Serie Gladbacher Lesebuch (37) Im Haus Pauen traf sich die Beatszene

Hardt · Saalmanager Bernd Gerlach führte die Gaststätte als Veranstaltungsort zu ihrem Erfolg. Das Besondere daran: Gerlach war noch Minderjährig. Im Haus Pauen fanden Festivals statt und andere Großveranstaltungen. Heute gibt es das Gebäude und die Gaststätte nicht mehr.

 Das Haus Pauen am Hardter Marktplatz in den 80er-Jahren. Der Saal, der hinter der Gaststätte lag, fasste rund 500 Menschen. Das Gebäude ist längst abgerissen.

Das Haus Pauen am Hardter Marktplatz in den 80er-Jahren. Der Saal, der hinter der Gaststätte lag, fasste rund 500 Menschen. Das Gebäude ist längst abgerissen.

Foto: Sammlung Bernhard Büdts

Schwelgt man mit Musikern in Erinnerungen, dauert es nicht lange, bis der Name Haus Pauen fällt. Diese Gaststätte mit dem großen Saal avancierte zu einer Hochburg der Gladbacher Beatszene, obwohl sie im Stadtteil Hardt relativ weit vom Schuss lag. Hier trat alles auf, was Rang und Namen hatte, aber auch unbekanntere Bands konnte man hier hören. Den Wandel von Haus Pauen, einer einfachen Gaststätte, zu einem Treffpunkt der Beatfans ermöglichte ein junger Mann, der damals noch nicht einmal volljährig war: Bernd Gerlach. Seine Eltern und die von Helmut van Aaken waren Nachbarn in Waldniel, ihre Sprösslinge besuchten die Realschule. Gemeinsam fuhren sie mit der Buslinie 23 in die große Stadt zur Schule. Bernd Gerlach war zwar kein Musiker wie Helmut van Aaken, dafür aber ein hochbegabter Organisator und Macher. Ohne sein Talent und Engagement wären viele Veranstaltungen nie über die Bühne gegangen, ohne ihn wäre Haus Pauen in Hardt nie zu einem Zentrum der Gladbacher Beatszene geworden. Wie es dazu kam, erzählt er mir: „Nach einer Radtour mit meiner Schulklasse kehrten wir im Mai 1966 im Haus Pauen ein, setzten uns an den großen runden Tisch in der Schankstube und tranken Cola. Irgendwie kam dann das Gesprächsthema auf meine zerplatzten Träume, die ich lautstark beklagte. Ich wollte nämlich eine Beatveranstaltung organisieren, aber es scheiterte an den Räumlichkeiten, die der Inhaber dann doch nicht zu Verfügung stellen wollte. Das Gespräch bekam auch der Wirt Peter Müller mit und sprach mich an: "Komm mal mit. Wenn Du so was suchst, dann bist Du bei mir richtig."

Peter Müller führte mich in den hinter der Gaststube gelegenen Saal, in den man durch eine kleinen Vorraum gelangte. Was sich mir da bot, werde ich nie mehr vergessen. Es war ja schon Mai, und die Karnevalszeit lag schon lange hinter uns, aber seit der letzten Karnevalsveranstaltung war hier nicht mehr aufgeräumt worden. Auf den Tischen noch dreckige Gläser, überall Konfetti, Luftschlangen, überquellende Aschenbecher, der Boden dreckig und die Luft im Saal muffig. Aber das sollte kein Hinderungsgrund für mich sein. Nach dem Reinfall mit meinem geplanten Konzert wollte ich den Saal unbedingt haben. Peter Müller dachte bestimmt bei sich: Hallo, das riecht nach zusätzlichem Geschäft! Karneval und Kirmes läuft was im Saal, ansonsten steht das Ding leer. Warum also keine Geschäftserweiterung mit den Beatern? Also setzten Bernd Gerlach und Peter Müller am 18. Mai 1966 einen „Vertrag“ auf und pünktlich zur Hardter Kirmes, nur vier Tage nach „Vertragsunterzeichnung“, spielten die Dukes, man kannte sich ja von der Realschule, erstmalig im Haus Pauen. Die ganze behördliche Abwicklung erledigte Bernd.

Das war die erste Veranstaltung im Haus Pauen und es sollte nicht die letzte bleiben. Peter Müller hielt sich dabei immer im Hintergrund. Weil Bernd noch nicht volljährig war, ging die gesamte Korrespondenz der Behörden an ihn, er ließ aber Bernd weitestgehend freie Hand. Das muss man sich heute auf der Zunge zergehen lassen: Da tauchte ein Minderjähriger beim zuständigen städtischen Amt auf, meldete Veranstaltungen an und der Amtsträger nahm ihn ernst und ließ ihn gewähren. Vom Ordnungsamt erhielt er für die jeweiligen Veranstaltungen durchnummerierte Eintrittskartenrollen und marschierte danach mit den nicht verkauften Karten wieder zum Amt, um abzurechnen. Dann wurde errechnet, wie viel an Vergnügungssteuer anfiel, die sich nach der Anzahl der anwesenden Personen richtete. Bernd erinnerte sich: „Herr Paulussen vom Ordnungsamt war stets ein sehr fairer und verständnisvoller Geschäftspartner. Noch heute ziehe ich den Hut vor diesem unbürokratischen Bürokraten.“

Natürlich war schon damals die GEMA aktiv und verlangte für jede Veranstaltung ihren Anteil. Auch wenn Tanztees und -abende in so manchen Kneipen und Jugendheimen wahrscheinlich an der GEMA vorbei stattfanden, denn die war ja weit weg, war Bernd Gerlach da immer sehr korrekt. Welche Bands für Auftritte im Haus Pauen infrage kamen, schrieb Bernd für sich auf. Diese Liste ist interessant, denn ein paar Bands sind mir bis heute absolut unbekannt, wie beispielsweise Anything, Needles oder auch Firestones. Vier Monate später, am 15. September 1966, ging das erste Beatfestival über die Bühne. Wir Outlaws waren bei dem „musikalischen Wettstreit“, wie die Presse schrieb, auch mit dabei. Die Rheinische Post berichtete von 400 Zuschauern. Negativ bewertete der Zeitungsredakteur das Star-Getue der Dukes: „Die Dukes erschienen nämlic mit einer Stunde Verspätung und wurden halbwegs disqualifiziert. Sie durften außer Konkurrenz ins Schlagzeug beziehungsweise in die Gitarre hauen.“ Ganz anders bewertete sie deren Auftritt: „Schon nach ihrer ersten Nummer war im Saal die Hölle los. Das Geschrei, Getrampel und Gepfeife feierte beim Auftritt der Nachkömmlinge wahre Phon-Orgien. Die Jury gab ihnen 18 von 20 möglichen Punkten und verlieh ihnen als einziger Band das Prädikat bühnenreif.“ Spätestens durch dieses Beatfest etablierte sich Pauen als feste Größe für Beatveranstaltungen in Mönchengladbach. Im Mai 1967 gingen hier bis Monatsmitte sechs Veranstaltungen über die Bühne, die allerdings nicht immer gut besucht waren. Das hing wesentlich von der Qualität und Popularität der Bands sowie der Anzahl ihrer mitreisenden Fans ab. Das Beatfest im November 1967 veranstalteten Bernd Gerlach und Walter Lüdtke gemeinsam. Walter, auch kein Musiker, sondern genau wie Bernd ein begabter Organisator und Macher, veranstaltete schon früh ein Beatfest im Jugendheim Hardterbroich. Danach nahmen ihn die Skulls und Shades als Manager in ihre Band.

 Bernd Gerlach war der Saalmanager im Haus Pauen. Und das schon Minderjähriger. Das Bild zeigt ihn an der Kasse.

Bernd Gerlach war der Saalmanager im Haus Pauen. Und das schon Minderjähriger. Das Bild zeigt ihn an der Kasse.

Foto: Sammlung Bernhard Büdts

Nach dem Beatfest wurde es allmählich ruhiger im Saal vom Haus Pauen, denn Bernd Gerlach erkannte, dass die Zeit der Schülerbands vorbei war. Immer mehr professionelle Gruppen verdrängten die Amateurmusiker von den immer weniger werdenden Bühnen, auf denen noch Live-Musik gemacht wurde. Auch mit den Discotheken, deren Anzahl stetig wuchs, konnte Haus Pauen in Sachen Licht, Ausstattung, Beschallung und Image nicht mehr mithalten. Deshalb zog sich Bernd 1968 von seiner ehemaligen Wirkungsstätte zurück und managte fortan die holländische Profiband Opus 23. Später ließen sie die 23 weg und wurden unter Opus recht bekannt. Sie erhielten einen Plattenvertrag und absolvierten TV-Auftritte in Holland, Belgien, Frankreich und Deutschland. Wie es Bernd Gerlach zu seiner gewerberechtlich angemeldeten Agentur mit Sitz in Waldniel gebracht hat, schrieb die Rheinische Post am 15. Mai 1970: "Der Anfang des Managers Gerlach war, als er noch als Lehrling der Fernsehtechnik für Meister und Gesellen Kaffee kochen musste. Nach Feierabend war der 16-Jährige in seinem Element, wenn er Beat-Feste organisieren konnte."

 Die Roaring Stags mit Freunden im Haus Pauen. Der Herr mit Zigarette ist Bart Pit, hinter ihm sitzt Christa Classen.

Die Roaring Stags mit Freunden im Haus Pauen. Der Herr mit Zigarette ist Bart Pit, hinter ihm sitzt Christa Classen.

Foto: Sammlung Bernhard Büdts

Die Schützen gaben nach einem heißen Probennachmittag bei Beat und vielen jungen Leuten Gerlach schließlich recht. Der flotte Tanz für die Jugend bei Schützenfesten in Waldniel ist seitdem eine feste Einrichtung geworden. Doch zu dieser Zeit herrschte Gerlach bereits über einen 500 Personen fassenden Saal. Auch hier gingen vor vollem heiße Beatschlachten über die Bühne. Das brachte den Amateurmanager Gerlach sowohl der Maastrichter Opus-Gruppe als auch dem Berufsmanagertum näher. Daraus ist heute eine gewerberechtlich angemeldete Agentur mit Sitz in Waldniel geworden. Doch die internationale Beat-Rythm-Blues-Group Opus managt Gerlach am liebsten. Bernd Gerlach war längst seiner Rolle als Saalmanager bei Pauen entwachsen, als er sich am 1. Oktober 1969 bei Fräulein Pauen schriftlich nach dem neuen Pächter erkundigte, um dort eventuell nochmal Konzerte veranstalten zu können. Seine Anfrage war erfolgreich, denn am 14. Dezember 1969 gab dort Opus 23 ein Sondergastspiel. Danach war die Ära Pauen vorbei.

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