Interview mit Stefan Lamertz Noch ist Gladbach keine echte Sportstadt

Mönchengladbach · 20 Prozent der Mönchengladbacher machen Sport im Verein. Dennoch ist noch viel zu tun. Stadtsportbund-Geschäftsführer Stefan Lamertz äußert seine Erwartungen an Wolfgang Rombey und sagt, wo der Sport noch besser werden kann.

 Stefan Lamertz ist beim Stadtsportbund Geschäftsführer für Sportentwicklung. Er sagt im RP-Interview, wo die Stadt schon richtig gut ist und wo noch Verbesserungsbedarf besteht.

Stefan Lamertz ist beim Stadtsportbund Geschäftsführer für Sportentwicklung. Er sagt im RP-Interview, wo die Stadt schon richtig gut ist und wo noch Verbesserungsbedarf besteht.

Foto: Wiechmann

Herr Lamertz, wie ist das Jahr 2013 aus Sicht des Stadtsportbundes gelaufen?

Lamertz Alles in allem ist die Bilanz positiv. Wir haben leicht steigende Mitgliederzahlen, 20 Prozent der Mönchengladbacher Bürger machen Sport im Verein, das ist eine gute Quote. Wichtig war natürlich die Mitgliederversammlung, in der wir personell und strukturell Weichen gestellt haben. Aber auch in den Vereinen hat sich viel bewegt. Gerade der Sport im offenen Ganztag ist ein großes Thema, mit dem sich die Vereine inzwischen mehr beschäftigen. Es gibt nun entsprechende Angebote, zudem gehen Übungsleiter in die Schulen. Das sind gute Signale. Was den Vereinen nicht gefällt, ist natürlich die Sportstättennutzungsgebühr. Doch dies schien unvermeidlich. Es gab dazu Gespräche mit unserem Präsidenten und Sportdezernent Dr. Gert Fischer, und die bisherigen Ergebnisse sind, wie ich finde, unter den gegebenen Umständen in Ordnung.

Warum?

Lamertz Kinder- und Jugendsport können weiter gebührenfreie Sportstätten nutzen. Das war uns und der Verwaltung wichtig. Wir haben natürlich grundsätzlich eine Kostenbeteiligung der Vereine abgelehnt, aber da waren wir ohne Chance. Man muss realistisch bleiben. Wir haben 30 Jahre lang mit unserer Arbeit dafür gesorgt, dass es diese Gebühren nicht gab. Schon das ist ein Erfolg.

Wie steht es mit den Angeboten zur Aus- und Weiterbildung?

Lamertz Da haben wir uns auf hohem Niveau stabilisiert. Wir werden aber unsere Angebote zum Vereinsmanagement ausweiten. Steuerrecht und Öffentlichkeitsarbeit sind zum Beispiel wichtige Themen, zu denen wir 2014 mehr Seminare anbieten werden.

Gibt es weiter Trends?

Lamertz Das sind vor allem Angebote im Bereich Prävention, die wir in unserem Programm installieren werden. Bis 2012 waren wir angeschlossen an das Qualifizierungszentrum Neuss, das ist weggefallen. So nutzen wir jetzt die Chance, das selbst anzubieten. Susanne Püllen ist unsere Fachkraft mit dem Schwerpunkt Sport und Gesundheit, sie wird entsprechende Schwerpunkte setzen. Ansonsten werden wir stabil bleiben, was unsere Angebote für Kinder angeht. Wichtig ist, Übungsleiter für den Ganztag fit zu machen.

Wie sind die Vereine im Bereich Gesundheitssport aufgestellt. Was das angeht, gibt es eine große Nachfrage.

Lamertz Die Vereine machen Angebote. Grundsätzlich sind Vereine prädestiniert dafür. Sie tragen zum Wohlbefinden nicht nur durch das sportliche Angebot bei, sondern auch durch die sozialen Kontakte. Allerdings gibt es noch ein großes Entwicklungspotenzial. Man muss das nötige Bewusstsein für den Wert der Vereine in der Bevölkerung schärfen. Das ist auch unsere Aufgabe als Stadtsportbund.

Sie haben die personellen Veränderungen im Stadtsportbund schon angesprochen. Wolfgang Rombey hat Beate Fränken als Vize-Präsident abgelöst. Er wird bald seine Arbeit konkret aufnehmen. Was versprechen Sie sich davon?

Lamertz Wolfgang Rombey hat einen klaren Auftrag — und ich denke, er ist genau die richtige Besetzung dafür. Er soll den Stadtsportbund strukturell für die Zukunft ausrichten. Er wird der noch einzurichtenden Arbeitsgruppe vorstehen, die entsprechende Maßnahmen ergreifen soll. Wolfgang Rombey hat eine ruhige und sachliche Art, die uns helfen wird. Er hat durch seine Vita wichtige Kontakte und kennt die Arbeitsweise der Verwaltung und von Gremien. Er ist der richtige Mann, um Veränderungen anzustoßen.

Der Präsident des Stadtsportbundes, Bert Gerkens, gehört neuerdings nicht mehr dem Präsidium des Bildungswerkes des Landessportbundes an. Was beutete das für den Stadtsportbund?

Lamertz Das ist richtig. Damit ist für den Stadtsportbund Mönchengladbach eine direkte Einflussnahme im Bildungswerk des Landessportbundes nicht mehr möglich. Das ist natürlich ein Nachteil. Wichtig ist, dass unsere Arbeit nicht darunter leidet. Das darf nicht passieren.

Im Zuge des Sportstättenentwicklungsplans, den die Verwaltung vorgelegt hat, gibt es auch demografische Prognosen zur Entwicklung im Sport. Demnach fallen bis 2025 über 4000 Sportler weg. Der Stadtsportbund hat diesbezüglich allerdings andere Zahlen genannt.

Lamertz Die in demografischen Statistiken genannten Tendenzen beruhen auf bestimmten Daten — und die sind je nach Erhebung sehr unterschiedlich. Deswegen hat die Verwaltung andere Zahlen als wir. Ich glaube auch, dass man die Perspektive verändern muss und nicht nur auf die Prognosen schauen darf, sondern auf den Bestand. Wir haben, exklusive der 60 000 Borussen-Mitglieder, 50 000 Aktive, die im Stadtsportbund organisiert sind. Mönchengladbach hat rund 260 000 Einwohner — daraus ergibt sich für mich ein Entwicklungspotenzial von mehr als 200 000 Menschen, die wir noch für den Sport im Verein begeistern können. 45 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in der Stadt sind im Verein, die restlichen 55 Prozent können wir theoretisch noch rekrutieren. Entscheidend ist die Qualität des Angebots. Je besser es ist, desto mehr werden die Vereine frequentiert. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir die Kinder und Jugendlichen vom Fernseher und vom Laptop auf den Sportplatz locken.

Aber die Kinder und Jugendlichen sind durch längere Schulzeiten belastet. Da bleibt oft keine Zeit für Sport im Verein.

Lamertz Darum ist es wichtig, die Zusammenarbeit der Schulen mit den Vereinen zu stärken. Da müssen wir weiter Ideen entwickeln — zusammen mit den Schulen und mit der Verwaltung. Das gilt grundsätzlich. Wir müssen alle verstärkt zusammenarbeiten: die Vereine, der Stadtsportbund, das Schul- und Sportamt und die Politik. Generell ist die Zusammenarbeit gut — aber man kann immer etwas verbessern. Es gilt immer, realistisch zu sein und abzuwägen, dann wird man immer einen guten und vernünftigen Konsens finden.

Wie wichtig sind außergewöhnliche Events wie der WM-Kampf von Ina Menzer, die die DM-Endrunde, die der 1. Judo-Club Mönchengladbach ausgerichtet hat, die Deutsche Seniorenmeisterschaft der Leichtathleten im Grenzland, die U21-Juniorinnen-WM im Hockeypark und natürlich Borussias Europapokal-Teilnahme für den Sport in der Stadt?

Lamertz Das sind auf jeden Fall wichtige Highlights, die das Interesse an den Sportarten spürbar steigern. Das macht sich auch in Zahlen im Amateur- und Breitensport bemerkbar. Erfolge sind auch immer Zugpferde. Das sehen wir beispielsweise bei den Faustkämpfern, die durch Ina Menzer einen wichtigen Werbefaktor haben. Für den 1. Judo-Club sind Andreas Tölzer und Marc Odenthal wichtig. Enorm ist auch, wie die Schwimmer durch die Startgemeinschaft die Qualität gesteigert haben. Dieses Modell könnte auch Vorbildcharakter für andere Sportarten wie zum Beispiel die Leichtathletik haben. Wir haben tolle Sportler in der Stadt — das müssen wir nutzen.

Ist Mönchengladbach eine Sportstadt?

Lamertz Der Sport in unserer Stadt ist gut aufgestellt. Aber eine echte Sportstadt ist Mönchengladbach noch nicht. Es gibt viele gute Ansätze, die aber noch ausgebaut werden müssen.

KARSTEN KELLERMANN SPRACH MIT STEFAN LAMERTZ. DIESER IST GESCHÄFTSFÜHRER SPORTENTWICKLUNG BEIM STADTSPORTBUND

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort