Mönchengladbach Rainer Wallnig: Der Ingenieur und die Kunst

Mönchengladbach · Prof. Dr. Rainer Wallnig hat mehr als 20 Jahre lang an der Hochschule Niederrhein Elektrotechnik gelehrt. Außerdem saß er lange für die FDP im Rat und war Vorsitzender des Umweltausschusses. Seit knapp zwei Jahren leitet er nun den Museumsverein und zeigt: Techniker können auch Kunst.

 Wallnig (2.v.r.) im Kreise seiner FDP-Kollegen Rolf Heilmann, Hans-Joachim Schoor, Frank Orlowski und dem ehemaligen Bürgermeister Hans Segschneider (von links). Mitte der 80er Jahre protestierte die Partei am Rande eines Schwimmwettkampfs gegen den Badekappenzwang in Gladbachs Schwimmbädern.

Wallnig (2.v.r.) im Kreise seiner FDP-Kollegen Rolf Heilmann, Hans-Joachim Schoor, Frank Orlowski und dem ehemaligen Bürgermeister Hans Segschneider (von links). Mitte der 80er Jahre protestierte die Partei am Rande eines Schwimmwettkampfs gegen den Badekappenzwang in Gladbachs Schwimmbädern.

Es ist ein weit verbreitetes Vorurteil, das sich hartnäckig hält: Menschen, die sich beruflich den ganzen Tag mit Zahlen und komplizierten Formeln auseinandersetzen, tun dies mit Vorliebe auch in ihrer Freizeit. Da basteln sie dann zum Beispiel stundenlang an Computern rum und lesen vorzugsweise Bedienungsanleitungen für elektrische Geräte. Jedenfalls haben sie bestimmt keinen Sinn für Feingeistiges. Zahlen und Farben, Formeln und Gefühle, Mathematik und Musik: Das passt einfach nicht zusammen – so die Behauptung. Bei Rainer Wallnig war das schon immer anders.

 Wallnigs große Leidenschaft sind Oldtimer. Auf dem Bild ist er mit seinem Triumph TR 4 zu sehen.

Wallnigs große Leidenschaft sind Oldtimer. Auf dem Bild ist er mit seinem Triumph TR 4 zu sehen.

In seinem Studentenwohnheim in Braunschweig war er, der Elektrotechnik-Student, derjenige, der die Kultur ins Haus holte. "Ich hatte ein Klavier besorgt. Spielen konnte ich zwar nicht, aber ich wusste, dafür würde sich schon jemand finden", erzählt der Professor lachend. Nun, mehr als 30 Jahre später, wiederholt sich die Geschichte. Wallnig war mehr als 20 Jahre lang Professor für Elektrotechnik an der Hochschule Niederrhein. Ein Beruf, in dem es um Formeln, Zahlen und Berechnungen geht. Jetzt ist er pensioniert und seit zwei Jahren Vorsitzender des Museumsvereins in Mönchengladbach. Ein Amt, in dem es um Farben, Formen, Schönheit geht. Er wählt Kunstwerke aus, repräsentiert das Museum nach außen, organisiert Exkursionen zu Kunstgalerien. Eine verantwortungsvolle Aufgabe.

 Wallnig bei seiner Abschiedsvorlesung im Januar 2010. An dem Abend, zu dem auch Freunde und Familie eingeladen waren, gab es für die Zuschauer eine spannende, anschauliche Einführung in die Elektrotechnik.

Wallnig bei seiner Abschiedsvorlesung im Januar 2010. An dem Abend, zu dem auch Freunde und Familie eingeladen waren, gab es für die Zuschauer eine spannende, anschauliche Einführung in die Elektrotechnik.

Doch Wallnig bleibt bescheiden: "Ich bin nicht sehr sachverständig, aber sehr interessiert", beschreibt er sein Verhältnis zur Kunst. Es ist eben ein bisschen wie mit dem Klavier damals: Wallnig organisiert und genießt, künstlerisch tätig sind lieber andere. 1975 kam der gebürtige Wernigeroder als frischgebackener Diplom-Ingenieur für Elektrotechnik an den Niederrhein. Er hatte eine Stelle bei Schorch in Mönchengladbach bekommen. Und man könnte sagen, es war Gladbach, das Wallnig – vorher eher wenig an Politik interessiert – zum Politiker gemacht hat. Sein Studium in Braunschweig hatte zwar genau im berühmten Jahr 1968 begonnen, doch die Studentenproteste kratzten Wallnig damals nicht sonderlich. Heute sagt er: "Ich war damals nicht sehr politisch." Die Planungen für die Umgehungsstraße, die 1978 um Rheindahlen herum geplant wurde, änderten das schlagartig.

Wallnig war zwar vorher schon Mitglied der FDP geworden, jedoch rein passiv. Auf der Broicher Straße sollte nach den Planungen der Stadt eine Kreuzung entstehen. Ein Unding, fand Wallnig, dessen Tochter damals vier Jahre alt war und in absehbarer Zeit auch mit dem Rad auf der Broicher Straße zur Schule fahren würde. Zusammen mit einer Bürgerinitiative kämpfte er – schlussendlich erfolgreich – für den Bau einer Brücke. "Darauf bin ich heute noch stolz", sagt er. Und die Politik packte ihn: Er kandidierte für die Bezirksvertretung, 1985 wurde er in den Rat gewählt und blieb dort zehn Jahre. In dieser Zeit entstand auch der Spitzname "Dr. WC", den sich einige Kollegen aus der Politik ausgedacht hatten, als Wallnig in seiner Position als Umweltbeauftragter der FDP gefordert hatte, die Toilettensteine aus öffentlichen Toiletten zu entfernen. Die würden zwar den Geruch übertünchen, doch abbaubar wären sie nicht und so würden die Chemikalien langsam ins Grundwasser sickern, gab der Professor zu bedenken. Ein anderes politisches Projekt, an das sich Wallnig immer wieder gerne erinnert, ist der Bürgerentscheid über die Groß-Mülltonnen im Dezember 1996. Die FDP führte damals den Protest gegen den Vorschlag der CDU, rollende Großtonnen in der Stadt einzuführen, an und sorgte für einen Bürgerentscheid. 93 000 Gladbacher stimmten schließlich für die Beibehaltung der kleinen Tonnen. Außerdem verhinderte die FDP den Abriss des Stadttheaters, an dessen Stelle die Stadtsparkasse ihre Hauptgeschäftsstelle bauen wollte.

Die steht nun an der Bismarckstraße. "Aber das Theater kommt ja nun leider trotzdem weg", beklagt Wallnig. Der Theaterfreund hofft, dass sich zumindest das Drei-Sparten-Theater erhalten lässt. "Ich halte es für eine hirnrissige Idee, das Ballett abzuschaffen", betont er. Nicht nur Wallnigs politische Laufbahn, sondern auch seine berufliche Karriere kam Anfang der 80er ins Rollen. Er hatte keine Lust mehr auf seinen Bürojob bei Schorch und entschloss sich, seine Promotion nachzuholen. "Denn die brauchte ich, um mich an Hochschulen bewerben zu können", erklärt er. Gesagt, getan: Er promovierte extern bei einer Aachener Firma und bekam eine Stelle an der Fachhochschule Bochum.

Später bewarb er sich an der Hochschule Niederrhein in Krefeld und wurde prompt genommen. "Das war einer der besten Tage in meinem Leben", sagt er heute. Er stieg auf, wurde 1997 zum Dekan des Fachbereichs Elektrotechnik und Informatik gewählt. "Der Job war für mich der Himmel auf Erden", sagt Wallnig. Nach seiner Zeit als Dekan hatte der bescheidene Gladbacher kein Problem damit, bis zu seiner Pensionierung als "ganz normaler Professor" in den Hörsaal zurückzukehren. Besonders die ausländischen Studenten lagen ihm am Herzen, für sie drückte er in Prüfungen schon mal ein Auge zu. Anstatt einer großen Abschiedsfeier gab Wallnig lieber eine Abschiedsvorlesung. "Da habe ich ordentlich Remmidemmi gemacht", sagt er und meint: Er hat auf spannende Art und Weise sein Publikum in die Grundlagen der Elektrotechnik eingeführt und es mit anschaulichen Versuchen unterhalten. Aus der Politik hat sich der 67-Jährige inzwischen komplett zurückgezogen, ist nur noch passives Mitglied in der FDP. "Es gibt für alles seine Zeit", ist er überzeugt.

Und jetzt, in seiner Rente, ist die Zeit für Kunst und Soziales. Denn neben dem Museumsverein engagiert sich Wallnig in einem weiteren Club: Im Lions-Club Mönchengladbach, mit dem er viel für Kinder auf die Beine stellt. Ein Kind liegt ihm jedoch besonders am Herzen: Seine kleine Enkeltochter Hannah, die einmal in der Woche bei ihren Großeltern übernachtet.

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