Fechten Wo sich die Degenklingen kreuzen

Fechten · Beim Rheydter TV gibt es eine sehr aktive Fechtabteilung – auch wenn nur eine Waffengattung angeboten wird.

 RTV-Fechttrainer Jonas Bähren gibt Severin Bauendahl (l.) und Max Doby Tipps für die Beinarbeit. Gefochten wird dann selbstverständlich nur mit Maske.

RTV-Fechttrainer Jonas Bähren gibt Severin Bauendahl (l.) und Max Doby Tipps für die Beinarbeit. Gefochten wird dann selbstverständlich nur mit Maske.

Foto: Dieter Wiechmann

Es ist ziemlich ruhig in der Sporthalle des Gymnasiums an der Gartenstraße. Die Stille wird nur durchbrochen, wenn auf einer der Bahnen die beiden Stahlklingen aufeinandertreffen oder eine der elektronischen Ergebnistafeln mit einem lauten Piepton einen Treffer anzeigt. Auf der vordersten Bahn geht Max Doby gerade wieder in die Ausgangsstellung, er bestreitet ein Gefecht gegen seinen Trainer Jonas Bähren. Der 15-Jährige konzentriert sich, tippelt ein wenig auf der Stelle, greift an und bringt die Spitze seines Degens an Bährens Anzug – Treffer. Und ein weiteres kleines Erfolgserlebnis für das Fecht-Talent des Rheydter TV, das erst vor gut einem Jahr mit dem Fechten angefangen hat.

„Ich bin noch nicht so der Angreifer und muss in Sachen Taktik noch viel lernen. Aber es macht mir auf jeden Fall großen Spaß“, sagt Doby, der in Schwalmtal wohnt, die weiten Strecken zum Training aber gerne in Kauf nimmt. Er hat Handball gespielt, dann wollte er etwas anderes machen. „Beim Fechten braucht man auf jeden Fall Ausdauer, sonst ist man auf Dauer zu langsam, um zu punkten. Bei meinen ersten Turnieren lief es noch nicht so gut, aber bei den Stadtmeisterschaften im Dezember habe ich erstmals den ersten Platz belegt“, sagt Doby, den die schnelle Weiterentwicklung zusätzlich motiviert.

„Der Degen ist die ideale Waffe für den Einstieg, da sie den Neulingen viel schneller erste Erfolge beschert, als das beim Florett oder beim Säbel der Fall wäre“, sagt Hans-Ulrich Rosocha, Vorsitzender des RTV und selbst aktiver Fechter. Das Degenfechten sei weniger kompliziert, da beide Duellanten jederzeit punkten können und im Gegensatz zu den anderen Waffengattungen kein Angriffsrecht dazu benötigen. Zudem gehöre der gesamte Körper zur Trefferfläche, fügt Rosocha hinzu. So würden auch Neueinsteiger schnell ihre ersten Punkte machen.

Das Degenfechten dürfte dem RTV bei der schwierigen Aufgabe, Kinder und Jugendliche von seinem Sport zu begeistern, demnach eher behilflich sein. Früher jedoch bot die Rheydter Fechtabteilung, die bereits seit knapp 96 Jahren besteht, ausschließlich Florettfechten an. „Den Wechsel hat es aufgrund einiger Veränderungen im Trainerstab gegeben. Wir würden zwar gerne auch wieder Florett anbieten, doch es ist gar nicht so einfach, Übungsleiter dafür zu finden“, sagt Abteilungsleiterin Marianne Kampka. Dem Nachwuchs ist die Waffengattung indes zunächst einmal egal. Acht Einsteiger trainieren derzeit beim RTV, hinzu kommen zehn Fechter im Bereich der Schüler bis zur U15. Insgesamt hat die Abteilung 80 Mitglieder.

Vorsitzender Rosocha gehört zu den Routiniers, die noch mit dem Florett begannen. Zudem kann der 71-Jährige, der schon 1964 zum RTV kam, auch mit dem Säbel umgehen. „Das Schöne am Fechten ist, dass ich den Sport auch im höheren Alter ausüben und mich mit Jüngeren duellieren kann“, sagt Rosocha. Dass es an der Basis immer weniger Florett- oder Säbeltrainer gibt und damit diese Waffengattungen zumindest unterhalb des Leistungssports immer mehr an Bedeutung verlieren, sei eine Entwicklung, die leider nicht so einfach zu stoppen sei.

Jonas Bähren glaubt indes nicht, dass das Florettfechten an der Basis irgendwann ausstirbt: „Es gibt schließlich auch Vereine, die sich genau darauf spezialisiert haben.“ Der 24-Jährige, der in der Rheydter Herren-Mannschaft aktiv ist, hat auch noch mit Florett angefangen, er sieht jedoch auch die Vorteile, die der Degen für Neueinsteiger mit sich bringt. „Es gibt schon riesige Unterschiede zwischen den Waffengattungen. Das Florettfechten ist technischer und noch schneller. Dafür ist das Degenfechten leichter zu erlernen“, sagt Bähren, der seinen Nachwuchssportlern in den Trainingsduellen immer auch individuelle Aufgaben stellt.

So lässt er beispielsweise Severin Bauendahl, der bereits zweimal Schüler-Landesmeister geworden ist, defensiv agieren, während auf der anderen Seite Max Doby angreifen soll. Oder er fordert durch ein Gefecht auf Zeit grundsätzlich ein frühzeitiges Agieren ein. So schult er in seinem Sport, der Dynamik mit Eleganz vereint, sowohl die Beinarbeit als auch Kondition und Reaktionsschnelligkeit. Allerdings würde Bähren keinem guten Degenfechter zwangsläufig zu einem Wechsel zum anspruchsvolleren Florett raten. „Jede Fecht-Art hat ihre Besonderheiten. Und wer mit dem Degen gut ist, kann dort eben seine Stärken ausspielen.“

Max Doby hat sich noch keine Gedanken gemacht, ob das Florett für ihn einmal eine Option wäre. Er will sich zunächst so gut und schnell weiterentwickeln wie ihm das bereits in seinem ersten Jahr gelungen ist. „Mein Ziel ist es, bei immer größeren Wettbewerben anzutreten“, sagt der 15-Jährige. Dann zieht er sich die Maske wieder über das Gesicht. Das nächste Trainingsgefecht wartet auf ihn – kurz darauf piept es wieder an der Gartenstraße. Doby hat wieder getroffen.

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