Mönchengladbach Polizist Michael Frehn legt keine Revision ein

Mönchengladbach · Dem Hauptkommissar wurde bei einem Einsatz das Gesicht zertreten. Die Haftstrafe des Täters wurde im zweiten Verfahren von acht auf fünf Jahre reduziert. Frehn will endgültig mit der Sache abschließen.

 Seine Kollegen und seine Familie – im Hintergrund Frau und Schwester – halten zu Michael Frehn. Sie geben sich gegenseitig Kraft.

Seine Kollegen und seine Familie – im Hintergrund Frau und Schwester – halten zu Michael Frehn. Sie geben sich gegenseitig Kraft.

Foto: Andreas Baum

Als nachts der Anruf kam, war sie zunächst noch arglos. Ihr Mann habe das Nasenbein gebrochen, teilte ihr eine Kollegin ihres Mannes mit. Und sie solle doch bitte ins Bethesda-Krankenhaus kommen. Wegen eines Nasenbeinbruches? Jessica Frehn zögerte. Ihre drei Kinder hatte sie zu Bett gebracht, sie wollte sie nicht allein lassen. "Aber an der Art und Weise, wie die Kollegin meines Mannes mich drängte, merkte ich, dass da mehr passiert war." Sie bat ihre Schwägerin, auf die Kinder zu achten, und dann fuhr sie los.

Im Krankenhaus wurde sie vom Chef ihres Mannes erwartet. "Da wusste ich, dass etwas sehr Schlimmes passiert war." Ihren Mann, den Polizisten Michael Frehn, habe sie nur an der Kleidung erkannt. "Das Gesicht war völlig entstellt", sagt sie und ringt auch zweieinhalb Jahre nach dem Unglück um Fassung. "Da war überall Blut." Einzig tröstlich war, dass ihr Mann ansprechbar war.

In der Nacht zum 28. August 2010 war der Hauptkommissar in Odenkirchen im Einsatz. Gemeinsam mit seinen Kollegen war er zu einem Überfall auf einen Supermarkt gerufen worden. Es kam zu Auseinandersetzungen. Michael Frehn hatte einen der Randalierer am Boden fixiert, als der damals 20-jährige Roberto S. ihm mit voller Wucht ins Gesicht trat. Sein Schädel, das Jochbein, die Nase und die Augenhöhlen waren gebrochen.

"Ich hatte das Gefühl, in meinem Kopf wäre eine Bombe explodiert." In der Nacht noch wurden die Schnitte genäht, und die losgetretenen Zähne wurden entfernt. Das war die erste Operation, der noch viele weitere folgen sollten. "Im Grunde genommen ist es ein Wunder, dass ich überhaupt noch lebe", sagt Michael Frehn.

Im ersten Verfahren vor dem Mönchengladbacher Landgericht im April 2011 wurde der Angreifer Roberto S. wegen versuchten Mordes zu knapp acht Jahren Haft verurteilt. Im Februar 2012 kippte der Bundesgerichtshof dieses Urteil, weil die Mordmerkmale nicht hinreichend belegt worden seien. Im September 2012 wurde das Verfahren auf Revision des Angeklagten neu aufgerollt — vor dem Düsseldorfer Landgericht.
Im Januar dieses Jahres wurde der inzwischen 22-jährige Roberto S. wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu nur noch fünf Jahren Haft verurteilt. Das Gericht vermochte keine eindeutigen Hinweise auf Heimtücke erkennen. Michael Frehn sieht es bis heute so: "Ich war mit dem Einbrecher beschäftigt. Ich war arglos. Das war Heimtücke."

Dass Roberto S. angeblich nicht mit Schuhen zugetreten habe, sondern mit Socken, spielte in dem Verfahren eine große Rolle. "Dabei ist das doch absolut unwichtig", sagt Michael Frehn. "Wenn ich mit einem Baseball-Schläger zuschlage, über den ich vorher eine Tüte gestülpt habe, ist die Wirkung identisch." Auch Jessica Frehn hat sich über die stundenlangen Schuh-Strumpf-Debatten geärgert. Auch die Reduzierung des Strafmaßes kann sie nicht nachvollziehen. "Die Staatsanwältin war bei beiden Verfahren die gleiche", sagt Jessica Frehn. In Mönchengladbach wurde das Erwachsenenstrafrecht zugrunde gelegt, in Düsseldorf das Jugendstrafrecht." Michael Frehn will aber auf keinen Fall in Revision gehen. "Jetzt ist mal genug", sagt er. "Das Verfahren ist für mich abgeschlossen."

Schon elf Wochen nach dem schrecklichen Vorfall nahm Michael Frehn seine Arbeit wieder auf. "Mein Mann ist unheimlich stark", sagt Jessica Frehn. Und er sagt: "Nach einem solchen Vorfall Angst zu haben und den Job als Polizist aufzugeben — das wäre auch legitim gewesen. Aber ich wollte zurück auf die Straße." Trost und Rückhalt haben die Frehns von Kollegen und der Familie erhalten. "Die haben alle bedingungslos zu uns gestanden. Die Familie ist noch näher zusammengerückt."

Seine Frau Jessica hat den Schrecken noch nicht verarbeitet. Immer wieder füllen sich ihre Augen mit Tränen, wenn sie über die furchtbare Nacht und die Folgen spricht. Auch die beiden Töchter und der Sohn haben unglaublich gelitten: "Für sie ist eine Welt zusammengebrochen. Sie hatten ihren Vater immer für unantastbar gehalten", sagt sie.

Das Gericht hatte Michael Frehn 25 000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. Das Geld wird er wohl nie erhalten. "Bei Roberto S. ist nichts zu holen, und das wird auch immer so bleiben", sagt der Hauptkommissar. Wichtiger wäre ihm ohnehin eine ehrliche Entschuldigung des Täters gewesen.

(RP/rl/top)
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