Mönchengladbach Schreie aus der Dachkammer des BIS

Mönchengladbach · Der Kunstverein "Mischpoke" hat wieder besondere Räume für eine Ausstellung entdeckt. Diesmal erobern unter dem Titel "Refugium" zwölf junge Künstler das morbide Dachgeschoss des Kulturzentrums BIS. Heute ist Eröffnung.

Kunst im BIS? Hat das Ordnungsamt doch verboten! Dem Knatsch um die Baufälligkeit des Kulturzentrums an der Bismarckstraße und der damit verbundenen Diaspora der Kunstsparte des BIS setzt der junge Kunstverein "Mischpoke" so originell wie subversiv ein Projekt entgegen. Das ist ganz typisch für die Kreativen um Stefan Sturm, Ulrike Lua, Wolfgang Hahn und etliche mehr. "Refugium", so der Titel der heute um 19.30 Uhr beginnenden Ausstellung an der Bismarckstraße 99, erobert die völlig heruntergekommene Dachgeschosswohnung der ehemaligen Volkshochschule mit den Mitteln zeitgenössischer Kunst.

Vom feudalen Treppenhaus über eine ausgetretene und mit Linoleum belegte Stiege erreicht der Besucher eine morbide, verwinkelte Zimmerflucht unterm Dach des Gründerzeitbaus. Reste von Raufaser kleben noch auf dem blanken Putz, der an etlichen Stellen bröckelt. Durch die Pliesterlattendecken schlängeln sich sichtbar Lichtkabel, nackte Glühbirnen hängen in allen Räumen. An etlichen Stellen scheint das Dach durch. Ein enger Flur erschließt lichte sowie gefangene Zimmer, ein größerer Raum liegt ein paar Stufen tiefer.

Gruselig gellen schrille weibliche Schreie aus einer Abstellkammer — hier hat die Wilberz-Stipendiatin der Stadt, Angelika Fojtuch, im Dunkeln einen Monitor aufgestellt, der eine Performance wiedergibt, bei der eine Frau im Dunkeln um ihr Leben brüllt. Ums Eck, im Klo, leuchten opak die wachsbeschichteten Wunderkästchen von Christiane Behr, in denen Dioden farbiges Licht auf schemenhafte Diastreifen werfen. Auch ein Loch im Putz hat die Neue im Mischpoke-Kreis mit Licht gefüllt und mit Wachs verschmiert. Und wer auf einen Knopf drückt, kann rotes Licht würfeln.

Zwölf Künstlerinnen und Künstler, etliche von der Kunstakademie in Düsseldorf, hat die Mischpoke-Jury ausgewählt, die Räume zu vereinnahmen. Der schon arrivierte Christian Schreckenberger inszeniert eine Besenkammer mit gekälktem Schrubber-Kabel-Objekt als sakralen Schrein. Ihre Düsseldorfer Abschlussarbeit zeigt Miriam Brandstetter im Souterrain: aus Leinen genähte Landkarten in massiven Eisenrahmen. Sie wählt für ihre Installation die Spannung zu den ironischen Streichholz-Siebdrucken aus den 70ern, die aus dem Nachlass von Bernd Fleming stammen.

Mit dem Fotografen Vesko Gösel ist auch der derzeitige NEW-Wasserturmstipendiat mit im "Refugium" vertreten. Befremdlich malerisch erscheinen die Alltagsfotografien von Luisa Clement, die in der Gursky-Klasse studiert. Vom amateurfotografischen Blick inspiriert ist die Fotoarbeit von Talisa Lallai, die zwei Ansichten einer Nonnenschule ins Beängstigende vergrößert. Mächtig, trutzig wölbt Viktoria Strecker eine Wandarbeit aus Architektenpappe vor eine nackte Wand, ein kleinteilig zusammengewebtes mäanderndes Monstrum wie aus einem unbekannten Universum. Gegenüber zieht Katharina Monka eine Wand gegen ein eingebautes Studio-Fenster, das dessen Fremdheit betont und mit kleinen, genau kalkulierten Elementen aus Glas und Erz in Beziehung bringt. — Mischpoke hat einen neuen Raum besetzt. Ab heute darf man rein.

(ark)
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