Interview mit Max Reiners Ohne soziales Engagement geht es nicht
Mönchengladbach · Der Inhaber von Rhenus Lub und Enkel von Konrad Adenauer, Max Reiners, spricht über den runden Geburtstag der Firma, Angela Merkel, die Sparbemühungen der Stadt – und sagt, warum der Begriff Familienunternehmen anders als früher ein Gütesiegel ist.

130 Jahre Rhenus Lub in Mönchengladbach
Der Inhaber von Rhenus Lub und Enkel von Konrad Adenauer, Max Reiners, spricht über den runden Geburtstag der Firma, Angela Merkel, die Sparbemühungen der Stadt — und sagt, warum der Begriff Familienunternehmen anders als früher ein Gütesiegel ist.
Herr Reiners, am Wochenende wurde bei Rhenus Lub ein großes Familienfest gefeiert. Aus zwei Anlässen: Ihrem 60. Geburtstag und dem 130-jährigen Bestehen der Firma. Ist das ein gutes Beispiel dafür, was ein Familienunternehmen ausmacht?
Reiners Ja. Wir haben das Fest ganz bewusst Familienfest genannt. Wir sprechen von der Rhenus-Lub-Familie, weil wir in guten wie in schlechten Zeiten zusammenhalten. Wir haben uns schon immer als Familienunternehmen gesehen, auch wenn dieser Begriff fast verpönt war, bevor er im Zuge der Wirtschaftskrise zu einem Gütesiegel wurde. Ein Kunde von uns sagte einmal: "Ihr Tun ist nicht dem Quartalsergebnis geschuldet, sondern dem Erfolg der Kunden." Besser könnte ich es nicht ausdrücken.
Welche Chancen und Risiken birgt eine solche Form der Unternehmensführung?
Reiners Es überwiegen die Chancen. Es gibt weniger Fluktuation unter den Mitarbeitern, diese sind motivierter und übernehmen mehr Verantwortung als in Großkonzernen. Das wiederum liegt aber auch nicht jedem. Familienunternehmen, das bedeutet auch, mit Kunden langfristig zusammenzuarbeiten, was man sich in Großkonzernen oft wünschen würde — und andere Mittelständler fühlen sich bei uns wohler als dort. Schon unser Umfeld ist netter. Schauen Sie sich mal unsere neu gestalteten Gebäude im Grünen an und vergleichen Sie das mit ThyssenKrupp in Duisburg. Zusammengefasst lässt sich sagen: Man bekommt und hält gute Mitarbeiter bei einem Familienunternehmen leichter.
Wie genau gelingt das — hoch qualifizierte Mitarbeiter nach Mönchengladbach zu holen?
Reiners Als ich 1989 bei Rhenus Lub anfing, war das schwierig. Heute nicht mehr — wir genießen einen exzellenten Ruf in der Branche. Wir holen immer wieder Fachleute von großen Konzernen — unser neuer Einkaufsleiter etwa kommt von BASF zu uns. Auf der anderen Seite muss eine Station bei uns mit Blick auf die Karrierechancen nicht der Endpunkt sein. Immer wieder werden von Rhenus Lub Experten abgeworben, aber ich sehe das als Kompliment an. Und was den Standort angeht: Ich finde, in Gladbach und im Umland bis nach Düsseldorf lässt es sich prima wohnen.
In welchen Endprodukten sind eigentlich Ihre Schmierstoffe und Fette drin?
Reiners Vereinfacht könnte man sagen: Überall dort, wo sich zwei Komponenten gegeneinander bewegen, gibt es auch Schmierfett. Die Palette reicht von Uhren über elektrische Zahnbürsten bis hin zu Prothesen und Stahlwerken. Wir haben insgesamt rund 250 Rezepturen und eine Million Artikel im Angebot.
Wie wichtig sind Innovationen?
Reiners Überlebenswichtig. 20 Prozent unserer Mitarbeiter arbeiten in der Entwicklung. Teils müssen wir auf widersprüchliche Anforderungen reagieren: etwa bei Fensterhebern, wenn der Schmierstoff gleichzeitig schmieren und bremsen soll. Uns ist es als einzigem deutschen Unternehmen gelungen, auf diese Anforderung des Kunden einzugehen. Im Übrigen versuchen wir stets, nicht zu sehr mit der Branche zu schwimmen, sondern uns Impulse auch aus ganz anderen Bereichen zu holen.
Wie viel gelingt, wie viel geht schief?
Reiners Entwicklung ist stets eine Evolution, man tastet sich Stück für Stück heran. Aber die Zahl absoluter Flops ist sicherlich sehr gering.
Welche Bedeutung hat der Export für Rhenus Lub?
Reiners Er macht ungefähr ein Drittel unseres Geschäfts aus. Als ich 1989 ins Unternehmen kam, gab es genau einen internationalen Kunden — und der saß in Südtirol und sprach Deutsch. Danach gingen wir überall hin, wo sich Chancen ergaben, etwa nach China, und holten uns auch immer mal wieder eine blutige Nase. Aktuell konzentrieren wir uns bewusst wieder auf Europa. Der Kunde erwartet nicht nur, dass wir zu ihm kommen. Eine gute Beratung vor Ort ist Teil der Wertschöpfungskette und muss fortwährend nah am Kunden sein. Und das gewährleisten wir innerhalb Europas über unsere Tochtergesellschaften in Frankreich, Spanien und den Niederlanden sowie über unsere internationalen Partner.
Macht Ihnen die Krise Sorgen? Gerade Spanien ist derzeit ja ein schwieriger Markt geworden.
Reiners Ja, in Spanien spüren wir die Auswirkungen deutlich. Dort haben wir gerade eine Offensive gestartet, um systematisch neue Kunden zu akquirieren. Wir engagieren uns von Spanien aus auch ein wenig in Chile, um die Beschäftigung zu sichern. Denn wir haben ebenfalls vor kurzem beschlossen, alle Mitarbeiter in Spanien halten zu wollen, solange es irgend geht. Zum einen aus der menschlichen Verpflichtung heraus. Aber natürlich auch, weil wir ihr Know-how unbedingt im Unternehmen halten wollen.
Wie wichtig ist für die Außendarstellung von Rhenus Lub der Wissenstransfer in die und aus der Wissenschaft? Zuletzt referierte ein Mitarbeiter beim Fraunhofer-Institut.
Reiners Wir machen das immer wieder, aber nicht aus PR-Gründen. Natürlich zeigen wir durch eine solche Offenheit den Kunden, dass Öle und Fette keine schwarze Magie sind. Aber wir haben in erster Linie einen konkreten technologischen Nutzen, weil wir frühzeitig erfahren, wohin die Trends gehen. Und wir können durch Kooperationen, etwa mit der RWTH Aachen, Untersuchungen durchführen, die in Mönchengladbach so nicht möglich wären.
Rhenus Lub ist kontinuierlich gewachsen. Wachstum ist für Mittelständler aber auch immer gewissen Grenzen unterworfen. Wo sehen Sie Ihr Unternehmen in fünf bis zehn Jahren?
Reiners Es gibt zwei große Aufgaben. Zum einen wollen wir die Internationalisierung systematisch weiterverfolgen, wobei wir uns speziell Polen und die Türkei vorgenommen haben. Zum anderen stehen wir vor der Frage, wie wir unsere Ölfabrik auf den modernsten Stand bringen. Bei unserer Fettfabrik ist das bereits der Fall, die Ölfabrik hingegen stammt aus dem Jahr 1976. Neubau oder Modernisierung, das ist die Frage. Zumal das Ganze ja bei laufendem Betrieb stattfinden muss.
Kann man eine Stadt wie ein Unternehmen führen — und geschieht das?
Reiners (lacht) Ja — und nein. Ein Unternehmen würde sicher keine neue Bibliothek bauen wollen, wenn man es sich nicht einmal leisten kann, Schlaglöcher zu reparieren. Ohne mich einmischen zu wollen, glaube ich, dass es bei der Stadt noch eine Menge Sparpotenzial gibt, auch auf der Ausgabenseite. Im Übrigen gilt für Kunden von Unternehmen wie auch für Bürger einer Stadt: Preiserhöhungen akzeptiert man nur dann, wenn im Gegenzug die Leistungen steigen.
Ein konkretes Beispiel: Die Stadt will die Straßenbeleuchtung nachts abschalten, weil sich das irgendwann in acht Jahren einmal amortisiert.
Reiners Aus Sicht eines familiengeführten Mittelständlers macht das durchaus Sinn. Weil wir nachhaltiger denken, als es in Großkonzernen oftmals der Fall ist. Wenn der Vorstand alle drei Jahre wechselt, liegt es einfach näher, auf kurzfristige Resultate zu schielen als darauf, was man seinem Nachfolger hinterlässt.
Als Enkel von Konrad Adenauer: Wie zufrieden sind Sie mit der Politik von Angela Merkel?
Reiners Ich würde mir da oftmals mehr Kontinuität und Weitsicht wünschen. Es scheint viel nach den letzten Umfragen entschieden zu werden, man tut das, was gerade opportun ist. Man sollte vielleicht lieber auch einmal eine unpopuläre Entscheidung treffen — und Werte bewahren.
Sie selber engagieren sich sehr in der Stadt, etwa im Initiativkreis und beim Masterplan.
Reiners Beim Masterplan waren wir sogar die Ersten, die ihre Beteiligung zugesagt haben, deswegen steht unser Logo ganz oben (lacht). Wissen Sie, es ist so: Die Stadt gibt uns den Rahmen für unsere Tätigkeiten — da muss man einfach auch etwas zurückgeben. Ohne soziales Engagement geht es nicht. Und wir als Rhenus Lub können es uns leisten — ebenso wie andere Unternehmen —, uns an ausgewählten Punkten einzubringen. Im Übrigen finde ich, dass es wenige Städte in der Umgebung gibt, in denen sich Bürger und Unternehmer so stark engagieren.
Sie wollten damals mit der "Initiative Borussia" die Strukturen des Vereins verändern. Sind Sie zufrieden mit der Entwicklung, die er genommen hat?
Reiners Ja, sehr. Mein Anliegen damals war es, Borussia als Imageträger dieser Stadt nach vorne zu bringen. Und das ist in der Zwischenzeit absolut erreicht worden.
RALF JÜNGERMANN UND JAN SCHNETTLER FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.