Mönchengladbach Musik als Überlebenshilfe

Mönchengladbach · Robert Nemack inszeniert und Kapellmeister Michael Preiser leitet die Kammeroper mit dem skurrilen Titel "Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte". Bei der Aufführung sitzt das Publikum auf der Bühne.

 Markus Heinrich (Arzt), Debra Hays (Mrs. P.) und Andrew Nolen (Dr. P.) in einer Szene der Kammeroper.

Markus Heinrich (Arzt), Debra Hays (Mrs. P.) und Andrew Nolen (Dr. P.) in einer Szene der Kammeroper.

Foto: Stutte

VON DIRK RICHERDT

Der britische Neurologe und Bestseller-Autor Oliver Sacks veröffentlichte 1985 eine Sammlung von Fallstudien aus seiner ärztlichen Arbeit. "Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte", so der skurrile Titel, berichtet von einem Sänger und Gesangsdozenten, der an visueller Agnosie leidet, einer Verlaufsform von Demenz. Der also trotz voller Sehfähigkeit weder die Gesichter von Menschen zuordnen noch die Bedeutung von Gegenständen erkennen konnte. In einer Art Selbsttherapie gelingt es diesem Dr. P. dennoch, im Alltag zurechtzukommen. Indem er Vorgänge im Tagesablauf mit bestimmten Musikstücken verbindet. Musik diente P. also als spezielle Form der Überlebenshilfe.

Davon ließ sich 1986 der britische Komponist Michael Nyman (73) zu der gleichnamigen Kammeroper für drei Solisten, Streichquintett, Klavier und Harfe inspirieren. Am Mittwoch, 31. Januar, 19.30 Uhr, hat das 70-Minuten-Werk Premiere im Theater. "Diese Neurologie-Oper ist eine Rarität", sagte Musikdramaturgin Ulrike Aistleitner bei der Matinee im Theatercafé.

Regisseur Robert Nemack betonte, neben den drei Akteuren - der Kranke, seine Frau und der Arzt - spiele auch eine abwesende Figur mit: "Im Mittelpunkt steht die Krankheit", sagte er. Um dem Publikum davon intensive Eindrücke zu geben, werden die Zuschauer bei den vier Vorstellungen auf der Bühne Platz nehmen. "Dort bekommen sie den Einsatz der Technik - Licht, Drehbühne, Bewegungen der Züge - mit, sie erleben die Handlung aus der Perspektive des Patienten und sitzen ganz nah am Geschehen", sagt Nemack.

Die musikalische Leitung liegt in den Händen von Kapellmeister Michael Preiser. Er informierte, der besonders als Filmkomponist erfolgreiche Michael Nyman habe "nach einer beruflichen Krise zur Minimal Music gefunden". Seine einzelnen, den Strukturen von digitalen Codes ähnlichen Motivbildungen der Musik wirkten für sich genommen zwar kühl, aber die Umsetzung in zusammenhängende Abläufe lasse Nymans Musik "adäquat für das geschilderte Krankheitsbild" erscheinen. Am Klavier begleitete Preiser live fünf Szenen aus der Oper, die der Bariton Andrew Nolen (Dr. P.), die Sopranistin Debra Hays (Mrs. P.) und Tenor Markus Heinrich (Arzt) mit Bravour gestalteten. "Diese Musik entschleunigt, obwohl sie sehr motorisch ist", erläuterte Preiser. Und schloss: "Es ist auch ein Stück über die Musik und ihre Wirkkräfte."

Vorstellungen: 31. Januar; 3., 6. Februar; 3. März, jeweils 19.30 Uhr, Theater; Tickets unter der Nummer 02166 6151-100 oder im Internet www.theater-kr-mg.de

(ri-)
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