Serie Gladbacher Lesebuch (33) Lumpi machte die Kirche unsicher und fraß einen Braten

Lürrip · Der Hund der Tante hatte nur Blödsinn im Kopf. Er lieferte sich eine Verfolgungsjagd mit einem Priester und fraß später den Braten, den es zur Kommunion geben sollte, auf.

1943 war es, mitten im Krieg. Kein guter Zeitpunkt für eine Kinderkommunion. Die Verwandtschaft war eingeladen, einschließlich Lumpi, dem Hund meiner Tante Käthe. Ich bin nie dahinter gekommen, welcher Rasse er angehörte. Er lebte mit Tante Käthe in Düsseldorf in deren gut gehender Eckkneipe und die beiden besuchten uns einmal die Woche. „Ein Hund kommt mir nicht ins Haus“, lautete die Standardantwort meiner Mutter, wenn ich selber von Zeit zu Zeit den Wunsch nach einem Hund äußerte. Lumpi bildete Tante Käthe zuliebe die einzige Ausnahme von der Regel und besaß ein Dauervisum für unser Haus und unseren Garten. So hatte ich doch regelmäßig einen Tag in der Woche einen Hund zum Spielen und Lumpi machte wirklich jeden Blödsinn mit.

Einmal nahm ich ihn mit in die Kirche zum Beichtunterricht, den der Priester abhielt, den ich am allerwenigsten mochte. Damals verfügte unsere Pfarrgemeinde noch über drei davon. Heutzutage versorgt ein Priester drei Kirchen. Ich hatte keine Ahnung, ob die Hausordnung der Kirche das Mitbringen von Hunden gestattete und wollte nicht danach fragen. Daher wies ich Lumpi einen etwas abseits in einem Seitenschiff gelegenen Platz zum Verweilen an. Ich untersagte ihm, diesen bis zu meiner Rückkehr zu verlassen und drohte ihm widrigenfalls Wasser-, Futter- und Liebesentzug an. Aber die Belehrung half nichts. Lumpi machte sich sogleich daran, die Kirche zu erkunden und wurde auch schon bald von dem Priester entdeckt, der schrie: „Das ist ja wohl die Höhe! Wer hat diesen Köter mitgebracht?“ Er war bekannt für seine drastische Ausdrucksweise, die einem Mann seiner Profession eigentlich nicht anstand.

Da sich niemand meldete, machte er sich, gefolgt von einigen Messdienern und etwa fünfzig bis sechzig Kindern, mit einer Fahnenstange als Knüppel bewaffnet auf die Jagd nach Lumpi durch die gesamte Kirche einschließlich des Altarraumes. Ich schloss mich, um nicht aufzufallen, mit gebührendem Abstand der Jagdgesellschaft an. Der Priester verfolgte ihn mehrere Runden durch die Kirche, aber Lumpi erwies sich durchtrainierter und im Haken schlagen geübter als sein durch die Soutane in seinem sportlichen Ehrgeiz eingeschränkter Verfolger. Bald wurde Lumpi das Spiel zu langweilig. Er entwich unbemerkt durch eine Seitentür und machte sich alleine auf den Heimweg, was mir ersparte, die Geschichte demnächst in der Beichte erwähnen zu müssen. Lumpi trug mir das offenbar lange Zeit nach und rächte sich auf meiner Kinderkommunion auf seine Weise. Dass ich ihn damals verleugnete, tut mir heute noch in der Seele weh und ich bitte ihn dafür um Verzeihung.

Der Krieg war damals schon weit fortgeschritten, die Zeit der deutschen Siege längst vorbei und die Versorgungslage äußerst miserabel. Meinem Vater war es trotzdem gelungen, von irgendwoher Fleisch für einen ansehnlichen Festtagsbraten zu organisieren. Lumpi gelang es, unbemerkt ins Nebenzimmer zu schleichen und sich an dem fertigen Braten, den meine Mutter dort abgestellt hatte, gütlich zu tun. Niemand unter den Festtagsgästen wollte danach noch etwas von dem angeknabberten Braten wissen und so wurde meine Kommunionfeier zu einer für Lumpi übrigens folgenlosen rein vegetarischen Veranstaltung. Nicht einmal ein Hausverbot erhielt er und den Rest des Bratens durfte er sich auch noch einverleiben.

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