Interview mit Geschäftsführer der Rheydter Shopping-Galerie "SB-Häuser machen die Innenstadt kaputt"

Mönchengladbach · Der langjährige Geschäftsführer der Rheydter Shopping-Galerie spricht über die Hochphase des Einkaufscenters und über "städtebaulichen Fehler, die dem Einzelhandel geschadet haben".

 Hans-Jürgen Kleewald begrüßt die Entscheidung, in Rheydt ein neues Rathaus zu bauen.

Hans-Jürgen Kleewald begrüßt die Entscheidung, in Rheydt ein neues Rathaus zu bauen.

Foto: Detlef Ilgner

Herr Kleewald, Sie haben vor fast 3o Jahren die Shopping-Galerie in Rheydt übernommen. Damals waren Einkaufscenter noch etwas Besonderes. Wie haben Sie die Situation damals erlebt?

Hans-Jürgen Kleewald Das war für alle in Mönchengladbach und nicht nur für Rheydt etwas Besonderes. Als Mitglied der Geschäftsleitung der ehemaligen Grundstücksgesellschaft der Kaufhof AG hatte ich zum Zeitpunkt meines dortigen Eintritts keinen Einfluss mehr auf die Gestaltung des Branchenmixes, sondern konnte das Einkaufscenter lediglich eröffnen und im Anschluss managen. Derartige Malls kannte man zwar schon aus den USA, aber in Deutschland waren sie noch nicht so zahlreich vertreten. Von Ausnahmen mal abgesehen, war das Unternehmen ECE damals der erste und sozusagen einzige Betreiber von Einkaufszentren. Von Mfi, die in Gladbach das Minto realisiert haben, sprach zu diesem Zeitpunkt noch niemand. Es war für den Kaufhof auch nicht ganz einfach, in eigener Regie Geschäfte zu überzeugen, sich in der Shopping-Galerie anzusiedeln. Als Betreiber von Warenhäusern war man Spezialist, aber mit Einkaufscentern hatte man damals noch wenig Erfahrungen.

Wie sah dann Ihre Strategie aus?

Kleewald Der überwiegende Teil an Verkaufsflächen wurde mit eigenen Tochtergesellschaften Mauricius Mode und Sport und Reno sowie dem Lebensmittler Spar als Kooperationspartner belegt. Die Menschen haben sich schnell für das Center begeistert und es als Nachfolger "ihres Kaufhofs" akzeptiert und angenommen.

Damals war Einkaufen noch ein Familienerlebnis. Es gab keine Konkurrenz durch den Online-Handel. Konnten Sie sich als verantwortlicher Manager entspannt zurücklehnen?

Kleewald Die Galerie war zwar von Anfang an rentabel. Doch zurücklehnen konnte ich mich nicht. Mit dem Branchenmix war ich nicht unbedingt zufrieden.

Wie hat sich das weiterentwickelt?

Kleewald 1991 habe ich mit dem bekannten Architekturbüro Rhode, Kellermann und Wawrowsky aus Düsseldorf im Zuge des Verkaufs des Objektes an einen Münchener Investor die Shopping-Galerie erstmalig revitalisiert. Neben der Reduzierung der Verkaufsfläche von Mauricius Mode und Sport um etwa zwei Drittel, konnte ich Saturn für eine Ansiedlung in Rheydt gewinnen, und dann wurde der Lebensmittler Spar durch den in der hiesigen Region wesentlich bekannteren Kaisers/ Tengelmann ausgetauscht. Durch eine weitere Ladenstraße entstanden zusätzlich Ladenflächen und konnte der Branchenmix noch attraktiver gestaltet werden.

Begann dann die Hochphase?

Kleewald Danach lief es richtig rund. Etliche Filialisten und Händler nahmen Kontakt zu mir auf und bewarben sich um eine Anmietung in der erfolgreichen Shopping-Galerie, so dass ich damals sogar über eine Warteliste verfügte.

Haben Sie an den Erfolg der Galerie immer geglaubt?

Kleewald Rheydt war zu der Zeit ja noch eine große Nummer. Es gab dieses Karree mit inhabergeführten Geschäften überwiegend an der Hauptstraße sowie in dem Bereich zwischen den Magneten Karstadt und Shopping-Galerie an der Stresemannstraße. Der betuchtere Gladbacher ist damals eher zum Einkaufen nach Rheydt gekommen als umgekehrt. Selbst die betuchteren Ladys vom Schmölderpark kauften regelmäßig in Rheydt ein und fuhren seltener nach Düsseldorf.

Lag der Erfolg auch darin, dass die Rheydter ein besonderes Bewusstsein für ihre Stadt hatten?

Kleewald Auf jeden Fall. Das haben sie auch heute noch.

Ab wann ging es denn bergab?

Kleewald Bis 2007 war alles noch relativ unproblematisch. Danach wurde die Situation für den Handel in Rheydt schwieriger. Rheydt verlor wie kaum eine vergleichbare andere Stadt eine Vielzahl von attraktiven inhabergeführten Geschäften meist mangels Nachfolgegeneration. Dadurch verlor in erster Linie die Hauptstraße an Qualität, weil diese von guten namhaften Filialisten nicht nachgefragt wurde und die inhabergeführten guten Geschäfte wie z.B Porzellan Heinemann, WMF, Pillen usw., um nur einige zu nennen, dort angesiedelt waren.

Sind die Probleme, die Rheydt hat, denn hausgemacht?

Kleewald Zumindest ein Großteil. Fast zeitgleich mit dem großen Verlust von guten inhabergeführten Geschäften gab es für Rheydt eine völlig verfehlte Stadtentwicklungspolitik. Die Ansiedlung von zwei SB-Warenhäusern im unmittelbaren peripheren Innenstadtbereich mag für den Verbraucher vordergründig vielleicht als Vorteil angesehen werden, hat aber das Ausbluten der City Rheydt erheblich beschleunigt. Nicht zuletzt durch die Etablierung von sogenannten innenstadtrelevanten Sortimenten, die auf der sozusagen grünen Wiese bei sinnvoller Stadtentwicklung eigentlich nichts zu suchen haben. Sortimente wie z.B. Drogeriemarkt, Textiler usw. gehören in erster Linie in die City und nicht in die Check-in-Zonen von SB-Warenhäusern im peripheren Innenstadtbereich. Heute stellt Rheydt bundesweit aufgrund dieser Entwicklung mit 18 Lebensmittlern in einem Radius von einem Kilometer mit vergleichbaren Städten einsame Spitze dar. Das hat nicht zuletzt aufgrund des damit verbundenen Verdrängungswettbewerbs in der City von Rheydt erhebliche Leerstände hinterlassen.

Was hätte man gegen diese Entwicklung tun können?

Kleewald Das frühere Baurecht an diesen Standorten nicht für die Zulassung von SB-Warenhäusern zu verändern. Zuletzt noch für die Ansiedlung von Real, anstatt dort das Finanzamt anzusiedeln und nicht im Nordpark. Das wäre für Rheydt die richtige Entwicklung gewesen und hätte Impulse für den Handel in Rheydt gebracht. Investitionen in ein schöneres Rheydt kamen deutlich zu spät.

Aber der Marktplatz ist doch jetzt ein Aushängeschild: Karstadt ist zudem gesichert. Sie als Insider. Wo muss man in Rheydt jetzt ansetzen?

Kleewald Aufgrund der Tatsache, dass wir in Deutschland im europäischen Vergleich über zuviel Verkaufsfläche verfügen, wird sich der seit Jahren schon vorhandene Verdrängungswettbewerb - nicht zuletzt befeuert durch den Online-Handel - noch verstärken. Dieser Entwicklung trägt das Gutachten von Prof. Wachten Rechnung, indem er die Stärkung der sogenannten Diagonale Bahnhof / Marienplatz / Harmonieplatz / Marktplatz empfiehlt. Die Randbereiche werden unter Einzelhandelsaspekten erodieren, was im Bereich der unteren Hauptstraße / Friedrich-Ebert Straße schon deutlich sichtbar ist. Wünschenswert wäre sicher im Bereich der unteren Hauptstraße die Liegenschaft früheres Finanzamt / VHS, Tanzschule / Skaterhalle eine Konzeption mit Magnetwirkung nicht unbedingt Handel zu verwirklichen, um das Karree wieder zu komplettieren. Zugegeben nicht unbedingt einfach umzusetzen.

Einerseits gibt es Leerstand, andererseits greift eine Gestaltungssatzung, die den Händlern das Leben schwermacht. Bei Inhaberin Erika Kick und ihrem Laden "ètre en vogue" ging es zuletzt um zwei Klebefolien und ein Schild. Wie passt das zusammen?

Kleewald Das finde ich ganz unerträglich. Wir als Citymanagement haben dagegen angekämpft. Aber wir waren auch im Fall von Frau Kick nicht erfolgreich. Ich finde eine solche starre Satzung unmöglich. Wir haben der Stadt seinerzeit die Satzungen von Mülheim und Bonn empfohlen. Konnten uns zusammen mit Ehzv, IHK und Dehoga aber leider nicht durchsetzen. Die Lobby für den Einzelhandel ist zumindest für Rheydt nicht sehr ausgeprägt.

Sie engagieren sich sehr im Citymanagement. Rheydt hat mittlerweile tolle Veranstaltungen wie das Turmfest, den City-Triathlon und den klassischen Wochenmarkt. Kann man daraus nicht schöpfen?

Kleewald Es wird schwieriger. Ich hoffe, wir kommen durch die neue Landesregierung nicht mehr in die Lage, immer alle verkaufsoffenen Sonntage begründen zu müssen. Immer nach dem Motto: Wie können wir darstellen, dass der eigentliche Anlass mehr Besucher anzieht als der verkaufsoffene Sonntag? Weil wir das so machen müssen, geben wir dafür als Citymanagement viel Geld aus. Wenn das nicht gelingt, fahren potenzielle Kunde ein weiter ins Outlet nach Holland. Dort ist jeder Sonntag verkaufsoffen. Paradox.

Kommt mit dem Bau des neuen Rathauses in Rheydt die Rettung für die Innenstadt?

Kleewald Die Entscheidung der gegenwärtigen Politik und Verwaltung ist unbedingt zu begrüßen. Über 1000 Mitarbeiter, die mittags die Innenstadt zusätzlich beleben, das wäre ein Schritt nach vorn und nach den städtebaulichen Fehlentwicklungen in den letzten Jahren so etwas wie eine "kleine Wiedergutmachung".

LAURA HARLOS, GABI PETERS, DENISA RICHTERS UND DIETER WEBER FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(dr)
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