Mönchengladbach So jung wird die neue Große Koalition
Mönchengladbach · Schwarz-Grün versprach mehr Dynamik und Vision, doch auch Schwarz-Rot hat Innovationspotenzial. So jung waren die Verantwortungsträger in der Gladbacher Politik noch nie. Das wird sich auf den Politikstil auswirken.
Auch wenn er gefühlt schon seit einem Jahrzehnt Berufspolitiker ist oder sich wenigstens für diese Berufung warmläuft, könnte Felix Heinrichs glatt der Enkel seines Vorgängers Lothar Beine als SPD-Fraktionsvorsitzender sein. Heinrichs ist mit seinen 25 Jahren mittendrin in den ersten Koalitionsverhandlungen seines Lebens und macht das genau so, wie er alle anderen Dinge in seinem politischen Leben bisher gemacht hat: zwar zehn Jahre zu früh, aber mit einem Auftreten, als habe er nie was anderes gemacht. Er sitzt dort mit Hans Peter Schlegelmilch jemandem gegenüber, der das Gefühl, ohne Erfahrung politische Entscheidungen von Trageweite für die Stadt treffen zu müssen, gut kennt. Nämlich von vor fünf Jahren. Da wurde er plötzlich CDU-Fraktionsvorsitzender. Schlegelmilch ist zwar satte 20 Jahre älter als Heinrichs - geht damit in einem Mönchengladbacher Stadtrat immer noch als Junger durch.
Was die beiden Fraktionsvorsitzenden trotz einer Generation Abstand eint, ist ihre Vorstellung von zielgerichteter Arbeit und Kommunikation. Während man sich Rolf Besten und Lothar Beine, die Vorgänger der Beiden, dank ihres arg distanzierten und immer auch ein wenig rechthaberischen Umgangs miteinander auch gut als Protagonisten in Loriots Badewannen-Sketch hätte vorstellen können, mögen Heinrichs und Schlegelmilch keinerlei Zeit mit persönlichen Scharmützeln verschwenden. Beide interessieren sich für die Sache und mögen pragmatische Lösungen ohne unnötige Dramen. Darum werden sie, wenn es zur Großen Koalition kommt, rasch eine gute Arbeitsebene miteinander finden. Das ist für das Gelingen eines Bündnisses nicht unerheblich - und war wohl der wesentliche Grund, warum die CDU am Ende nicht die Grünen als Partner für die kommenden sechs Jahre ausgewählt hat. Denn Karl Sasserath brachte recht klare Vorstellungen mit, wie die Kommunikation in einem Bündnis zu organisieren ist. Mit einem Koalitionsausschuss, regelmäßigen Treffen mit den Dezernenten, Krisengremien. Wer ihn kennt, kann sich gut Schlegelmilchs Gesichtsausdruck vorstellen, als er diese Gremien-Armee vor seinem geistigen Auge am Horizont aufziehen sah.
Auch der neue Fraktionsgeschäftsführer der CDU Fabian Eickstädt passt von Auftreten und Stil bestens zu der lockeren und unprätentiösen Art von Heinrichs und Schlegelmilch. Der 32-jährige Jurist zeigte zuletzt durch die Facebook-Seite "Rock am Ring: Mönchengladbach sagt willkommen", wie man mit Hilfe sozialer Netzwerke binnen Tagen Drive in ein Thema bekommen kann. Über 30 000 Menschen pushten den Wunsch, das Rock-Festival möge vom Nürburgring ins JHQ umziehen. Das dürfte zwar auf die rein wirtschaftlich motivierte Entscheidung des gewieften Konzertveranstalters Marek Lieberberg keinen direkten Einfluss gehabt haben. Genutzt hat das aber vor allem innerhalb der Stadt. Weder Verwaltung noch Politik können es sich seither noch leisten, den Eindruck zu erwecken, als täten sie nicht alles Menschenmögliche, um Rock am Ring in die Stadt zu holen. Kommunikation hat Eickstädt gelernt: in seiner Zeit als Mitarbeiter der Rheinischen Post.
Und es gibt im Rat noch mehr, die wie diese drei ticken: Nicole Finger, die FDP-Fraktionsvorsitzende etwa, die Schlegelmilch schätzt und die er zu gerne in ein Bündnis integriert hätte. Da dank der Sondierungsgespräche auch die Gesprächsbrücke zu den Grünen gelegt ist, könnte im neuen Rat - zumindest zwischen den vier großen Parteien - das Miteinander endlich das Gegeneinander ablösen.
