Serie Gladbacher Lesebuch (9) Rheydt war evangelisch, Gladbach katholisch geprägt

In der "Textilingenieurschule M.Gladbach -Rheydt" begann mein Mann Albert 1950 im dortigen Lehrbetrieb seine dreijährige Ausbildung zum Färbergesellen und "lernte", dass er - was für ein Schock - täglich nach Rheydt fuhr. Falsch. Die Webschule stand zwar "mit dem Gesicht nach Rheydt, hatte aber Gladbach im Rücken", wie es im Volksmund hieß. Der damalige sehr auf die Praxis bezogene Lehrbetrieb der Färberei und Weberei ist längst Nostalgie und digitaler Technik gewichen. Auch die Färberei, in der mein Mann bei unserem Einzug an der Rheydter Straße seinen Beruf als Färbermeister ausübte, hat wie so viele andere Mönchengladbacher Textilbetriebe, längst die Produktion eingestellt. Gladbach katholisch, Rheydt evangelisch. Das war in den 1960er Jahren nicht nur ein gängiger Begriff, es führte auch zu manchen Kontroversen. Für uns Neubürger im "Grenzgebiet" definierte sich das anders. Mein Mann, ein Kind der Gladbacher Hauptpfarre und Anhänger von Propst Josef Kauff, tendierte zu seiner alten Heimatgemeinde. Ich war ein Fan der Predigten des damaligen jungen Kaplans an St. Marien namens Edmund Erlemann. Um den häuslichen Frieden zu wahren, pendelten wir. Als unser Sohn der Erstkommunion entgegensteuerte, mussten wir uns mit St. Josef in Hermges anfreunden - schwierig mit Blick auf den erzkonservativen Pfarrer Peter Hüpgens, der noch der Mundkommunion die Treue hielt.

 Albert Kremer (rechts) in der ehemaligen Lehrfärberei.

Albert Kremer (rechts) in der ehemaligen Lehrfärberei.

Foto: Hildegard Kremer

Anders in Rheydt. Wir freuten uns, dass es dort in den Innenstadtgemeinden Christen beider Konfessionen gab, die nicht mehr das Trennende, sondern das Gemeinsame sahen und betonten. Aus dem damaligen ökumenischen Arbeitskreis, an dem der spätere Regionaldekan Edmund Erlemann wesentlich beteiligt war, entstand der Christenrat, jetzt Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen genannt. Die Ökumene in den beiden getrennten und seit 1975 vereinigten Städten hat sich ebenso positiv weiterentwickelt wie die Gemeinsamkeiten auf anderen Ebenen.

Das Eine-Stadt-Fest setzt ein positives Zeichen. Animositäten im politischen, gesellschaftlichen und privaten Bereich sind zwar geblieben. Ich sehe es mit Schmunzeln. Sie sind eben das Salz in der Suppe.

(RP)
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