Mönchengladbach SPD muss Scherbenhaufen aufkehren

Mönchengladbach · Barbara Gersmann, SPD-Vorsitzende in Rheydt-Odenkirchen, scheitert bei der Wahlkreiskonferenz zweimal. Die ehemalige Bundestagsabgeordnete Hildegard Wester tritt für Gersmann an. Diese kritisiert Delegierte für "Spielchen".

Es sollte der Einstieg in den Kommunalwahlkampf werden und endete in einer Kakophonie: Noch gestern waren SPD-Parteichefin Angela Tillmann und die gleich in zwei Wahlgängen gescheiterte Vorsitzende des einflussreichen Ortsverbandes Rheydt-Odenkirchen, Barbara Gersmann, sichtlich betroffen über das, was sich wenige Stunden vorher in der Rheydter Stadthalle abgespielt hatte. "Wir haben einiges aufzuarbeiten. Mit dieser Entwicklung hatte ich nicht ansatzweise gerechnet", sagte Tillmann gestern. Auch Gersmann war entsetzt: "Ich bin fassungslos, dass einige ihre eigene Karriere anscheinend für wichtiger als diese Kommunalwahl halten. Und ich bin betroffen, welche Spielchen da gespielt wurden."

Dabei hatte der Parteitag, bei dem Amtsinhaber Norbert Bude als Oberbürgermeister-Kandidat gewählt wurde, die 33 Kommunalwahlbezirke ihre Kandidaten bekamen und über die bei der SPD wichtige Reserveliste entschieden wurde, vergleichsweise entspannt begonnen. Der Mobbing-Vorwurf des Awo-Geschäftsführers und SPD-Ratsherrn Uwe Bohlen in Richtung seiner Parteifreunde am Vorabend der Wahlkreiskonferenz hatte allerdings für Unruhe gesorgt. Bohlen erklärte am Samstagmorgen seinen Verzicht auf die Kandidatur im Wahlkreis Bonnenbroich/Geneicken. Das sorgte für Gesprächsstoff.

Doch als Bude vor seinem Riesenporträt die sozialdemokratische Seele streichelte und die Fortsetzung der sozialen Projekte in Rheydt, Investitionen in Bildung und für die sechste Gesamtschule ankündigte, entspannte sich die Situation. Bude bekam auch gute Ergebnisse: Mehr als 91 Prozent der 113 Delegierten wählten ihn zum OB-Kandidaten und auf Platz 1 der Reserveliste (104 Ja-Stimmen). Da deutete nichts auf einen Eklat hin.

Doch es brodelte bereits. Als Fraktionschef Lothar Beine dann am Ende seiner Rede, in der er Uwe Bohlen versicherte, es habe nie ein Mobbing gegen ihn oder die Awo gegeben (Beine: Finanzieller Verzicht treffe die Awo, aber auch die anderen Wohlfahrtsverbände), mit einem leisen "Tschö" von der Bühne ging, da spendeten ihm die Delegierten langen Applaus. Fast alle standen dabei auf — nur die Rheydter blieben demonstrativ sitzen.

Wenig später eskalierte die Situation: Barbara Gersmann wurde abgestraft und erhielt bei ihrer Kandidatur im Wahlkreisbezirk Pongs/Hockstein nur 55 Ja-Stimmen. Nach Beratungen der Rheydter trat sie wieder an. Vorher las sie den Delegierten die Leviten: Konflikte würden bei der SPD unter den Teppich gekehrt und überhaupt würde die SPD nur in Rheydt gewinnen. Das saß — führte aber dazu, dass sie im zweiten Wahlgang nur 41 Ja-Stimmen bekam. Damit war sie raus.

Wieder folgten Beratungen, danach äußerte Norbert Sachsenhausen seine Empörung, wie andere Ortsvereine mit Rheydt-Odenkirchen umgingen: "Ihr missachtet die Souveränitätsrechte unseres Ortsvereins." Schließlich erklärte sich die ehemalige Bundestagsabgeordnete Hildegard Wester bereit, den Wahlbezirk von Gersmann zu übernehmen. Sie kritisierte ebenfalls die Delegierten für ihr Verhalten — und erhielt dann mehr als 90 Stimmen für Direktkandidatur und Listenplatz. Auch OB Bude trat noch einmal ans Rednerpult, sprach von "Wut und Traurigkeit" und sagte, ihn "beschäme" dieses Vorgehen.

Gestern, einen Tag nach diesem denkwürdigen SPD-Parteitag, blickte die gescheiterte Kandidatin Barbara Gersmann nach vorn. "Ich werde weiterhin in der SPD unbequeme Wahrheiten sagen, lasse mich nicht verbiegen und nehme auf taktische Befindlichkeiten keine Rücksicht. Vielleicht war mein Verhalten taktisch nicht klug, aber strategisch war es richtig." Sie werde weiter für die SPD Politik machen. Dies erklärte im Übrigen auch Uwe Bohlen: "Aus der SPD austreten? Kommt überhaupt nicht infrage."

(RP)
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