Mönchengladbach Sparpaket: Rat entscheidet am Donnerstag

Mönchengladbach · Höhere Gewerbe- und Grundsteuer, stärkere finanzielle Belastung für Familien, kein Nutzungsentgelt für Sportstätten: Bei der Ratssitzung am Donnerstag wird der Haushaltssanierungsplan beschlossen. SPD, FDP und Grüne stimmen dafür, CDU und Linke dagegen. Die FWG macht eigene Vorschläge.

Donnerstag entscheiden Mönchengladbachs Politiker darüber, ob die Stadt im Oktober eine erste Finanzspritze des Landes von rund zehn Millionen Euro bekommt. Voraussetzung ist, dass der für den Stärkungspakt "Stadtfinanzen" notwendige Haushaltssanierungsplan (HSP) verabschiedet wird. Die Ampel-Mehrheitsfraktionen SPD, FDP und Grüne wollen in der Sitzung des Rates (heute, 15 Uhr, im Rathaus Rheydt) dafür stimmen. Der HSP legt fest, wie die Stadt bis 2021 durch Mehreinnahmen und Sparen 92 Millionen Euro erzielt — um vom Land dann im Gegenzug 307 Millionen Euro zu bekommen.

Sollte alles so eintreten, wie es derzeit Verwaltung und Ampel-Politiker prognostizieren, käme Mönchengladbach 2018 erstmals seit vielen Jahren wieder zu einem Plus von 5,4 Millionen Euro im Haushalt (2012: 95 Millionen Euro Defizit). Der städtische Schuldenberg von derzeit 1,3 Milliarden Euro bliebe allerdings weitgehend bestehen. Trotzdem wäre dies ein erster Schritt zur Sanierung der städtischen Finanzen. So geriet die Stadt in die Schieflage — und so will sie wieder hinausfinden:

Zur Geschichte

1985 begann die Entwicklung, die Mönchengladbach zunehmend in die finanzielle Bredouille brachte. Da nahm die Stadt zum ersten Mal Liquiditäts- und Kassenkredite auf. Umgerechnet 8,1 Millionen Euro waren es damals. Mit diesen Krediten wurden laufende Ausgaben bestritten — ähnlich wie es Privatleute schon einmal mit Überziehungskrediten machen. Bis auf 1993 — da kam die Stadt ohne Kassenkredite aus — stiegen die Kassenkredite Jahr für Jahr an. 1994 gab es dann das erste Haushaltssicherungskonzept, 2001 den ersten Nothaushalt. Wirtschaftskrisen, die Folgen der Hartz-IV-Reformen und mehrere Gesetzesänderungen sorgten dafür, dass Gladbachs Einnahmen und Ausgaben immer weiter auseinanderdrifteten. 2004 lagen die Kassenkredite bei 352 Millionen, die Gesamtschulden bei 778 Millionen Euro. Der heutige Stand: rund 900 Millionen Euro Kassenkredite, 1,3 Milliarden Euro Gesamtschulden.

Die Vergeblichkeitsfalle

Es ist nicht so, dass Mönchengladbach keine Sparanstrengungen unternommen hat. Im Gegenteil. Stadtkämmerer Bernd Kuckels zollte erst jüngst noch seinen Vorgängern großen Respekt für ihre Sparpakete. So sehr sich zum Beispiel CDU und SPD bei ihrer gegenseitigen Kritik am jeweiligen Finanzgebaren in der Vergangenheit beharkten, in einem waren sich die beiden großen Fraktionen — und mit ihnen auch FDP, Grüne, FWG und Linke — einig: Dadurch, dass Bund und Land den Kommunen immer mehr finanzielle Lasten aufbürdeten — jüngstes Beispiel: U 3-Betreuung und der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz —, umso größer wurde die finanzielle Schieflage. Am Ende entstand eine fast schon resignative Grundhaltung: So hätte die Stadt ihre gesamte Verwaltung auflösen und alle Mitarbeiter entlassen können — sie wäre dann noch nicht einmal auf einen ausgeglichenen Haushalt gekommen.

Der Stärkungspakt

Die rot-grüne Landesregierung entwickelte den Stärkungspakt vor rund drei Jahren und bekam dafür im Land die Zustimmung der Landes-FDP. Das Prinzip: Das Land stellt notleidenden Kommunen viele Millionen Euro zur Verfügung und verlangt im Gegenzug, dass diese Städte und Gemeinden ihre Sparanstrengungen weiter forcieren oder für zusätzliche Einnahmen — etwa durch Steuererhöhungen — sorgen. In der ersten Stufe erhielten 2011 die 34 ärmsten NRW-Städte jährlich 350 Millionen Euro aus der Landeskasse. Mönchengladbach war damals nicht dabei. Die Stadt wurde auf die zweite Runde vertröstet. Und dass sie überhaupt für den Stärkungspakt infrage kam, ist heute nur noch eine Fußnote der Stadtgeschichte. Denn 2010 prognostizierte Stadtkämmerer Bernd Kuckels noch eine Überschuldung für das Jahr 2016 — das wäre der Zeitpunkt, wenn das Vermögen der Stadt, das etwa in Straßen, Gebäude und Parks steckt, aufgezehrt ist. Aber dann besserte sich die Haushaltslage der Stadt: Die 2010er Zahlen waren aber ausschlaggebend dafür, dass sich die Stadt überhaupt bewerben konnte.

Die Bewerbung

Bis zum 31. März musste sich die Stadt für die Teilnahme am Stärkungspakt bewerben. Die Ampel-Fraktionen SPD, FDP und Grüne — also jene Parteien, die den Stärkungspakt im Land auf den Weg gebracht hatten — positionierten sich früh und erklärten, sich für eine Bewerbung der Stadt auszusprechen. CDU und Linke bildeten den Gegenpol. Die FWG stimmten mit der Ampel, ihr Parteichef Erich Oberem begründete dies so: Er sehe darin die einzige Chance, dass die Stadt zum Sparen verpflichtet werde. Das erklärte auch die IHK Mittlerer Niederrhein, die in dem Stärkungspakt die Möglichkeit erkennt, dass sich die Stadt aus der Schuldenfalle befreien kann.

Die Alternative

NRW-Innenminister Ralf Jäger hatte früh deutlich gemacht: Die Nothaushaltskommunen, die auf die Millionen aus dem Stärkungspakt freiwillig verzichten, müssen in den nächsten zehn Jahren trotzdem zu einem ausgeglichenen Haushalt kommen. In diesem Falle wären die Sparanstrengungen für die Stadt immens gewesen. Wahrscheinlich hätte die Bezirksregierung einen so genannten Sparkommissar geschickt: Er hätte alle Ausgaben und Einnahmen unter die Lupe genommen und knallhart entschieden, wo gestrichen und wo erhöht wird.

Der Haushaltssanierungsplan

Nachdem klar war, dass Gladbachs Bewerbung in den Stärkungspakt akzeptiert wurde, musste die Stadt ein Sparpaket entwickeln. Und das in einer kurzen Zeit: Bis Ende August musste es den Politikern vorliegen, die darüber einen Monat beraten konnten. Das Ausgangspaket hat die Verwaltungsspitze — OB Norbert Bude, Stadtkämmerer Bernd Kuckels und vier Fach-Dezernenten — erarbeitet: 141 Vorschläge lagen vor. Sie wurden in den Haushaltssanierungsplan (HSP) aufgenommen und den Politikern zur Entscheidung vorgelegt.

Das Ergebnis

Das "Sparpaket" sieht für dieses Jahr zwar nur rund 600 000 Euro vor. Aber in den Folgejahren geht es dann bis 2021 mächtig zur Sache: Angefangen von und 23,5 Millionen Euro 2013 bis 38,3 Millionen Euro 2021 lauten die Konsolidierungsbeträge, die von der Verwaltung erarbeitet wurden.

Die Knackpunkte

Das meiste Geld kommt über Steuererhöhungen herein: Die Gewerbesteuer wollte die Verwaltung um 35 Punkte erhöhen, die Ampel reduzierte um zehn Punkte (plus acht Millionen jährlich). Die Grundsteuer B, die alle Hausbesitzer zahlen, sollte auf 530 Punkte steigen, die Ampel verringerte um zehn Punkte (plus 3,5 Millionen pro Jahr). Nicht strittig ist das Plus bei der Spielautomaten-Steuer (eine Million). Die Stadtsparkasse soll 2013 fast 3,4 Millionen Euro vom Gewinn überweisen, danach jährlich 842 000 Euro pro Jahr mehr. Außerdem werden besonders Familien belastet, die höhere Entgelte etwa für Musikschule, Stadtbücherei, VHS und Kitas (zusätzliche Gebührenstaffel) zahlen müssen. Nutzungsentgelte für Sportplätze und Schließung von Bezirksverwaltungsstellen, Stadtteilbüchereien und des Hallenbads Giesenkirchen strich die Ampel.

Die Chancen

Wenn die Stadt 2018 einen ausgeglichenen Haushalt hat, ist endlich Luft zum Atmen da. Sie kann dann sogar Altschulden abbauen. Das gibt der Stadt wieder eine finanzielle Perspektive und mehr Spielraum.

Die Risiken

Viel, sehr viel ist ungewiss. Die Ampel konnte mehrere Vorschläge, gegen die Bürger protestierten (Büchereien, Bad Giesenkirchen, Nutzungsentgelte) nur deshalb zurücknehmen, weil die Stadt um rund zehn Millionen Euro höhere Schlüsselzuweisungen aus dem interkommunalen Finanzausgleich bekommt. Was ist, wenn Geldquellen (Schlüsselzuweisungen, Gewerbesteuer) nicht mehr in der Höhe fließen? Welche Folgen hat eine Wirtschaftskrise? Und: Derzeit zahlt die Stadt für Kredite lediglich einen halben Prozent Zins. Was ist, wenn er auf zwei Prozent steigt?

(RP/rl)
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