Mönchengladbach So will Borussia nach oben

Mönchengladbach · Borussias Sportdirektor Max Eberl hat ein Leitbild für die Zukunft entworfen. Es geht um Konstanz, die in Gladbach seit Jahren fehlt. Werder Bremen ist das Ideal. Die Mannschaft muss oft genug siegen, damit in Ruhe gearbeitet werden kann.

So bereitet sich Borussia auf die Saison vor
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Foto: Dieter Wiechmann

Adrian Monk muss ein Fan von Thomas Schaaf sein. Denn der neurotische Fernseh-Detektiv ist stets und ständig um Symmetrie bemüht. Einen symmetrischeren Lebenslauf als den von Schaaf, im elften Jahr Trainer von Werder Bremen, gibt es selten. 1978 gehörte Schaaf erstmals zum Bremer Profiteam, das hatte bis 1995 Bestand, im Mai 1999 wurde er dann Trainer bei Werder und ist dies auch heute noch. So steht, Sie werden jauchzen lieber Mr. Monk, im Schaafschen Datenblatt unter "Verein" immer: Werder Bremen. Eine verblüffende Tatsache im Durchlauferhitzer Profifußball, fast anachronistisch.

Doch Werder ist nebenbei konstant erfolgreich, immerhin holte Schaaf in der vergangenen Dekade vier Titel (zuletzt den dritten Pokalsieg) und führte seine Mannschaft regelmäßig auf Europas Fußballbühne. Die Stärke, auch im Misserfolg nicht zu zweifeln und nicht alles umzustoßen, das ist indes die nötige Basis, um konstant zu arbeiten. Zeit geben in Krisenzeiten, das ist Werders vornehmste Tugend.

Für nicht wenige Konkurrenten ist Werders Konstanz das Ideal. Für Borussia zum Beispiel. Dort ist die einzige Konstanz die Abwesenheit von Konstanz: Zehn Jahre, zehn Trainer (jetzt: Michael Frontzeck), Max Eberl ist seit 1999 der vierte Sportdirektor, dazu kommt eine Spielerfluktuation, die gefühlt einer Völkerwanderung gleicht. Eberl will es besser machen. Er hat eine Philosophie für Borussia entworfen. Der Sportdirektor und seine Crew werden indes nicht die, laut Immanuel Kant, Urfragen philosophischen Denkens hin und her gewälzt haben: 1. Was kann ich wissen?, 2. Was soll ich tun?, 3. Was darf ich hoffen?, 4. Was ist der Mensch? Andererseits war es wohl durchaus ein philosophisches Vorgehen im Borussia-Park. Beim Fast-Absteiger wurde debattiert, analysiert und es wurden Thesen errichtet, wie es künftig besser laufen kann. Ergebnis der Gladbacher Gedankenspiele, angelehnt an Kant: 1. Wie kann ich Erfolg haben?, 2. Was muss ich dafür ändern?, 3. Wie können/wollen wir Fußball spielen?, 4. Welcher Spieler muss was auf welcher Position können?

Es handelt es sich dabei weniger um das Streben nach der Erkenntnis der letzten Dinge des Spiels (eigentlich schon, doch das lässt der Fußball diese nicht zu, um die Spannung aufrecht zu halten), was der grundsätzlich philosophische Ansporn ist, sondern um die Entwicklung eines wegweisenden Konzepts, einer Firmenphilosophie: "Diese beeinflusst maßgeblich die Ziele und Strategien des Unternehmens sowie den Führungsstil und die Führungsgrundsätze", heißt es in einer Begriffsdefinition. Bestenfalls mündet das in einer eigenen Identität, einer Mannschaft mit "Wiederkennung und Gesicht": "Wichtig ist der Stil, um die gesteckten Ziele zu erreichen", sagt Eberl.

Grundsätzlich ist das neue Denken im Westen nichts Neues. Jeder Klub hat einen Leitfaden: Bei den Bayern ist es das Ansinnen, immer vorn zu sein, in Hoffenheim "jugendlich und schnell" zu spielen, in Cottbus der ewige Existenzkampf als ostdeutscher Asterix und bei St. Pauli das Anderssein als kultiger "Weltpokalsieger-Besieger".

Eberls Ansatz ist inspiriert von einem Mann, der 1986 Weltmeister war und nun einer der klügsten Fußballphilosophen der Gegenwart ist: Jorge Valdano. Der Agentinier ist ein Romantiker des Spiels, weiß aber um die realen Zwänge: "Die Art zu spielen ist wichtiger als das Resultat. Es geht um den Stil, denn der ist noch wichtiger als die Schönheit", sagt Valdano, fügt indes hinzu: "Der größte Schaden wird durch die Fixierung auf Resultate ausgelöst." Wer wunderbaren Fußball spielt, jedoch absteigt, der wird ebenso gekreuzigt auf den Jahrmarkt des Eitelkeiten, der der kommerzionalisierte Ballsport nun mal ist, wie der, der hässlichen Fußball ohne Erfolg anbietet. Komplimente für das schöne Spiel sind dann nichts Zynismus und Ironie.

Erfolg/Misserfolg ist der Code des Spiels und muss Grundlage jedes Konzepts sein. Der Stil ist der Weg dahin. Jedes Konzept ist am Ende immer nur so gut wie der Tabellenplatz. "Es gibt kaum Journalisten, die gegen das Ergebnis urteilen", moniert Valdano. Aber auch kaum Klubpräsidenten. Wenn der sportliche Businessplan nicht aufgeht, schleicht sich eilig die Kritik heran: Es ist dann eine Frage der Geduld, vielleicht der Leidensfähigkeit. Konzepte greifen nicht von heute auf morgen. "Eile mit Weile", sagte Eberl bei der Trainersuche. Was auch für die kurz- und mittelfristige Umsetzung seines Leitbildes gelten wird: oft genug siegen, um einigermaßen in Ruhe Konstanz (Erstligazugehörigkeit, Trainer, kickendes Personal etc.) erarbeiten zu können.

Adrian Monk jedenfalls würde Eberl wünschen, dass ihm eine Annäherung an das Bremer Evergreen-Modell gelingt: Noch so ein Lebenslauf wie der von Thomas Schaaf, das wäre dem Stadtneurotiker aus San Francisco eine wahre Freude. Und auch Max Eberl. Denn Symmetrie im Lebenslauf eines Trainers (zum Beispiel Frontzeck) bedeutet nichts weiter als Konstanz. Und diese ist für Max Eberl der Weg und das Ziel.

(RP)
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