Mönchengladbach Schlegelmilch: OB ist kein Taktgeber

Mönchengladbach · Interview mit dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Dr. Hans Peter Schlegelmilch über Leitlinien, die der Stadt fehlen, über den Begriff des Oberzentrums, der antiquiert ist und über die Chancen, mit Düsseldorf und dem Kreis Viersen zu einer engeren Zusammenarbeit zu finden.

 Der CDU-Fraktionsvorsitzende Dr. Hans Peter Schlegelmilch setzt auf regionale Zusammenarbeit und kritisiert Oberbürgermeister Norbert Bude (SPD), weil dieser keine Visionen habe.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Dr. Hans Peter Schlegelmilch setzt auf regionale Zusammenarbeit und kritisiert Oberbürgermeister Norbert Bude (SPD), weil dieser keine Visionen habe.

Foto: Isabella Raupold

Herr Dr. Schlegelmilch, Ihre Meinung zum Entwurf des Verkehrsentwicklungsplans?

Schlegelmilch Festgestellt werden muss: Wir reden hier über ein Planwerk, das nicht jedes Jahr überarbeitet werden soll, das für die nächsten 15 bis 20 Jahre Geltung beanspruchen will. Gerade diese Zukunftsperspektive vermisse ich. Er beschäftigt sich beispielsweise in keiner Weise mit Elektroautos, die schätzungsweise 2020 bis 2030 ihren Durchbruch erleben werden. Car-Sharing wird in Zukunft eine große Rolle spielen. Auch Gedanken über eine schnelle Verbindung vom Süden in den Norden der Stadt fehlen mir. Ich glaube, dass der Plan so nicht durchgewunken wird.

Wirkt der Plan nicht unfertig auf Sie?

Schlegelmilch Da stimme ich Ihnen zu. Auch die demografische Entwicklung muss eine größere Rolle spielen.

Teilweise stammen die Analysen, die dem Plan zugrunde liegen, aus den Jahren 2005 und 2006. Wundert Sie das nicht?

Schlegelmilch Nicht nur das. Schon damals waren die Zahlen ja rückwärtsgewandt.

Nun muss man ja sagen, dass auch Ihre Vorgänger das Thema nicht zielstrebig betrieben haben.

Schlegelmilch Na ja, wissen Sie, meine Vorgänger sind mit den Weltbildern ihrer Zeit angetreten. Vieles konnten sie einfach nicht erahnen. Der Oberbürgermeister und seine Ampel sind allerdings mit einem Weltbild angetreten, das das Hier und Jetzt und Morgen umfassen soll. Insofern fehlen dort einfach die Visionen, die großen Leitlinien.

Ein allgemeines Defizit der Ampel-Koalition?

Schlegelmilch Ja, durchaus. Wenn die Führung anspruchslos ist, wie soll dann die ausführende Arbeit funktionieren? Einziges Ziel des Oberbürgermeisters scheint es zu sein, Oberbürgermeister zu sein. Stichwort Zweitname der Stadt — was ist daraus geworden?

Man sammelt wohl noch...

Schlegelmilch Mir scheint es, Norbert Bude tut in allen Belangen nur noch dies: sammeln.

Bezirksvorsteher Reinhold Schiffers (SPD) hat in unserer Zeitung die Arbeit der Ampel gerade darin gelobt, dass man sich von der Patronage-Haltung der CDU verabschiedet habe. Man lasse die Bürger viel stärker an der politischen Entscheidungsbildung und an der Stadtplanung teilhaben. Wie sehen Sie das?

Schlegelmilch Solche Initiativen wie in der Altstadt oder im Gründerzeitviertel sind natürlich nur zu begrüßen. Aber man kann von ihnen nicht erwarten, dass sie eine Gesamtvision für die Stadt entwickeln. Gerade das aber ist der Job des Oberbürgermeisters. Es muss einen Taktgeber geben. Nicht zuletzt geht es hier auch um die Bedeutung von Wahlen. Parteien müssen inhaltliche Aussagen treffen.

Denken Sie schon an die Kommunalwahl 2014?

Schlegelmilch Im Hinblick auf die Kommunalwahl ist es wichtig, dass wir einen roten Faden haben. Wir müssen unseren Werten treu bleiben. Immer wieder kurzfristig nach links oder nach rechts zu schielen, bringt nichts.

Wie sieht der rote Faden der CDU aus?

Schlegelmilch Ein großes Thema ist natürlich die demografische Entwicklung. Denkt man über sie nach, so muss man zwangsläufig über neue Formen der interkommunalen Zusammenarbeit nachdenken. Insbesondere mit Düsseldorf. Verabschieden müssen wir uns vom Begriff und Konzept des "Oberzentrums". Es ist vollkommen antiquiert. Wir müssen es ersetzen durch das Bild der Brücken über Rhein und Maas.

Wie sehen Sie denn die Chance für eine Zusammenarbeit mit Düsseldorf? Was hat Mönchengladbach der Landeshauptstadt überhaupt zu bieten?

Schlegelmilch Düsseldorf ist momentan noch sehr stark auf sich selbst fixiert. Das wird sich in naher Zukunft ändern. Düsseldorf braucht unbedingt Fläche, insbesondere für Gewerbe. Mönchengladbach verfügt über diese Fläche. Weiterhin wird eine stärkere Anbindung an die Niederlande für Düsseldorf zunehmend wichtiger werden. Auch hier wird Gladbach eine große Rolle spielen.

Die Beziehungen zu Viersen haben in letzter Zeit sehr gelitten. Die ungeklärte Situation um das Klinikum, die Verkehrsströme durch Helenabrunn, die Arcaden als vermeintliche Konkurrenz.

Schlegelmilch Das ist nicht als Vorwurf zu verstehen: Aber es darf nicht heißen, Mönchengladbach sei das Übel der Welt. Wenn ich zum Beispiel weiß, dass es in Mönchengladbach eine starke Krankenhauslandschaft gibt, warum brauche ich dann auch in Viersen eine ebenso starke Krankenhauslandschaft? Andererseits arbeiten wir aber auch gut zusammen. Denken Sie nur an die Kooperation mit den Viersener Niederrheinwerken.

Wie hoch schätzen Sie die Chancen für ein neues Gewerbegebiet in Zusammenarbeit mit Viersen ein?

Schlegelmilch Es müssen die richtigen Leute miteinander reden. Ich denke nicht, dass man sich da im Grundsatz nicht einigen kann.

Apropos Gewerbegebiet: Ist auch die CDU bereit, die Trabrennbahn zu opfern?

Schlegelmilch Oberste Priorität hat für uns der Flughafen. Es bringt nichts, dort Gewerbe anzusiedeln, das bei einer Wiedererstarkung des Flughafens gleich in Protesthaltung verfällt. Falls allerdings gute Konzepte auf den Tisch kommen, wird sich die Trabrennbahn unterordnen müssen.

Soll Mönchengladbach in den Stärkungspakt Stadtfinanzen?

Schlegelmilch Ich habe da starke Zweifel. In den letzten Jahren sind 2000 Menschen aus Mönchengladbach abgewandert. Kommt der Stärkungspakt, wird es ja bei einer Anhebung der Grundsteuer nicht bleiben. Die Menschen in der Stadt, die Steuern und Abgaben zahlen, werden immer weniger. Ich glaube nicht, dass man den übrigen Bürgern sagen kann: zahlt mehr, aber für weniger Leistung. Und überhaupt: Wovon soll das Land das finanzieren? Irgendwann fällt uns das doch auch wieder auf die Füße.

Bevor Sie den Fraktionsvorsitz übernommen haben, hatten Sie da ein wenig Sorge, ob Sie Firma, Familie und Politik miteinander in Einklang bringen können. Wie sieht Ihre persönliche Bilanz bisher aus?

Schlegelmilch Natürlich dreht man manchmal am Rad. Bis zur Rente will ich diese Mehrfachbelastung nicht schultern. Allerdings fände ich es nicht schlimm, noch einmal anzutreten.

Würden Sie 2015 gerne für das Amt des Oberbürgermeisters kandidieren?

Schlegelmilch Darüber mache ich mir noch keine Gedanken. Die Wahl ist noch zu weit entfernt. Es gibt einige Leute, die für diesen Job qualifiziert sind.

Fabian Eickstädt, Ralf Jüngermann und Dieter Weber führten das Interview

(RP)
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