Bildungslandschaft in Mönchengladbach Ein Plädoyer für die Hauptschule

Mönchengladbach · In Mönchengladbach sollen Hauptschulplätze für Gesamtschulplätze weichen. Doch welcher Lernort ist der bessere? Sandra Wasch ist Lehrerin an einer Hauptschule und berichtet, welche Vorzüge sie in dieser Schulform sieht.

 Die Hans-Jonas-Gesamtschule soll laut Ratsbeschluss erweitert werden, dafür die benachbarte Hauptschule auslaufen. Für den Erhalt der Hauptschulen läuft gerade ein Bürgerbegehren.   

Die Hans-Jonas-Gesamtschule soll laut Ratsbeschluss erweitert werden, dafür die benachbarte Hauptschule auslaufen. Für den Erhalt der Hauptschulen läuft gerade ein Bürgerbegehren.  

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Aus meiner Sicht muss die Hauptschule unbedingt Teil der Schullandschaft bleiben. Denn die Schulform ist ein kleines System, in dem wir uns sehr persönlich gerade um solche Kinder und Jugendliche kümmern, die besondere Unterstützung benötigen. Im überschaubaren, persönlichen Rahmen, mit kleinen Klassen und mit intensiver Betreuung durch die Klassenlehrerinnen und -lehrer widmet sich die Hauptschule mit Herzblut den Schülerinnen und Schülern, deren Schullaufbahn oft noch nicht so erfolgreich war und bringt so ein Stück Chancengerechtigkeit ins Schulsystem.

 Sandra Wasch unterrichtet an einer Hauptschule.

Sandra Wasch unterrichtet an einer Hauptschule.

Foto: GEW MG

Wir Kolleginnen und Kollegen von der Hauptschule kennen in der Regel jeden Schüler und jede Schülerin an der Schule, nicht nur die aus den eigenen Klassen. Das schafft ein sicheres, vertrautes Lernumfeld und trägt zu einem guten Schüler-Lehrer-Verhältnis bei. Viele unserer Schüler kommen mit Misserfolgserfahrungen aus großen heterogenen Grundschulklassen und trauen sich deshalb zunächst wenig zu. Vor allem in den höheren Jahrgängen stoßen viele Schülerinnen und Schüler zu uns, die an anderen weiterführenden Schulen gescheitert sind und auf eine schwierige Schulbiografie zurückblicken.

Manche unserer Kinder haben einen zusätzlichen besonderen Unterstützungsbedarf und werden im gemeinsamen Lernen gefördert. Das hat an der Hauptschule eine lange Tradition. SonderpädagogInnen sind seit Jahren fester Bestandteil unseres Kollegiums. Ein Teil der Schüler hat Migrationshintergrund oder ist mit der Familie erst vor Kurzem nach Deutschland zugezogen. Dieser bunten interkulturellen Schulgemeinde tragen wir jeden Tag Rechnung, indem wir uns nicht nur den klassischen Unterrichtsfächern widmen. Ein besonderes Augenmerk legen wir auf das Vermitteln der deutschen Sprache und sozialer Kompetenzen. Ein respektvoller Umgang miteinander und gute Konfliktlösungsstrategien sind uns wichtig. Alle Schülerinnen und Schüler, egal, mit welchen Voraussetzungen sie zu uns kommen, haben nämlich eins gemeinsam: Sie brauchen ein familiäres Lernumfeld mit klaren Regeln und Strukturen, das ihnen Orientierung bietet und Sicherheit gibt. In der fünften Klasse wiederholen wir daher nicht nur die schulischen Grundlagen der vierten Klasse. Unter Anleitung unserer Sozialpädagogen lernen Schüler im spielerischen Rahmen, wie man respektvoll miteinander umgeht, die eigene Meinung vertritt und gewaltfrei Konflikte löst.

Wir kennen unsere Schülerschaft sehr gut. So fallen uns kleinste Veränderungen an den Kindern und Jugendlichen schnell auf, und wir können zeitnah darauf reagieren. Wir wissen sehr genau, was unsere Schüler können und wo sie Unterstützung brauchen. Dazu zählen oft auch solche Hilfestellungen, die eigentlich nicht zu den Aufgaben einer Lehrperson gehören. Wenn es erforderlich ist, vermitteln wir auch schon mal bei familiären Streitigkeiten und Problemen, begleiten bei Amtsgängen oder füllen Formulare aus. Unsere Schülerinnen und Schüler haben oft mit widrigen Umständen zu kämpfen, die Lernprozesse zusätzlich erschweren. Diese schwierige Ausgangssituation wurde durch die Corona-Pandemie noch zusätzlich befeuert. Soziale Probleme in den Familien wie Arbeitslosigkeit der Eltern, beengter Wohnraum, mangelnde Sprachkenntnisse, eine unsichere Zukunft und Trennungssituationen sind einige Beispiele dafür, warum Eltern ihre Kinder in schulischen Belangen häufig nicht ausreichend unterstützen können. Daher sind wir an den Hauptschulen auch ein zuverlässiger Partner für Eltern und Erziehungsberechtigte.

Die vertrauensvolle Kooperation mit verschiedenen Institutionen wie zum Beispiel dem Jugendamt oder dem Schulpsychologischen Dienst ist für uns selbstverständlich. Ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit besteht in der Berufsvorbereitung. Ab Klasse 7 unterrichten wir praxisnahe, berufsrelevante Fächer wie Technik und Hauswirtschaftslehre und arbeiten eng mit unterschiedlichen Kooperationspartnern wie dem TÜV Nord und der Faktum GmbH zusammen. Die Schülerinnen und Schüler lernen so praxisnah verschiedene Berufsfelder kennen.

Viele unserer ehemaligen Schüler sind heute erfolgreiche Handwerker, arbeiten in Pflegeberufen, dem Einzelhandel oder sonstigen systemrelevanten Berufen. Denn die Hauptschule vermittelt qualifizierte Schulabschlüsse: den Hauptschulabschluss und auch den Realschulabschluss (mit Qualifikation für die gymnasiale Oberstufe). Viele meiner ehemaligen Schüler gehen selbstbewusst ihren beruflichen Weg. Einige haben Fachhochschulreife oder sogar Abitur gemacht und studieren heute.

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