Mönchengladbach Psychologe verzweifelt gesucht

Mönchengladbach · Bis zu einem Jahr dauert es, bis seelisch Kranke einen Termin beim Psychotherapeuten bekommen. Weil immermehr Menschen psychische Probleme haben, sind die Experten überfordert. Sehr prekär ist die Situation bei Kindern.

Heinz Königs (75) sitzt als Seniorenberater im Sozialausschuss. Er hat oft mit schwierigen sozialen Fällen zu tun. Aber das, was er jüngst erlebte, schlug dem Fass den Boden aus. "Ich suchte für eine Frau einen Psychotherapeuten. Bei den meisten lief ein Anrufbeantworter. Und die wenigen, die ich erreicht habe, hatten ewig lange Wartezeiten. Einer wollte mir sogar erst in einem Jahr einen Termin geben. Nach 38 Anrufen habe ich Schluss gemacht", sagte er. Sein Vorschlag: Es sollte eine Stelle geben, bei der freie Therapieplätze gemeldet werden.

Diese Stelle existiert bei der Kassenärztlichen Vereinigung. Doch das Problem ist bekannt: In Mönchengladbach ist es schwierig, zeitnah einen Therapieplatz zu bekommen. Zwar gibt es mehr als 100 Psychotherapeuten in der Stadt, aber die sind meist über Monate ausgebucht. Und die Nachfrage steigt permanent. Die Krankenkassen berichten davon, dass immer mehr Menschen unter erheblichen seelischen Problemen leiden. Sie sind oft dem Stress und dem Druck am Arbeitsplatz nicht mehr gewachsen. Es gibt private Sorgen. Irgendwann kommt das Aus: Sie sind ausgebrannt, schlafen nicht mehr, reagieren mit Depressionen.

Beziehungen oder Glück

Wer dann einen Psychotherapeuten sucht, muss über Beziehungen verfügen oder Glück haben, wenn er zeitnah einen Termin bekommt. Das ist weniger Schuld der Therapeuten. Da die Behandlung zeitlich intensiv ist, können sie zwangsläufig weniger Patienten nehmen. "Ich nehme mir pro Patient und Behandlung rund eine Stunde Zeit. Ich kann mich maximal um acht Patienten am Tag kümmern. Aber das ist nicht möglich, weil die Probleme der Menschen teilweise so groß sind, so dass mich ihre Therapie selbst sehr stark beansprucht", sagt eine Psychotherapeutin der RP.

Sie selbst hat durchgerechnet, ob sie eine Helferin finanzieren kann, damit die Menschen in Not nicht beim Anrufbeantworter landen. Mit negativem Ergebnis: "Ich habe für meine Ausbildung so viel bezahlt und musste mich dann noch in eine Praxis einkaufen. Da reichen die Einnahmen nicht für eine Kraft." Deshalb haben sich mehrere Psychotherapeuten zusammengeschlossen, die über Rufumleitung diesen Service sicherstellen. Andere nennen beim Anruf feste Zeiten, wann sie Telefondienst machen.

Dazu gehört auch Andreas Bachhofen, Sprecher der Psychotherapeuten in der Stadt. Er rät den Hilfesuchenden, zeitlich flexibler zu sein. "Eine Soforthilfe können wir nicht anbieten. Es dauert Zeit, bis eine Psychotherapie Erfolge zeigt. Wer Soforthilfe braucht, muss sich vom Arzt zunächst mit Medikamenten behandeln lassen", sagt er.

Bei der AOK ist das Problem der langen Wartezeiten von Psychotherapeuten bekannt. Ganz schlimm sei die Situation bei Kindern und Jugendlichen, weil es für sie nur wenige Spezialisten in der Stadt gebe, sagt Heinz Frohn, AOK-Regionaldirektor Niederrhein. Auf Eigeninitiative hat die AOK eine Sonderregelung für Menschen geschaffen, die schwer krebskrank sind. Frohn: "Sie bekommen sofort innerhalb von zwei Wochen fünf Termine."

(RP)
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