Schuldneratlas Tiefrotes Mönchengladbach: So verschuldet sind die Gladbacher

Mönchengladbach · Die Überschuldung in Mönchengladbach hat wieder zugenommen. Jeder sechste Erwachsene in der Stadt kann seine Verbindlichkeiten nicht bezahlen oder hat Zahlungsschwierigkeiten – Tendenz weiter steigend.

 Nur noch Kleingeld im Portmonnee. (Symbolbild)

Nur noch Kleingeld im Portmonnee. (Symbolbild)

Foto: dpa/Friso Gentsch

Mönchengladbach erlebt seit einigen Jahren einen regelrechten Boom. Die Wirtschaft brummt wie lange zuvor nicht, Jobs über Jobs entstehen, die Kaufkraft wächst, die Menschen haben mehr Geld – eigentlich. Denn Mönchengladbach ist auch eine Hochburg der Schuldner, und wie der jüngst veröffentlichte Schuldneratlas der Auskunftei Creditreform offenlegte, ist die Überschuldungsquote selbst in den Jahren des Booms in Mönchengladbach in jedem Jahr gewachsen. Im Jahr 2018 sind in Mönchengladbach genau 16,4 Prozent aller Einwohner über 18 Jahren überschuldet. 2017 waren es 16,1 Prozent gewesen, und 2013 waren es noch 15,8 Prozent der Volljährigen. Die Quote ist also in jedem Jahr spürbar gewachsen, und das in einem Zeitraum, in dem auch die Zahl der Einwohner nach Zählung der Stadt von knapp 262.000 auf mehr als 270.000 angewachsen ist. Die wachsende Überschuldung ist also echt und kein statistischer Effekt.

Ungefähr jeder sechste Erwachsene in Mönchengladbach hat demnach so viele Schulden angehäuft, dass er sie nicht mehr bezahlen kann oder mindestens in Zahlungsschwierigkeiten geraten ist. Bundesweit ist es nur jeder zehnte Volljährige. Mönchengladbach liegt damit von 401 Städten und Kreisen in Deutschland auf Rang 391 – ein ziemlich unrühmliches Ranking. Nicht jeder Fall von Überschuldung, der in der Auskunftei gelandet ist, ist auch ein Fall für die Schuldnerberatung.

Creditreform hat in seiner Studie auch die Entwicklung von Überschuldung in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen analysiert. Und dabei fällt auf, dass die Zahl junger überschuldeter Personen deutlich abgenommen hat. Dafür aber nimmt die Altersüberschuldung zu. Auch die Gründe der Überschuldung haben sich ein wenig verschoben. Es geht nicht nur um die Finanzierung teurer Luxusgüter zu „null Prozent Zinsen“, wie es gerade im Weihnachtsgeschäft so oft angeboten wird. Denn die Bedeutung steigender Miet- und Immobilienpreise für die Schuldenentwicklung hat stark zugenommen: „Die Mietbelastungsquote vieler Verbraucher steigt“, teilte Creditreform mit. Wohnen sei in deutschen Großstädten in vielen Fällen zum Armutsrisiko, mindestens aber zum Überschuldungsrisiko geworden. „Das fällt oft nicht auf, da Mietkosten selbst bei knapper werdenden finanziellen Ressourcen meist vorrangig beglichen werden, denn die Nichtzahlung von Mietkosten hat für den Mieter meist drastische Folgen.“ Auch in Mönchengladbach haben in den vergangenen beiden Jahren die Mieten und Immobilienpreise spürbar angezogen, wenn auch nicht ganz so drastisch wie in Metropolen.

Für die Sozialdezernentin der Stadt, Dörte Schall, ist das Ergebnis des Schuldneratlas keine große Überraschung. „Darin zeigt sich die Problematik der Gesamtsituation in dieser Stadt“, sagte Schall. Es gebe zwar viele Jobs, aber viele davon eben auch nur schlecht bezahlt. „Wir haben viele Alleinerziehende und eine Arbeitslosenquote mehr als zehn Prozent.“

Die Schuldnerberatung Mönchengladbach führt als häufigste Gründe für die Verschuldung eine plötzliche Arbeitslosigkeit und die Scheidung an. Die Beratung, die in Rheydt ihre Büros hat, hat in ihrem Jahresbericht für 2017 aber noch eine andere Auffälligkeit festgestellt: „Die Zahl der Insolvenzanträge ist gesunken“, berichtet die Leiterin der Schuldnerberatungsstelle, Karin Fuhrmann-Dally. 2822 Fälle hat das Team im vergangenen Jahr behandelt. Rund ein Drittel davon hatte eine Schuldenhöhe von 10.000 bis 25.000 Euro angehäuft. „Der Durchschnitt liegt mit knapp 35.000 Euro aber weit darüber“, sagt Fuhrmann-Dally. Während viele ihre Schulden wirklich loswerden wollen, sei inzwischen das Leben an der „Pfändungsfreigrenze“ populär geworden: „Oft leben die Schuldner mit ihrem geschützten Betrag, ohne Ambitionen, ihren Schuldenberg zu tilgen.“ Dafür spricht auch, dass die Schuldnerberatung immer mehr Bescheinigungen ausstellt, die für die Einrichtung eines P-Kontos benötigt werden.

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