Mönchengladbach Netzwerk bietet Berufstätigen Hilfe bei Pflege von Angehörigen

Mönchengladbach · "Pflegend Beschäftigte" heißt ein Projekt, das Arbeitnehmer, die Angehörige pflegen, berät und unterstützt. Die Zahl der privat Pflegenden ist größer, als bisher angenommen.

 Irmhild Köntges arbeitet bei Beyers - und pflegte nebenbei ihre Mutter. Dank der Hilfe von Petra Sieben und Andrea Lameck vom Netzwerk Pflegend Beschäftigte konnte sie die Situation meistern. Jan Renker ist daher vom Projekt überzeugt.

Irmhild Köntges arbeitet bei Beyers - und pflegte nebenbei ihre Mutter. Dank der Hilfe von Petra Sieben und Andrea Lameck vom Netzwerk Pflegend Beschäftigte konnte sie die Situation meistern. Jan Renker ist daher vom Projekt überzeugt.

Foto: Raupold, Isabella

"Engel Sieben" nennt Irmhild Köntges Petra Sieben gern und oft. "Ohne ihre Hilfe wäre auch ich krank geworden", sagt sie. "Irgendwann kommt man an einen Punkt, dann kann man nicht mehr weiter." Irmhild Köntges hat ihre 81-jährige Mutter gepflegt. Petra Sieben, Pflegeberaterin beim Netzwerk Pflegend Beschäftigte, hat sie bei Fragen beraten und ihr geholfen, wenn sie nicht mehr weiter konnte.

Irmhild Köntges arbeitet bei Beyers, einem Dienstleister für elektronische Produkte in Mönchengladbach. Beyers wiederum ist Partner im Netzwerk Pflegend Beschäftigte — ein Glück für Irmhild Köntges, die so Kontakt zu Petra Sieben bekam. Das Netzwerk Pflegend Beschäftigte ist ein vom Land und der EU gefördertes Pilotprojekt, das dazu beitragen soll, Pflege und Beruf unter einen Hut zu bekommen.

"Das Netzwerk soll Mitarbeitern kleiner und mittlerer Unternehmen den Zugang zu Beratungsleistungen bei der Pflege von Angehörigen erleichtern", erläutert Projektkoordinatorin Andrea Lameck. Zum Angebot gehören unter anderem Sprechstunden in den Partnerunternehmen, bei denen die Mitarbeiter auch ohne vorherige Anmeldung beraten werden.

Das Unternehmen Beyers ist vom Sinn des Netzwerkes überzeugt. "Wir sind ein Familienunternehmen, und für uns ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, also auch die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf, wichtig", erklärt Dr. Jan Renker, Assistent der Geschäftsführung, die Motivation von Beyers.

Das Thema Pflege sei immer noch ein Tabu-Thema, kaum jemand spreche darüber. Dabei sind mehr als 15 Prozent der Beschäftigten in Gladbach betroffen. Diese Zahl ergab eine Mitarbeiter-Befragung, die das Netzwerk durchgeführt hat. "Die Bundesregierung geht von zehn Prozent aus, aber die Zahl scheint deutlich höher zu liegen", sagt Andrea Lameck. Grund genug, den pflegend Beschäftigten mehr Aufmerksamkeit, Hilfe und Entlastung zukommen zu lassen.

Irmhild Köntges hat sich neben ihrer Berufstätigkeit erst um beide Eltern, dann um ihre Mutter gekümmert, die in einer eigenen Wohnung in der Nähe lebte. "Es war ein schleichender Prozess", sagt sie. "Sie konnte sich in ihrer Wohnung bewegen, brauchte aber immer mehr Hilfe, zu Anfang beim Einkaufen, später auch beim Baden, Aufstehen oder Anziehen." Die Mutter hat zwei künstliche Hüften, ist Diabetikerin und leidet häufig unter Schwindel. Immer wieder stürzt sie, hält das aber oft vor ihrer Tochter geheim, um sie nicht zu belasten. "Sie ist einmal zwei Wochen mit einer gebrochenen Hand herumgelaufen", erzählt Irmhild Köntges.

Ihre Tochter versucht, die Hilfe allein zu bewerkstelligen und arbeitet nur noch in Nachtschichten. Die Belastung wächst ständig, bald kann sie nicht mehr schlafen. Die Krankenkasse jedoch lehnt eine Pflegestufe für die Mutter immer wieder ab. In dieser Situation kommt Petra Sieben ins Spiel. "Wir haben beim Erstgespräch die Situation besprochen", sagt die Pflegeberaterin. Sie habe dann festgestellt, dass Irmhild Köntges´ Mutter pflegebedürftig sei und einen vollstationären Pflegeplatz benötige.

Wieder wurde eine Begutachtung angesetzt, wieder wurde der Antrag abgelehnt, aber diesmal blieb es nicht dabei. Die Pflegeberaterin legte Widerspruch ein und setzte schließlich die Unterbringung durch. Für die Beantragung von Unterstützungsleistungen rüstete sie Irmhild Köntges mit einer Liste aus, so dass diese alle benötigten Unterlagen dabei hatte. Und plötzlich wurde alles viel einfacher für die pflegende Tochter. "Die Energie, die in die Bewältigung der bürokratischen Anforderungen fließt, frisst die Pflegenden auf", weiß Petra Sieben. Ohne Beratung gehen die Einzelnen unter. Das Netzwerk Pflegend Beschäftigte scheint auf dem richtigen Weg zu sein, wenn es die Beratung in die Betriebe bringt. 30 Unternehmen mit 11 500 Beschäftigten im Bereich Mönchengladbach gehören ihm bereits an.

(RP)
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