Mönchengladbach Sie wollen nur spielen

Mönchengladbach · Seltene musikalische Wiedervereinigung: René Pütz und Ricardo Bollig spielten am Donnerstag bei "Yes we jam" im Messajero mit zwei Mitstreitern ein grandioses Konzert - zum ersten Mal seit dem Ende von "The Distortion".

 Diese vier Profimusiker spielten ein herausragendes improvisiertes Konzert im Messajero (v.l.): Ricardo Bollig, René Pütz, Andy Pilger und Jürgen Dahmen.

Diese vier Profimusiker spielten ein herausragendes improvisiertes Konzert im Messajero (v.l.): Ricardo Bollig, René Pütz, Andy Pilger und Jürgen Dahmen.

Foto: Andreas Gruhn, RP-ARchiv

Wenn Musiker sich einfach so treffen, um ohne großen Plan miteinander zu spielen, sie nennen das jammen, dann hat das selten einen tieferen Sinn außer den, Spaß zu haben. Das merkt man den Gitarristen, Keyboardern, Schlagzeugern und vielen weiteren Instrumentalisten auch immer an, wenn René Pütz sie einmal im Monat ins Messajero zum Jam vor Publikum bittet - "Yes we Jam!" heißt die Reihe, die inzwischen 47 Auflagen hatte. Am Donnerstagabend war es aber dann doch anders, als sich unter dem Jubel der rund 120 Zuschauer Pütz und der Gitarrist Ricardo Bollig umarmten nach einem mehr als zweitstündigen grandios improvisierten Konzert.

Die beiden Ausnahmemusiker haben in den 1990er Jahren zusammen mit Schlagzeuger Rüdiger Tiedemann Gladbacher Rockgeschichte geschrieben: Als "The Distortion" bildeten sie eine Ausnahmeband, die ihre Wurzeln in der städtischen Musikschule hatte - eine Formation, von der in der Musikszene der Stadt und weit darüber hinaus heute noch beinahe ehrfürchtig gesprochen wird. Nach ihrer Auflösung gab es 2006 noch einmal ein einziges gemeinsames Konzert - seitdem standen Bollig und Pütz nie wieder zusammen auf einer Bühne. Bis Donnerstagabend. "Ist das schon wieder elf Jahre her", staunte Bollig, als er die Geschichte der Bandgründung von "The Distortion" im Bandkeller der heutigen "Bucket Boys" in Winkeln erzählte. "Die hatten einen großen Hund, und mir war klar: Wenn du hier wieder lebend raus kommst, dann gründest du mit René eine Band", erinnerte sich Bollig, der inzwischen in der Band "Docphon" spielt. Pütz und Tiedemann sind beide bei "Booster" und in diversen weiteren Formationen unterwegs.

Vor dem emotionalen Ende des Konzertes hatten Bollig und Pütz wie auch Andy Pilger (Schlagzeug) und Jürgen Dahmen (Fender-Rhodes) mehr als zwei Stunden gezeigt, warum sie solche Ausnahme-Könner an ihren Instrumenten sind: Das Quartett improvisierte in der ersten Hälfte sehr jazzig, funkig, phasenweise progressiv, was an den breiten sphärischen Klängen aus Bolligs Effektgeräten und vor allem an Dahmens herausragendem Solo-Spiel an dem legendären Tasteninstrument lag. Pütz - den man zumindest bei Booster nicht mehr am Bass sieht - knurrte mit seinem Fünfsaiter Bassläufe dazu, die so trocken klangen wie knackende Gelenke, und Pilger ("Starlight Express") trommelte mit dem richtigen Gefühl für Dynamik und Tempowechsel. Perfektes Zusammenspiel von vier Leuten, denen man dringend raten möchte: Macht es häufiger in dieser Besetzung.

Bis kurz vor der Pause vermisste man nur eines: ein Gitarrensolo. Davon lieferte Bollig dann aber doch noch reichlich, etwa zu Lenny Kravitz' "American Woman". Als "Distortion"-Gitarrist der 90er ähnelte er dank Frisur und Spiel mit den Zähnen sehr Jimi Hendrix, wovon er sich inzwischen nicht nur dank seines Friseurs verabschiedet hat. Sein Spiel ist auch angesichts herausragender funky Riffs zu vielseitig. Trotzdem gehören die Solos, in denen er mit seinen Fingern in wahnwitzigem Tempo über das Griffbrett seinen blumigen, rosafarbenen Stratocaster jagt, zu den Momenten, von denen man noch lange Zeit anderen berichtet, dabei gewesen zu sein.

(RP)
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