Mönchengladbach Sitcom mit Präzisionsmechanik

Mönchengladbach · Zum dritten Mal – "Ab jetzt" (1989), "Schöne Bescherungen" (1996) – steht eine Farce von Alan Ayckbourn auf dem Spielplan des Theaters: "Treppauf Treppab" ist ein turbulentes Verwechslungsdrama. Die Inszenierung offenbart auch Abgründe. Das Premieren-Publikum amüsierte sich hörbar.

 Der Anwalt im Pyjama, aber korrekt mit Aktenkoffer, entdeckt ein Mädchen im Schrank der Dachkammer: Szene mit Paul Steinbach als Watson und Helen Wendt als Kitty in "Treppauf Treppab".

Der Anwalt im Pyjama, aber korrekt mit Aktenkoffer, entdeckt ein Mädchen im Schrank der Dachkammer: Szene mit Paul Steinbach als Watson und Helen Wendt als Kitty in "Treppauf Treppab".

Foto: matthias Stutte

Alan Ayckbourn (72) beherrscht sein Metier, die zeitgenössische englische Komödie und Farce, aus dem Effeff. Was jedem Regisseur die Arbeit erleichtert – hat der Autor mit eigenem Theater doch in seine Stücktexte minutiöse Spielanweisungen hineingeschrieben.

So verhält es sich auch mit "Treppauf Treppab" (Taking Steps), das 1979 in Scarborough uraufgeführt wurde. Sechs Personen agieren in einem maroden viktorianischen Haus in der Provinz, das so transparent auf die Bühne gebracht wird, dass simultanes Spiel an mehreren Orten möglich wird. Angesichts der geringen Portalhöhe der Bühne in Rheydt hat Regisseur Walter Meierjohann tunlichst den Versuch unterlassen, die vier Spielebenen vertikal darzustellen – hier führen Treppen im Hintergrund nur scheinbar nach oben oder unten – die Protagonisten wandern einfach in die andere Raumdimension, indem sie durch nebeneinander liegende Türen eintreten. Diese Platzierung von Figuren, die einander nicht bemerken, dennoch auf der Spielfläche kaum mehr als zwei, drei Meter entfernt stehen, sitzen oder liegen, auf gleicher Ebene bietet dem Publikum viel Anreiz, seine Vorstellungskraft zu aktivieren.

Toben im Wasserbett

Das gelang in der von gut 750 Zuschauern besuchten Premiere ganz überzeugend. Das scheinbar chaotisch anmutende Bühnenbild, das ein verwohntes Haus mit zerschlissenem Mobiliar zeigt (Steffi Wurster, Nicole Pleuler), entpuppt sich als sorgsam arrangiertes Spielfeld, in dem kein Detail überflüssig ist: Da sind die Blech- und Plastikeimer, die auf das Unternehmen des trinkfesten Hausmieters Roland (Bruno Winzen) hinweisen, der sein Geld mit solchen Behältnissen macht. Da ist eine Gästeliege, die später vor eine Schranktür gerückt wird, aus der ein leicht durchgeknalltes Mädchen (Helen Wendt als Kitty) immer wieder vergebens herausstrebt. Und da ist ein schwabbeliges Wasser-Ehebett, auf dessen Liegefläche ein pummeliger junger Anwalt (Paul Steinbach) mit herzerfrischendem Ungeschick zu kämpfen hat. Energiebündel Steinbach glänzt auch rhetorisch in einer Rolle, die mit Sprache überhaupt nicht klar klommt: ein nervöser Stotterer, der auch intellektuell ein Ausfall ist.

Die Komik der Handlung funktioniert, weil alle Vorgaben präzise umgesetzt werden. So muss der Abschiedsbrief von Rolands frustrierter Ehefrau Lizzy (kraftstrotzend: Marianne Kittel mit Hang zum Tänzerischen) genau zum rechten Zeitpunkt dem Anwalt Watson in die Hände fallen. Ein weiterer Abschiedsbrief (von Kitty) an Lizzys Bruder Mark (Adrian Linke) löst weitere Missverständnisse und Turbulenzen aus. Christopher Wintgens zeichnet den Hauseigentümer Leslie als kraftmeiernden Biker in finanziellen Nöten, der diese mit markig-rauer Stimme zu überspielen trachtet.

Die menschlichen Schwächen der Protagonisten machen herzhaft lachen, aber oft blitzen aus ihren Augen, verzweiflungsvoll verzogenen oder erschreckten Mienen auch Abgründe auf.

Adrian Linke meistert eine weitere Anti-Schauspiel-Rolle. Er muss einen verklemmt-verschrobenen Sonderling mimen, der von einem Anglergeschäft träumt und durch seine langweilige Redeweise als menschliche Schlaftablette wirkt. Einfach grandios!

Das Publikum war aufgeräumt und applaudierte heftig; Bravorufe gab es für Paul Steinbach.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort