Mönchengladbach Nach 125 Jahren bleibt der Ofen aus

Mönchengladbach · Die Familie von Peter Dreßen blickt auf drei Generationen Bäcker- und Konditorhandwerk in Waldhausen zurück. Doch im Traditionsladen gehen heute die letzten Backwaren über den Tresen. Das Geschäft war zuletzt sehr rückläufig.

 Nach 43 Jahren in der Backstube schwingt für Peter Dreßen beim Abschied durchaus Trauer mit.

Nach 43 Jahren in der Backstube schwingt für Peter Dreßen beim Abschied durchaus Trauer mit.

Foto: Julia Zuew

Ein süßer Duft liegt in der Luft. In Peter Dreßens Backstube werden Brotlaibe knusprig und die Mandeln auf dem Bienenstich goldbraun -seit 125 Jahren. Aber nicht mehr lange: Die Bleche bleiben ab morgen leer, die Brötchentüten auch.

"Bevor es in die roten Zahlen geht, höre ich lieber auf", sagt der 68-jährige Gladbacher. In dritter Generation versorgt Dreßen bereits die Waldhausener mit Gebackenem -ganz gleich, ob herzhaft oder süß. "Früher war der Laden am Morgen rappelvoll: Die Schulkinder kamen und kauften Stullen, Süßes, einfach alles." Und manche seiner Stammkunden kennen den Konditormeister seit seiner Kindheit. "Ich bringe manchen Kunden immer noch Sachen nach Hause."

Der Abstieg habe damit begonnen, dass für eine Baustelle auf der Roermonder Straße die Bushaltestelle verlegt wurde. "Die Kinder kamen nicht mehr, der Laden blieb leer." Dreßen öffnete ab dann nur noch von Donnerstag bis Sonntag. Doch die Zahlen wurden nicht besser, ganz im Gegenteil: Mittlerweile betreibt er seinen Laden nur noch samstags und sonntags.

Bald sollen Kanalbauarbeiten auf der Roermonder Straße beginnen. Für Dreßen ist dies nach dem stetigen Rückgang des Geschäfts in den vergangenen Jahren der ausschlaggebende Grund, die letzten Brötchen zu backen: "Dann kommt ja gar keiner mehr, wenn die ganze Straße aufgerissen ist."

Er verdiene mit dem Geschäft nicht mehr großartig, sagt Dreßen, sondern könne gerade einmal die Kosten tragen. "Ich habe noch einen Gehilfen in der Backstube, er ist 79 Jahre alt und hilft mir in der Nacht von Freitag auf Samstag." Mehr Angestellte oder Lehrlinge könne er nicht bezahlen. Der Bedarf sei aber auch nicht da, nach beidem nicht: Die Arbeit lasse sich zu zweit locker erledigen, und Azubis seien in seinem Handwerk rar geworden, sagt der Bäckergeselle und Konditormeister.

1891 gründete Peter Dreßens Großvater die Bäckerei, damals noch auf der anderen Straßenseite. 1911 zog der Betrieb in das neu erbaute Haus an der Roermonder Straße 86. Das Bäckerhandwerk lernte Dreßen bei seinem Vater, den Meisterbrief machte er in Köln jedoch als Konditor.

Nach 43 Jahren in der Backstube schwinge beim Abschied Trauer mit, dies gibt er zu. Aber: "Meine Frau und ich haben zwei Enkelkinder. Wir passen immer auf sie auf, es gibt genug zu tun." Im Urlaub - der in den knapp vier Jahrzehnten nicht immer üppig ausfiel - zieht es ihn oft nach Südtirol. Zum Wandern in die Berge. Auf zwei Rädern die Elbe entlang, viele Touren nach Südfrankreich, zwei Reisen nach Amerika: Seine Freizeit habe er schon immer gerne auf Reisen und in der Ferne verbracht. "Irgendwann reicht es ja auch - andere hören mit 60 auf zu arbeiten."

Über einen Nachfolger für den Familienbetrieb habe er früher nachgedacht. Es sei aber nur bei Überlegungen geblieben. Seine Tochter ist Architektin, mit dem Ausbilden von Nachwuchskonditoren hat er "schon lange aufgehört, ich hatte keine Lust mehr, mich damit rumzuschlagen".

Bevor die Türen nach dem heutigen Verkaufstag auf Dauer schließen, backt er Brote und Kuchen, befüllt Pralinen, arbeitet noch letzte Bestellungen ab. Dreßen: "Besonders den langjährigen Kunden fällt der Abschied sehr schwer."

(juz)
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