Herr Schmidt, ist Ihr Anspruch, in diesem Jahr einen Platz besser als in der Vorsaison abzuschneiden?
GHTC-Teamchef Henrik Schmidt im Interview „Unser Bundesliga-Kader birgt auch Gefahren“
Tennis-Bundesliga · In der Vorsaison beendete der Gladbacher HTC die Tennis-Bundesliga als Vizemeister. Dieses Jahr ist der Kader auf dem Papier noch einmal deutlich stärker. Warum Teamchef Henrik Schmidt seine Mannschaft trotzdem nicht als Titelaspirant sieht, erklärt er im Interview.
Henrik Schmidt Wir würden gerne, ich glaube es aber nicht.
Auf dem Papier verfügen Sie allerdings über einen der stärksten Kader der Bundesliga – immerhin haben Sie sechs Top-100-Spieler.
Schmidt Ehrlicherweise finde ich, dass der Kader auch Gefahren birgt. Unsere Neuzugänge Sebastian Baez und Tomas Etcheverry sind ebenso hoch in der Weltrangliste gestiegen wie Daniel Altmaier und Tallon Griekspoor. Wenn man sich nur die ersten sechs oder sieben Spieler im Kader ansieht, gehören wir zu den absoluten Top-Mannschaften. Sollten diese Spieler zur Verfügung stehen, dann können wir tatsächlich Deutscher Meister werden. Die Verfügbarkeit ist aber das Problem: Denn die ist bei den Spielern in den Top 70 oder 80 der Welt limitierter als bei den Spielern, die um 120 in der Welt stehen. Andere Spieler wie Lukas Rosol, Robin Haase, Adrian Menendez, Mario Vilella Martínez oder Andrej Martin sind hingegen in der Weltrangliste abgefallen. Da fehlt im Moment etwas die Form. Ich sehe uns daher als Mittelfeldmannschaft, weil ich glaube, dass wir einige gute Matches spielen werden, aber nicht um den Titel.
Wer sind dann für Sie die Favoriten auf den Titel?
Schmidt Ich glaube, Mannheim und Großhesselohe machen den Titel unter sich aus. Rosenheim schätze ich auch stark ein. Kurhaus Aachen könnte ebenfalls vorne mitmischen.
Neuzugang Baez haben Sie schon angesprochen. Als Sie in holten, stand er jenseits der Top-100 in der Welt. Seitdem ist er bis auf Platz 34 geklettert – und hätte bei den French Open beinahe Alexander Zverev geschlagen. Wie wichtig ist das frühe Scouting solcher Spieler?
Schmidt Ich glaube, dass wir in der Vergangenheit unsere Spieler ganz gut beobachtet haben. Einen Griekspoor wollten wir unbedingt haben, als er 150 oder 160 in der Welt stand. Baez haben wir nun verpflichtet, als er um Platz 140 stand. Unser Coach Patrice Hopfe ist mit vielen Spielern auf den Turnieren unterwegs und sammelt viele Eindrücke. Es geht ja auch um das Verhalten neben dem Platz: Wie professionell ist der Spieler, spult er immer sein Programm ab? Da gibt es Spieler, die machen nichts, und da hört es beim Talent auf. Aber man braucht Talent und harte Arbeit. Baez ist ein Rohdiamant und brennt für Tennis. Dass er nun innerhalb eines Dreivierteljahres in die Top 40 der Welt kommt, das haben wir aber auch nicht gedacht.
Werden solche Spieler, die stark im Ranking steigen, dann teurer für Bundesliga-Einsätze?
Schmidt Ja. Wir haben rankingabhängige Verträge – in der Regel nach 50 Weltranglistenplätze gestaffelt: Top 150, Top 100, Top 50. Dann verändern sich die Tagesvergütungen und Siegprämien. Aber rankingabhängig bedeutet auch, dass es nach unten gehen kann. Daher gibt es auch Spieler bei uns, die halt sagen: Ich möchte das nicht, ich fühle mich wohl und will das feste Geld haben.
In der Bundesliga leben die Vereine von Sponsoreneinnahmen. Hat sich die Vize-Meisterschaft positiv auf das Budget ausgewirkt?
Schmidt Ja, das haben wir schon gemerkt. Die Sponsoren bringen zum Teil auch immer potenzielle neue Sponsoren mit. Und wenn die Stimmung hier gut ist und wir gewinnen, ist das natürlich positiv. Am letzten Spieltag der vergangenen Saison ist es für uns mit dem Vize-Titel sensationell gelaufen – vor allem, dass elf Spieler vor Ort waren, obwohl nur sechs im bezahlten Kader standen. Das haben die Leute natürlich mitbekommen. Alleine an diesem Spieltag haben wir vier neue Sponsoren gewonnen.
Das Budget ist also gestiegen?
Schmidt Das Budget ist für diese Saison etwas gewachsen – zumindest im Vergleich zu den beiden Vorjahren. Von den finanziellen Möglichkeiten können wir die Mannschaft durchweg gut aufstellen. Vom Etat her sind wir ungefähr auf Platz fünf oder sechs der Liga.
Welche Veränderungen hat es im Kader gegeben?
Schmidt Wir waren mit unserem Kader eigentlich sehr zufrieden, deswegen haben wir gar nicht so viel verändert. Positiv ist vor allem unsere Aufstellung für die Doppel: Mit Aleksandr Nedovyesov, Robin Haase, Roman Jebavy, Tim Sandkaulen und Lukas Rosol haben wir so viele Doppelspezialisten, dass wir an jedem Spieltag noch die Chancen haben, ein Spiel zu drehen. Ein Ziel war es allerdings, dass wir uns oben breiter mit Aschespezialisten aufstellen. Deswegen haben wir uns bewusst für die beiden argentinischen Neuzugänge Baez und Etcheverry entschieden. Was allerdings schade ist: Etcheverry hatte einen italienischen Pass beantragt, den er bis März bekommen sollte. Aber wegen Covid und den Behörden hat das bislang nicht geklappt. Daher können Baez und Etcheverry nicht zusammen für uns spielen. Denn pro Spieltag ist immer nur ein Nicht-EU-Spieler erlaubt. Ein weiterer Neuzugang ist Tomas Machac, der für uns im Prinzip ein dankbarer Bundesligaspieler ist.
Weshalb?
Schmidt Er steht in der Weltrangliste um Platz 130. Diese Spieler haben ein gutes Niveau und sind regelmäßig verfügbar, da sie nicht jedes Wochenende irgendwo ein Turnier-Halbfinale spielen. Das sind eigentlich unsere Lieblingsspieler. Leider ist Machat im Moment jedoch verletzt.
Was auffällt: Zuletzt sind Sie 2016 mit einem Heimspiel in die Saison gestartet – seitdem immer auswärts. Auch in diesem Jahr mit dem Spiel in Krefeld. Zufall?
Schmidt Das wusste ich gar nicht. Ich muss allerdings sagen, dass das zweite Saisonwochenende immer das schönste für ein Heimspiel ist. Denn da hat man die meisten Top-Spieler fast sicher an der Hand, weil keiner von ihnen in Wimbledon das Halbfinale oder Finale erreicht. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Spieler wie Baez, Griekspoor oder Albert Ramos dann für uns spielen. Daher ist ein Heimspiel am zweiten Wochenende immer gut. Wir haben auf den Spielplan allerdings keinen Einfluss.
Wie schätzen Sie das erste Spiel gegen Krefeld ein?
Schmidt Ausgeglichen. Das ist ein schweres Auswärtsspiel. Krefeld hat in der Vergangenheit im ersten Heimspiel kadermäßig immer voll aufgefahren. Sie haben viele Aschespezialisten wie Thiago Monteiro, Marco Cecchinato, der schon im Halbfinale der French Open stand, oder Stefano Travaglia. Entsprechend ist es gegen einen Top-Kader gleich ein richtungsweisendes Spiel für uns.
Inwiefern hat es Auswirkungen, dass parallel gerade die erste Woche in Wimbledon zu Ende geht?
Schmidt Die Top-Spieler in Krefeld sind alles keine guten Rasenspieler, sie werden also wohl alle zur Verfügung stehen. Wir haben neun Spieler im Hauptfeld – sechs Einzel, drei im Doppel. Wenn die alle gut spielen, könnte es schwierig werden. Wenn alle früh verlieren, haben wir den Hammerkader.
Die Tennis-Bundesliga feiert in diesem Jahr ihr 50-jähriges Jubiläum. Dennoch fehlt, so der Eindruck, der Liga außerhalb der Tennisszene oft die Aufmerksamkeit. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Schmidt Ein Nachteil ist, dass die Liga nur sieben bis acht Wochen im Sommer dauert. Anders ist das Format aber auch nicht durchführbar, weil nur in dieser Zeit die Spieler in Europa die Ascheturniere spielen. Es gab mal Überlegungen, die Liga auf neun bis zehn Monate auszuweiten. Aber das wäre mit den Spielen in der Halle aufgrund fehlender Tribünen schwierig geworden. Der Deutsche Tennis-Bund hat mit Simon Papendorf einen neuen Geschäftsführer, der sich auch intensiv um die Bundesliga kümmern möchte. Da gibt es eine neue Denke im Verband.
Was erwarten Sie vom neuen Präsidenten hinsichtlich der Bundesliga?
Schmidt Ich bin sehr gespannt. Wenn die Vereine und der Verband nun gemeinsam an einem Strang ziehen, kann etwas entstehen. Der DTB will in den kommenden drei Jahren einiges in Sachen Vermarktung machen. Denn bislang hat man sich beim DTB bei der Bundesliga komplett rausgehalten und die Vereine die Liga organisieren lassen. Der Davis-Cup und eigene Meisterschaften hatten beim DTB Priorität. Das meine ich nicht als Vorwurf, das war historisch schon immer so. Die Bundesliga hat da nie eine große Rolle gespielt. Der neue Geschäftsführer sieht das nun anders. Ich glaube, darin besteht eine Chance für die Bundesliga.