Serie Gladbacher Lesebuch (30) Wie ein Möbelwagen Schutz bot

Eicken · Der Autor war ein Nachbar des bekannten Möbelspediteurs Oskar Esser. Der half bei Fliegeralarm seinen Nachbarn. Später ließ er einen eigenen Bunker bauen.

Ich bin 1935 geboren und wohnte an der Marienstraße. Meine Mutter betrieb dort ein Lebensmittelgeschäft, einen „Tante-Emma-Laden“, seit 1933. Mein Vater wurde 1940 eingezogen zur Wehrmacht. Der Krieg wurde immer heftiger und die Fliegeralarme häuften sich. An der Marienkirchstraße auf dem Enger-Plätzke, das nach der Milchhandlung Enger benannt war, war ein Bunker für die Obereickener Bevölkerung gebaut worden. Meine Mutter, ich und viele Nachbarn gingen bei Alarm in den Bunker. Es war nicht angenehm, mit so vielen Menschen dort die halbe Nacht zu verbringen.

Auf der Straße Am Bour, die zur Marienkirchstraße führte, war die Möbelspedition Oskar Esser. Vom hinteren Ausgang unserer Wohnung mussten wir nur die Straße überqueren, um auf den Platz der Spedition zu gelangen. Am Ende des Platzes war ein Pferdestall. Bis Ende der 1930er- und Anfang der 1940er-Jahre wurde die Paketpost noch mit der Postkutsche ausgefahren.

Der Kutscher hieß Klöß, saß oben hoch auf dem Bock und konnte die ganze Fahrt über nicht absteigen. Darum hatte er nach getaner Fahrt die Hose nass. Nach der Fahrt kam er in unseren Laden, setzte sich mit der nassen Hose auf einen Stuhl und trank eine Flasche Bier. Meine Mutter musste jedes Mal den Stuhl abwaschen. Sie konnte einfach dem Mann nicht sagen: „So geht das nicht.“

Nun zurück zu Oskar Esser. Er hatte einen kleinen Traktor und einen Möbelwagen, das war ein großer Anhänger, der von dem besagten Traktor gezogen wurde. Er spannte abends an und seine Familie, meine Mutter und ich durften mit in den Anhänger. Wir waren acht bis zehn Personen. Wir fuhren bis zum Nordkanal an der Trabrennbahn und verbrachten dort die Nacht. Oskar Esser war der Meinung, da unten fallen keine Bomben, da sei nichts zu zerstören.

Fliegeralarm wurde auch im Radio angesagt und durch Voralarm mit Sirenen bekanntgegeben. Dann hieß es, schnell zu Esser in den Anhänger und ab zum Nordkanal. Aber er hatte eine neue Idee: Er ließ am Ende seines Platzes vor dem Pferdestall ein großes Loch graben. Darin stellte er einen großen Eisen- oder Stahlkessel, der Platz hatte für acht bis zehn Personen. Ummantelt wurde der Kessel mit Beton. Ich meine, der Bau lief oben spitz zu. Eine Treppe führte in den Bunker unter der Erde. Er wurde nie getroffen.

Oskar Esser ist 1944 mit seinen Angehörigen nach Sachsen oder Thüringen gefahren mit seinem Gespann. Ende 1945 kamen sie alle heil wieder zurück. Unsere Wohnung war stark beschädigt und wir zogen zu einer Schwester meiner Mutter. Meine Erlebnisse in Hessen sind ein Kapitel für sich.

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