Mönchengladbach Nu(h)r ein Traum? Für 2000 wurde er wahr

Mönchengladbach · Nicht grübeln, sondern positiv durchs Leben gehen – das war die Botschaft von Dieter Nuhr bei seinem Programm im Kunstwerk.

Nicht grübeln, sondern positiv durchs Leben gehen — das war die Botschaft von Dieter Nuhr bei seinem Programm im Kunstwerk.

Er kam in T-Shirt, mit iPad, aber ohne Bühnenbild. Das solle sich jeder selber vorstellen, empfahl Nuhr den Besuchern. Schließlich spiele sich alles im Kopf ab — das Leben sei eben "Nu(h)r" ein Traum.

In bewährter Wortspielerei weiß der Kabarettist seinen Namen mit dem Bühnenprogramm zu verbinden. Mit "Nu(h)r ein Traum" begeisterte er an zwei Abenden das Publikum im jeweils ausverkauften Kunstwerk in Wickrath. "Ist die Welt heute nicht ein Irrenhaus?", fragte Nuhr und hatte direkt einen Trost parat: "Es wird ein therapeutischer Abend, alle gehen kuriert nach Hause." Sein Rezept: Positives Denken. Aber das treiben wir schon unseren Kindern aus. "Wir erzählen, dass ihnen die Welt offen steht, um ihnen anschließend einzubläuen, dass die Welt am Ende ist." Deshalb malen Kinder nur noch tote Bäume.

Ein Dauerbrenner in Nuhrs Bühnenprogrammen sind die Religionen. Der Lahme, den Jesus zum Gehen brachte, war gar nicht lahm, sondern blind. "Wunder gibt es also nicht", resümierte er. Wer nicht enttäuscht werden wolle, der solle seine Erwartungen runterschrauben. Da hält er es mit der Bescheidenheit des Mallorca-Sängers Mickie Krause. Der ist mit zehn nackten Frisösen zufrieden. Das sind 620 Prozent weniger als die 72 Jungfrauen, die islamische Fundamentalisten versprechen. Apropos Bescheidenheit: Er habe sich um die Stelle des Papstes beworben, erzählte der Komiker. Er wäre durchaus mit dem Posten eines Stellvertreters auf Erden zufrieden gewesen. Die Stelle von Gott selbst war ja nicht ausgeschrieben.

Dann bekommen alle ihr Fett weg: die Frauen, die sich das Nervengift Botox ins Gesicht spritzen lassen, um sich anschließend über Schadstoffe im Gemüse aufzuregen. Die Grünen, die für Nuhr die Spießer 2.0 geworden sind, weil sie gegen alles wettern, was Spaß macht: Nachtangeln zum Beispiel. Die Vegetarier, denen er zu bedenken gibt, dass das Huhn ohne die Perspektive des Gegessenwerdens gar nicht erst gelebt hätte.

Sein iPad irritierte ein wenig. Teils schien Nuhr davon abzulesen, teils nahm er damit Apps und das Internet aufs Korn. "Wie kam man früher ohne Wasserwaage im Handy aus?", fragte er. Ein Alptraum sei für ihn, was man bei Amazon alles über ihn wisse. Deshalb bestellt er immer zehn Bücher gleichzeitig. So erfährt niemand, was er tatsächlich liest. Dabei steht er technischem Fortschritt durchaus positiv gegenüber, besonders beim Auto. "Bald gibt es ein MVS, ein 'Mother-Visiting-System'", erläuterte er. Da fährt der Wagen alleine zur Mutter, ohne dass man selber mitfahren muss.

War das alles nur ein Traum? Nein, beste Unterhaltung für jeweils fast 1200 Besucher auf dem hohen Niveau eines preisgekrönten Künstlers: frech, witzig, sympathisch. Und mit einem deutlich flotteren zweiten Teil nach der Pause.

(drlp)
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