für Kaderspieler im Nachwuchs pro Saison auf 30.000 bis 45.000 Euro. „Die Kosten für die Turnierteilnahmen waren zu 85 Prozent durch die Nationalmannschaft gedeckt. Für den Rest hatte ich Freunde und Bekannte, auch hier im Golfclub Schloss Myllendonk, die mich unterstützt haben. Anders wäre es nicht möglich gewesen. Ich komme aus einem normalen Elternhaus, für das eine Turnierreise pro Monat nicht zu finanzieren gewesen wäre“, sagt der 22-Jährige.
Eine Besonderheit im Golf: Anders als in Mannschaftssportarten ist De Bruyn als Profi nirgendwo angestellt, sondern im Prinzip als selbstständiger Unternehmer unterwegs – mit dem gleichen Risiko. „Es geht vor allem um finanzielle Sorgen. Ich habe mit 22 Jahren keinen ganz großen finanziellen Hintergrund. Deshalb bin ich sehr auf die Nationalmannschaft, den Golfclub Hösel, für den ich spiele, und auf Sponsoren angewiesen“, sagt de Bruyne. Eine Absicherung hat er jedoch: die Bundeswehr. „Durch die Anstellung als Sportsoldat habe ich eine finanzielle Sicherheit. Die Bundeswehr hilft vielen Sportlern, die ihren Sport ansonsten finanziell nicht ausüben könnten. Ich bin seit 2018 in der Bundeswehr und gerade in meiner Amateurzeit hat mir das sehr geholfen, um meine Kosten zu decken“, sagt er. Denn als Amateur durfte De Bruyn bei Turnieren kein Geld verdienen – anders als nun als Profi. „Das gibt einem auch eine neue Ernsthaftigkeit. Man hat nun das Gefühl, dass es wirklich ein Beruf ist“, sagt De Bruyn.
Bei Turnieren der Pro Golf Tour werden laut De Bruyn rund 30.000 Euro an Preisgeldern unter den Teilnehmern verteilt, bei der Challenge Tour rund 250.000 Euro. Das klingt lukrativ, doch an die ganz großen Geldtöpfe dürfte De Bruyn in seinem ersten Profijahr noch nicht herankommen. Außerdem: Wer viele Turniere spielt, bei dem steigen automatisch die Ausgaben. Eine internationale Saison im Golf kann einen mittleren fünfstelligen Betrag kosten, für viele Golfer ist es daher eine Budgetfrage, was an Reisen und Turnieren möglich ist – und was nicht. Bei der Planung wird De Bruyn daher von einer Berateragentur aus Düsseldorf unterstützt, mit Puma und Titleist, einer Schlägerfirma, besitzt er zudem erste namhafte Sponsoren.
Eine erfolgreiche Karriere im Sport garantiert das allerdings noch nicht. Wie er selbst seine Perspektiven im Golf einschätzt? „Wenn ich es nicht als realistisch ansehen würde, bis ins hohe Alter vom Sport leben zu können, hätte ich etwas anderes gemacht“, sagt De Bruyn. Nebenbei hat er bereits eine Weiterbildung zum Mentaltrainer angefangen. Allerdings nicht als Plan B, sondern um als Sportler davon zu profitieren. „Ich arbeite also quasi selbst für meinen Erfolg. Es ist cool, beruflich Zeit damit zu verbringen, was einem am meisten Spaß macht. Diesen Luxus weiß ich zu schätzen“, sagt er. Dafür absolviert er fünf Fitnesseinheiten in der Woche und steht sechsmals auf der Anlage – wenn das Wetter es zulässt. Inklusive Mentaltraining seien das bis zu acht Stunden am Tag.
De Bruyn möchte aber nicht nur Profispieler sein, er möchte auch ein Umdenken bewirken. Es geht ihm ums Image des Golfs, dem oft der Ruf eines Elitensports anhängt, der seine Etiketten liebt und viel Geld erfordert. „Golf muss empfänglicher werden für eine größere Zielgruppe. Ich bin da ein gutes Beispiel: Ich komme aus keiner reichen Familie“, sagt De Bruyn.
Er nennt als Beispiel das Thema Kleidung: Zumeist gilt auf Golfplätzen eine einheitliche Kragenpflicht für Polo-Shirts oder Hemden. Das Hemd wird dazu stets in der Hose getragen. So will es die Etikette. „Ich trage gerne Golfkleidung, aber wenn ich abends auf die Anlege gehe mit Sporthose und Sportshirt – das sollte doch möglich sein?“ Sein Kompromissvorschlag: Im Training den Dresscode etwas lockern, im Turnier aber weiter in Golfkleidung auftreten. Zu seinem Vorpreschen gegen die alten Traditionen bekomme er nach eigener Aussage viel positives Feedback, vor allem aus seiner Generation. „Es gibt aber auch andere, die da konservativer eingestellt sind, was Kleidung, Offenheit und Kosten des Sports angeht“, sagt er und fügt an: „Tennis hat es auch geschafft, sich zu öffnen und zum Breitensport zu werden. Der Golfsport hat das gleiche Potenzial. Es ist nur die Frage, ob man dieses Potenzial auch ausschöpft.“ Zunächst möchte sich De Bruyn aber sportlich etablieren. Sein Ziel in diesem Jahr: Die volle Spielberechtigung für die Challenge Tour zu erreichen. Dafür muss er entweder die Jahresrangliste der Pro Golf Tour in den Top fünf oder die Rangliste der Challenge Tour in den Top 80 abschließen.
In fünf Jahren will er dann zur höchsten Spielklasse, der PGA European Tour, gehören. Auch eine Teilnahme bei den Olympischen Spielen hat sich De Bruyn auf die Wunschliste geschrieben. Erst einmal beginnt Mitte März allerdings seine Premierensaison als Profi: Es geht zu Turnieren der Pro Golf Tour nach Ägypten.