Mönchengladbach Nach Stoppuhr ins Museum

Mönchengladbach · Alle zwei bis drei Minuten lassen Aufsichtskräfte Besucher ein in den schwarzen Tunnel von Gregor Schneider. Die eingesetzten Ein-Euro-Jobber sorgen dafür, dass nie gleichzeitig mehrere Personen die Skulptur END betreten.

Der finstere Tunnel von Gregor Schneider
22 Bilder

Der finstere Tunnel von Gregor Schneider

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Drei Jugendliche nähern sich der Absperrung. Der große schwarze Tunnel hat sie schon vom Alten Markt aus magisch angezogen. Einer von ihnen macht Anstalten, sich über die Kette zu schwingen. Er möchte sich das Kunstwerk aus nächster Nähe ansehen. Günther Hegewald stellt sich ihm in den Weg. "Aber was ist das denn?", fragt der Jugendliche neugierig.

Geduldig verrät Hegewald: "Das neue Kunstwerk END von Gregor Schneider. Ihr dürft aber nur mit Eintrittskarte rein, und wenn ihr unter 16 seid, nur in Begleitung Erwachsener." Gemurre bei den Schülern. Schnell schiebt Hegewald noch ein entschuldigendes: "Ist halt Vorschrift" hinterher und wendet sich den nächsten Besuchern zu.

Der 48-jährige Hartz-IV-Empfänger Hegewald arbeitet als Ein-Euro-Jobber für das Museum und beaufsichtigt die Begehung durch Kunstinteressierte. Bisher kümmerte er sich um die Beaufsichtigung des Museumsparks. Der Künstler Gregor Schneider legt Wert darauf, dass um eines authentischen Kunsterlebnisses willen Besucher nur einzeln ins "schwarze Museum" eingelassen werden. "Bisher mein schönster Job", verrät Hegewald und ergänzt: "Man lernt dabei viele nette Leute kennen und bekommt mit, was sie über Kunst denken."

Allein im Dunkeln?

Die nächsten Besucher beugen sich neugierig über das Schild. "Sie müssen erst eine Eintrittskarte kaufen, dabei eine Belehrung unterschreiben, Taschen einschließen — und dann können Sie einzeln hinein gehen", spult Hegewald seine Erklärung ab. Renate Helgers bekommt schon jetzt ein beklommenes Gefühl, noch bevor sie einen Fuß auf die Leiter gestellt hat: "Alleine? Im Dunkeln? Was erwartet mich denn da?"

Diese Reaktion kennt die Aufsicht des Kunstwerks, zu dem außer der 70 Meter langen, übereck abknickenden Tunnelröhre auch sechs von Gregor Schneider gestaltete Räume im Museumsinnern gehören, bereits. "Wenn Sie im Dunkeln Angst haben oder unter Platzangst leiden, sollten Sie sich das noch mal überlegen", gibt Hegewald zu bedenken. Ein Blick auf seine Stoppuhr verrät, jetzt kann's weitergehen. Alle zwei bis drei Minuten darf ein Besucher das Kunstwerk begehen.

Wenn nichts los ist, schließt der 48-Jährige die Kette und begibt sich mit seiner Taschenlampe bewaffnet ins Innere des schwarzen Schlunds. "Einfach schauen, ob alles in Ordnung ist und keiner der Besucher auf der Strecke geblieben ist", erklärt Günter Hegewald.

Doch nun dürfen erst einmal Renate Helgers und Ludwig Cremer ins END. "Ich gehe nicht alleine, ich brauche einen Beschützer, das ist mir sonst zu abenteuerlich", erklärt sie lachend. Hegewald wünscht noch viel Spaß und drückt auf die Stoppuhr. "Da bin ich ja mal gespannt", murmelt er. Einige Besucher kommen am Ende der END-Wanderung noch einmal zu ihm zurück, um ihre Eindrücke loszuwerden.

"Wenn sich schon einmal Leute über das Kunstwerk aufregen, sage ich immer, dass ich nicht der Künstler bin und nur meine Arbeit mache", erklärt Hegewald und ergänzt mit flüsternder Stimme: "Ich habe ja wirklich keine Ahnung von Kunst."

(RP)
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