Andrea Osterkamp aus Nettetal Mit Euphorie und Kritik zum Ironman nach Hawaii
Triathlon · Andrea Osterkamp vom Dülkener SV hat sich für den bekanntesten Triathlon über die Langdistanz qualifiziert. Wie sie sich ihren Traum erfüllen konnte und wieso sie die Entwicklung des Ironmans auf Hawaii kritisch sieht.
Zehn Stunden, sechzehn Minuten und drei Sekunden: Das ist die magische Zeit, mit der Andrea Osterkamp beim Ironman im französischen Vichy Ende August die Ziellinie überquert. Nach 180,2 Kilometer Radfahren und 42,195 Kilometer Laufen – die sonst bei der Langdistanz obligatorischen 3,86 Kilometer Schwimmen zum Start wurden vom Veranstalter aufgrund der schlechten Wasserqualität übersprungen – belegt Osterkamp damit bei den 45- bis 49-jährigen Frauen den zweiten Platz. Schon 2021 kommt die Triathletin des Dülkener SV beim Ironman in Vichy als Zweite ihrer Altersklasse ins Ziel. Doch in diesem Jahr ist diese Platzierung so viel mehr wert als nur eine Silbermedaille. Sie ist das Ticket für die Teilnahme am legendären Ironman auf Hawaii.
„Man spricht ja immer vom ‚Mythos Hawaii‘ und es war mein Traum, die Qualifikation dafür zu schaffen“, erzählt Andrea Osterkamp. Vergeben werden die Teilnahmerslots für den bekanntesten Langstrecken-Triathlon der Welt bei den weiteren Wettbewerben, die unter dem Namen „Ironman“ über das Jahr verteilt ausgetragen werden. Je nach Anzahl der Teilnehmer werden dort prozentual die Slots für das Rennen auf Hawaii aufgeteilt.
In beiden Jahren war für die Altersklasse W45-49 in Vichy nur ein Startplatz vorgesehen. Weil aber die Siegerin aus diesem Jahr bei der feierlichen Slotvergabe am Ende des Wettbewerbes ihr Hawaii-Ticket nicht in Anspruch nimmt, ist Andrea Osterkamp plötzlich die lachende Zweite – und hat die Qualifikation für den Ironmann auf Hawaii im Oktober 2023 in der Tasche.
Dass die Nettetalerin, die gebürtig aus dem Ruhrgebiet kommt, mal bei einem der härtesten Sportevents der Welt teilnehmen würde, war keineswegs von langer Hand geplant, vielmehr hat sich dieser Traum peu á peu im Verlauf ihres Lebens entwickelt. „Ich komme aus einer sehr sportlichen Familie, bin als Jugendliche geschwommen und haben dann lange Fußball bei Fortuna Dilkrath in der Regional- und Verbandsliga gespielt“, erzählt Osterkamp. Eine muskuläre Verletzung zwingt sie dann zu einer längeren Pause vom Fußball – stattdessen soll sie viel Fahrradfahren und Schwimmen.
Es ist damals eine Art Initialzündung, denn Osterkamp findet Gefallen an diesen Ausdauersportarten. „Das muss so um das Jahr 2005 gewesen sein. Ich habe dann neben dem Fußball mit kleineren Triathlon-Wettkämpfen angefangen – über die Sprint- und Mitteldistanz“, erinnert sich Osterkamp. So kommt sie mit der Zeit in den „Dunstkreis“ – wie die Nettetalerin es nennt – von Michael Fritz und Michael Schroers. Fritz ist ein bekannter Sportmediziner aus Viersen, Schroers war selber schon Teilnehmer auf Hawaii und krönte sich vor einigen Jahren zum Triathlon-Weltmeister der Feuerwehrleute. Ich habe die beiden beim Dülkener SV kennengelernt. Alles, was ich über Triathlon und die Langdistanz weiß – vom Trainingsplan bis zur Ernährung – haben die beiden mir beigebracht“, so Andrea Osterkamp weiter.
2016 läuft die DSV-Athletin dann ihren ersten Triathlon über die Langdistanz. „Das war bei der Challenge in Roth, der größte Triathlon Europas. ‚Challenge‘ ist neben ‚Ironman‘ der zweite, weniger kommerzielle, Anbieter für Langdistanzen“, erklärt sie. Das Ziel damals: erst einmal irgendwie ankommen. Das gelingt ihr – und auch im Anschluss merkt Andrea Osterkamp, wie rasant sie bei ihren Zeiten Fortschritte machen kann. „Erst kommt man mal in die Top Ten und sieht dann, dass man in seiner Altersklasse auch ganz vorne angreifen kann.“ Bei der facettenreichen Vorbereitung auf die Wettkämpfe hilft ihr insbesondere eine Trainingsgruppe, die sich sonntags zum mehrstündigen Fahrradfahren trifft – in dieser Gruppe sind auch Fritz und Schroers dabei. „Die Gemeinschaft hat mich überhaupt so lange dranbleiben lassen“, sagt Osterkamp.
Vor der Pandemie platziert sich Osterkamp in Roth zweimal auf dem Podium und setzt sich dann ein ambitioniertes Ziel: die Teilnahme beim Ironman auf Hawaii. „Ich habe gemerkt, dass es möglich ist, und es war mein Traum, mich zu qualifizieren. Das sollte aber nicht krampfhaft und zu verbissen wirken. Ich wollte mein Bestes geben und schauen, ob es klappt.“ Geklappt hat es mit dem erfolgreichen Rennen in Vichy nun also wirklich, sodass Andrea Osterkamp ihren Trainingsplan nun schon auf Oktober 2023 ausrichten kann – immerhin gilt der Ironman auf Hawaii als eines der härtesten Sportevents der Welt. „35 Grad, die Radstrecke führt durch das Vulkangebiet. Eigentlich total verrückt, dass wir Triathleten uns für so einen Wettkampf qualifizieren wollen.“
Die Vorfreude auf ihren Ironman im kommenden Jahr steigt, Osterkamp sieht die Entwicklung des Anbieters für Langdistanzen in den vergangenen Jahren aber auch kritisch: „Leider dreht Ironman zuletzt immer weiter an der Kommerzschraube. Der Mythos für das Rennen in Hawaii besteht, nimmt aber Schaden, wenn das so weitergeht. Ich habe mir den Traum erfüllt, sehe die Kommerzialisierung aber enorm kritisch.“ Das sei auch der Unterschied zu den Triathlon-Wettkämpfen unter dem Namen „Challenge“. Dort ginge es noch familiärer zu, sagt Osterkamp, die nichtsdestotrotz auf die Erfüllung ihres Traums im Oktober 2023 hinfiebert.