Mönchengladbach Nikolaus trauert um historisches Kostüm

Mönchengladbach · Schon in den 1920er Jahren soll der Nikolaus in Odenkirchen das Kostüm getragen haben, mit dem Günter vom Dorp seit Jahrzehnten Kinderaugen zum Leuchten bringt. Beim Christkindlmarkt am Samstag wurde das gute Stück entwendet.

 Günter vom Dorp

Günter vom Dorp

Foto: WDR/Martin Eggert

Auf einem Trödelmarkt in Rheydt wurde Günter vom Dorp zu einem Nachfolger des Heiligen Nikolaus berufen. "Irgendwann Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre muss das gewesen sein", sagt er. Stattliche 100 Mark zahlte er damals für das Kostüm, das aus einem alten Koffer hervorlugte und ihn sofort faszinierte. "Es war von Hand gearbeitet", sagt der 63-Jährige.

"Ein Prachtstück." Rund einhundertmal sei er damit in den vergangenen 30 Jahren aufgetreten, schätzt vom Dorp. Zuerst für seinen Sohn, dann auch für dessen Schwesterchen, später auch bei Freunden, und schließlich in diversen Krankenhäusern, Kindergärten, Schulen und Vereinen. Seine launigen Auftritte blieben vielen im Gedächtnis — auch wegen des imposanten Kostüms.

Doch das ist nun verschwunden. Vielleicht durch ein Missverständnis, wahrscheinlich aber geklaut beim Christkindlmarkt am Samstag.

Vom Dorp ist oder war schon Außenhandelskaufmann, Veranstaltungsmanager, Tanzlehrer, Choreograph, Werbetexter, Journalist, Moderator (etwa bei WDR 2 und WDR 4) sowie Frontmann der Sechziger-Jahre-Band "Fun" — doch den Heiligen Nikolaus zu spielen, hat auf ihn eine ganz besondere, anhaltende Faszination ausgeübt. Auch wegen des Kostüms. "Das war mehr als nur ein Mantel", sagt vom Dorp und schwärmt von dem bodenlangen roten Umhang aus Samt, der innen mit einem Hermelinpelz-Imitat ausgeschlagen ist. Den weißen Unterkleidern mit feiner Spitze. Den warmen Stulpen und Handschuhen. "Eine Viertelstunde habe ich bestimmt gebraucht, um es anzuziehen; ohne Helfer ging es überhaupt nicht."

Nicht ein einziges Mal hatte er es bis vor einer Woche übers Herz gebracht, das Kostüm zu verleihen. Aus Angst, dass es verloren gehen könnte. Und damit die Erinnerungen. Nicht nur seine eigenen. Den Vorbesitzern zufolge stammt das Kostüm aus den 1920er Jahren. Schon lange vor dem Zweiten Weltkrieg soll es in Odenkirchen sowohl vom Nikolaus als auch von St. Martin getragen worden sein. "Viele Anekdoten ranken sich darum", sagt vom Dorp lachend. "Einmal soll St. Martin damit sogar in der Niers gelandet sein."

Auch beim diesjährigen Christkindlmarkt hätte vom Dorp gern wieder mit tiefer Stimme einige Worte an die Kinder gerichtet, ihre Eltern ins Gebet genommen und ein Erinnerungsfoto gemacht — gegen eine Spende für den guten Zweck, wie schon in den vergangenen Jahren. Weil er selbst beruflich verhindert war, verlieh er das Kostüm ausnahmsweise doch. "Mir war es schon fast peinlich, wie oft ich Michael Obst vom Presseverein gebeten habe, darauf aufzupassen."

Irgendwie passierte es dann, im Gewusel des Abbaus nach 17 Uhr auf dem Kapuzinermarkt. "Ersatz-Nikolaus" Peter Jaspers hatte sich umgezogen, das Kostüm in einem schwarzen Kleidersack mit Sichtfenster verstaut und ins Gestänge des Fotozelts gehängt, wo zuvor rund 100 Kinder, Familien und auch OB Bude samt Lebensgefährtin ein Erinnerungsfoto gemacht hatten. Von dort verschwand es dann.

"Ich bin unsäglich traurig", sagt Michael Obst, der Vorsitzende des Pressevereins. "Für uns alle ist das wie ein Schlag in die Magengrube. Niemand wäre je auf die Idee gekommen, dass beim Christkindlmarkt etwas wegkommen könnte. Und dann ausgerechnet dieses einzigartige Kostüm, an dem Günter so hängt..."

Vom Dorp will keine Anzeige erstatten — er hofft noch, dass das Kostüm nur durch ein Missverständnis verschwand: "Vielleicht hat es beim Abbauen jemand irrtümlich eingepackt." Deshalb bittet er alle am Christkindlmarkt Beteiligten: "Bitte schaut in euren Kellern oder auf dem Dachboden nach!" Für den Fall, dass das Kostüm geklaut worden sein sollte, warnt er den Täter: "Jeder wird das Kostüm erkennen — wer damit auftaucht, ist sofort ertappt. Eigentlich kann man es nur wegschmeißen. Das wäre aber ein Jammer."

Umso eindringlicher appelliert er den Unbekannten, das gute Stück zurückzugeben — gerne auch anonym — zum Beispiel beim Presseverein oder in der RP-Redaktion in der Lüpertzender Straße 161. Auch über jeden Hinweis freut sich der Wegberger unter 02434 928820.

"Die Hoffnung stirbt zuletzt" — darin ist sich Michael Obst mit Günter vom Dorp einig. An einem Plan B arbeitet Obst dennoch: "Wir sind doch eine Textilstadt mit Maßateliers, einer Hochschule und Theatergarderobe. Es wäre doch gelacht, wenn wir niemanden fänden, der uns nach den Fotos einen fast gleichwertigen Ersatz schneidern könnte, das Günter dann zurückbekommt."

Falls das Original nicht wieder auftaucht, wäre aber auch ein Stückchen Gladbacher Geschichte verloren. Und zumindest für einen käme diese Lösung definitiv zu spät: "Am Sonntag erwartet mein vierjähriger Enkel Julian Besuch vom Nikolaus", sagt vom Dorp. "Wie soll ich ihm nun vor die Augen treten?"

(RP)
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