Mönchengladbach Närrischer Maulkorb für Lüpertz

Mönchengladbach · Die Karnevalisten aus Gladbach, Düsseldorf und Neuss haben am Montagabend den Maler und Bildhauer ausgezeichnet – weil dieser dafür bekannt ist, Klartext zu sprechen. Da überraschte es wenig, dass der Rheydter mit Kritik an seiner Heimat nicht sparte. Doch er fand auch warme Worte.

 So sehen Sieger aus: Markus Lüpertz reckt den "Närrischen Maulkorb" in die Höhe, den ihm kurz zuvor die niederrheinischen Karnevalsbosse Bernd Gothe (li., Mönchengladbach), Josef Hinkel (re., Düsseldorf) und Jakob Beyen (Neuss) im Haus Erholung überreicht haben.

So sehen Sieger aus: Markus Lüpertz reckt den "Närrischen Maulkorb" in die Höhe, den ihm kurz zuvor die niederrheinischen Karnevalsbosse Bernd Gothe (li., Mönchengladbach), Josef Hinkel (re., Düsseldorf) und Jakob Beyen (Neuss) im Haus Erholung überreicht haben.

Foto: Detlef Ilgner

Die Karnevalisten aus Gladbach, Düsseldorf und Neuss haben am Montagabend den Maler und Bildhauer ausgezeichnet — weil dieser dafür bekannt ist, Klartext zu sprechen. Da überraschte es wenig, dass der Rheydter mit Kritik an seiner Heimat nicht sparte. Doch er fand auch warme Worte.

Der Maulkorb, so definiert es § 5 Abs. 2 der Verwaltungsvorschriften zum Landeshundegesetz NRW, dient sinnigerweise dazu, zähnefletschende Zeitgenossen vom Beißen abzuhalten. Eine Befreiung von der geltenden Maulkorbpflicht ist demnach nur möglich, falls der Proband "aufgrund seines individuellen Aggressionsverhaltens keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellt, wenn er von einer bestimmten Person ohne Leine und/oder Maulkorb geführt wird". Wer das im Hinterkopf behält, wird das jecke Joch, das gestern Abend im Haus Erholung ehrenhalber gespannt wurde, unweigerlich als gut platziert empfinden.

Denn dort legten die Narren aus Mönchengladbach, Düsseldorf und Neuss, die mit ihrem Brauchtum nicht zuletzt die straffe öffentliche Ordnung des Preußentums verhohnepipeln, Markus Lüpertz, dem streitbaren, bewusst selbstbewussten und nie um ein bissiges Wort verlegenen Maler und Bildhauer aus Rheydt, den "Närrischen Maulkorb" an. In unregelmäßigen Abständen wird dieser Preis vom Comitee Düsseldorfer Carneval (CC), dem Mönchengladbacher Karnevalsverband (MKV) und dem Karnevalsausschuss (KA) Neuss verliehen, der so genannten Elefantenrunde. 2010 etwa wurde Ex-Ministerpräsident Wolfgang Clement geehrt — weswegen er als Laudator gestern trefflich seinem Nachfolger huldigen durfte.

Ein "freier Geist", "extravaganter Grenzüberschreiter" und "unbequemer An-Ecker" sei der Malerfürst, so Clement, der selbst mit Zoten nicht sparte ("Wenn ich mir die versammelten Prinzen so anschaue, finde ich den Begriff ,Elefantenrunde' ganz passend"). Doch immer wieder streifte der polterige SPD-Rebell auch die vielen Untiefen in Lüpertz' Biografie, die für sich gesehen kurios anmuten — und zusammengenommen wie der Versuch eines übereifrigen Schriftstellers, einen möglichst schillernden Charakter zu erfinden. "Die Kombination aus der Genusssucht des gebürtigen Böhmen und der Lebenslust des Rheinländers war keine Garantie für einen geradlinigen Lebensweg", resümierte Clement über Lüpertz, der in Rheydt aufwuchs. Da war die Lehre als Maler von Weinflaschenetiketten — wegen "mangelnden Talents" abgebrochen. Da war die Flucht aus der französischen Fremdenlegion, der Studentenjob im Kohlenbergbau. Aus diesen Bruchstücken wurde irgendwann einer der bedeutendsten Künstler der Gegenwart.

Und einer, der eben sagt, was er denkt. Mit wohlwollendem Interesse nahm der 70-Jährige den Maulkorb entgegen. "Ich kenne organisierten Karneval nicht und bin erstaunt über die Hingabe, die Erwachsene dafür aufbringen." Und dann plauderte er frisch von der Leber weg über Mönchengladbach, besonders über Rheydt, das er nach wie vor als seine Heimat betrachtet, trotz langer Aufenthalte in Düsseldorf und mittlerweile Berlin. Er sei "tief erschreckt" gewesen, als er in den Stunden vor der Verleihung durch Rheydt spaziert sei, über den Leerstand, über "architektonische Verbrechen". "Mönchengladbach war mir immer unheimlich; ich verbinde mit dieser Stadt eine tiefe Hassliebe", sagte Lüpertz, aber eben auch: "Ich bin nach wie vor in Rheydt gemeldet, ich habe ein Haus hier. Ich bin eigentlich ein Rheydter, zumindest ein Rheinländer." Und dann, ganz Lüpertz: "Am meisten hat mich erstaunt, dass ich so vieles wiedererkannt habe — aber mich niemand erkannt hat."

Für die "Elefantenrunde" war der Abend jedenfalls ein Erfolg. Eine Liveübertragung im WDR und schmeichelnde Worte des früheren Landesvaters ("Köln ist im Vergleich mit dem Dreigestirn Düsseldorf, Mönchengladbach und Neuss Provinz!)" lockten MKV-Boss Bernd Gothe am Ende sogar so weit aus der Reserve, dass der sich, wohl im Überschwang des aktuellen Erfolgs der Borussia, zu folgendem Satz hinreißen ließ: "Wir wünschen Fortuna Düsseldorf den Aufstieg!"

(RP)
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