Mönchengladbach Sich freiklopfen - geht das wirklich?

Mönchengladbach · Die EFT-Klopftechnik, eine Therapieform aus Amerika, ist außergewöhnlich und gewöhnungsbedürftig. Die "Akupunktur ohne Nadeln" verspricht, von Ängsten, Blockaden und Stress zu befreien. Ein Selbstversuch.

 Das Schaubild verdeutlicht die Punkte, an denen Blockaden gelöst werden sollen.

Das Schaubild verdeutlicht die Punkte, an denen Blockaden gelöst werden sollen.

Foto: ""

Ich sitze in einem hellen, ruhigen Raum in einem gemütlichen Korbstuhl. Von draußen blitzt die Sonne hinein, und in meiner Nase liegt ein frischer, angenehmer Zitrusduft. Mit zwei Fingern meiner rechten Hand klopfe ich zuerst eine Zeit lang auf einen Punkt meiner Stirn, ungefähr zwischen den Augenbrauen. Danach klopfe ich seitlich gegen meinen Kopf auf Höhe der Augen, weiter unter dem linken Auge, dann über dem Mund, runter zum Kinn... Ich mache nach, was mir Michaela Olivier zeigt. Sie sitzt mir gegenüber, hat freundliche Augen, trägt eine Baskenmütze und ist bunt gekleidet. Ihre Stimme ist fröhlich, aber ruhig. Zu jedem Punkt, den wir abklopfen, formuliert sie einen neuen Satz.

Oh Mann, was mache ich hier bloß?, frage ich mich. Berechtigt, denn die "EFT-Klopftechnik" ist wirklich außergewöhnlich und gewöhnungsbedürftig. EFT oder Emotional Freedom Technique wird zur Behandlung bei Stress, Ängsten, Blockaden oder Traumata eingesetzt. Begründer dieser Therapieform ist der Amerikaner Gary Craig. Er entwickelte in den 90er Jahren die sogenannte Klopfakupressur, die seit 2012 als wissenschaftlich fundierte Methode von der APA (American Psychological Association) anerkannt ist. "EFT gehört zum Bereich der Energetischen Psychologie", erklärt mir Heilpraktikerin Michaela Olivier. "Dabei werden östliche und westliche Ansätze vereint, sprich das Meridiansystem der traditionellen chinesischen Medizin und die moderne Hirnforschung." Durch die EFT-Klopfakupressur sollen die Blockaden des angespannten Nerven- und Energiesystems gelöst werden. Anders als bei der bekannten Nadel-Akupunktur werden verschiedene Meridianpunkte abgeklopft. Gleichzeitig wird dabei ein bestimmtes Problem fokussiert, indem dieses laut ausgesprochen wird, kombiniert mit einer positiven Selbstannahme.

Ich möchte den Selbstversuch wagen, versuchen mich darauf einzulassen, und so werde ich von der Journalistin zur Patientin. Zunächst fragt mich Michaela Olivier, ob es etwas gibt, was mich belastet. Ich muss nicht lange nachdenken, erst vor Kurzem ist mir etwas passiert, was mich sehr beschäftigt. Dennoch zögere ich, ich bin nervös. Wie beginne ich? Wie erzähle ich meine intimen Gefühle einem fremden Menschen, den ich erst seit einer halben Stunde kenne?

Es kostet mich Überwindung, aber ich tue es einfach, erzähle ihr mit wackliger Stimme die Kurzversion, denn mehr muss sie gar nicht wissen. "Es geht erstmal nicht darum, sich mit dem ,Trauma' zu beschäftigen, sondern es aufzubrechen", erklärt sie mir. "Im nächsten Schritt versuchen wir, es umzustrukturieren und mit positiven Emotionen zu verknüpfen." Während ich erzähle, macht sie sich Notizen. Dann soll ich lokalisieren, wo ich Spannungen im Körper fühle. Wir formulieren einen Leitsatz, der mein Problem beschreibt, aber auch das Positive mit einbezieht. Diesen wiederholen wir drei mal, während wir auf den linken Handrücken klopfen. 13 Punkte des Körpers werden nacheinander abgeklopft. Zu jedem formuliert Olivier eine Aussage, die sie aus dem entnommen hat, was ich ihr geschildert habe. Sie spricht zuerst, ich wiederhole es und ändere Aussagen so, dass ich sie als richtig empfinde. Nach einer "Klopfrunde" kommt eine kurze Entspannungsphase.

Die Skeptikerin in mir kann sich nicht darauf einlassen. Auch nach der zweiten Klopfrunde bin ich nicht richtig bei der Sache und fühle mich eher lächerlich als entspannt. Auch Olivier konnte zunächst nichts mit der Emotional Freedom Technique anfangen. Erst zehn Jahre später entdeckte sie das eingestaubte, längst vergessene EFT-Buch wieder. Und diesmal passte es. Die Heilpraktikerin erlernte in ihrer einjährigen Ausbildung in der Traumaberatung und -pädagogik neben anderen Therapieformen auch die Klopf-akupressur. "Es hat mich überzeugt", so Olivier. "Ich hatte immer den Glaubenssatz: Es kann nicht so leicht sein, ich muss mir alles erkämpfen. Durch EFT konnte ich diesen Gedanken verändern." Wir unterhalten uns noch eine Weile über mein Ereignis und beginnen die dritte Runde. So langsam hat sich der Klopfprozess verinnerlicht. Dann sagt sie etwas, was ich nicht wiederholen kann. Denn ich breche in Tränen aus. Wie aus dem Nichts überwältigt mich eine Flut von Gefühlen. Ich kann es mir kaum erklären, doch es hat sich etwas gelöst. Es ist mir wirklich unangenehm zu weinen, doch Olivier spricht mir gut zu "Das ist genau richtig so, lassen Sie alles raus."

Nach dieser Runde kommt der "Neustart". Jetzt geht es darum, Ziele zu formulieren und sich selbst in der Zukunft zu betrachten. Wir klopfen ein letztes Mal alle Punkte durch mit einem positiven Leitsatz und guten Vorsätzen. Danach fühle ich mich irgendwie erleichtert. Die Expertin erklärt diesen Schritt: "Die Ängste eines Patienten werden durch das Klopfen mit positiven Gedanken verknüpft." EFT lasse sich auch zuhause alleine durchführen. "Um die Methode kennenzulernen, rate ich zu einer professionellen Anleitung. Gerade bei schwereren Traumata ist eine kontinuierliche Hilfe, bis der Patient gestärkt ist, unerlässlich." Auch bei Youtube finde ich einige Videos, die erklären, wie es funktioniert. Mit über eine Millionen Klicks ist das Video von Julie Schiffman klarer Spitzenreiter. So wie überall gibt es auch hier verschiedene Theorien und Ansätze von EFT. Für welchen Ansatz man sich auch immer entscheidet, wichtig ist, "dass jeder aus eigener Bereitschaft etwas verändern möchte und die Verantwortung für sich selbst übernimmt." Wer Interesse hat, kann sich entweder durchklicken oder am 23. Mai Oliviers Praxis, Stephanstraße 12, besuchen. Um 19 Uhr beginnt der kostenfreie EFT-Abend "Selbst-Hilfe bei Ängsten, Stress und Blockaden". In entspannter Atmosphäre soll die Klopftechnik erlernt werden. Anmeldung unter Tel. 02161 8272220.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort