Redaktionsgespräch mit Dirk Hoff „Die Wirkung von Drogen wird oft unterschätzt“

Mönchengladbach · Dirk Hoff, Leiter der Direktion Verkehr bei der Mönchengladbacher Polizei, über Drogen und Alkohol am Steuer, Raser, verrohte Sprache und Gewaltbereitschaft gegenüber Polizeibeamten.

 Dirk Hoff, Leiter Direktion Verkehr, ist oft mit seinen Kollegen auf der Straße unterwegs. Auch er spürt: „Uniformierte werden oft gezielt respektlos behandelt.“

Dirk Hoff, Leiter Direktion Verkehr, ist oft mit seinen Kollegen auf der Straße unterwegs. Auch er spürt: „Uniformierte werden oft gezielt respektlos behandelt.“

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Es werden immer mehr Fahrer mit Drogen und Alkohol am Steuer erwischt. Ist das auf engmaschigere Kontrollen zurückzuführen oder wächst die Zahl der Konsumenten tatsächlich?

Hoff Es gibt mehrere Ursachen. Zum einen wächst meines Erachtens die Affinität zum Drogenkonsum. In vielen Ländern wurden sogenannte weiche Drogen legalisiert, dadurch ist auch bei uns die Hemmschwelle gesunken. Gleichzeitig bleibt die Verfügbarkeit hoch. Für viele ist es ein Kavaliersdelikt, keine Straftat, sich mit Drogen ans Steuer zu setzen. Das ist der eine Grund. Zum anderen haben wir viel in die Fortbildung bei der Detektion von Drogen investiert. Die Kollegen wissen, worauf sie achten müssen, und Schnelltests liefern rasch Ergebnisse.

Welche Ergebnisse zeigen die Kontrollen in Mönchengladbach? Wie viele Autofahrer unter Drogen erwischen Sie?

Hoff Bei der letzten Kontrolle haben wir 80 Autofahrer angehalten und von neun wurde wegen eines entsprechenden Verdachts eine Blutprobe genommen. Mehr als zehn Prozent – das ist eine erschreckend hohe Zahl. Wir arbeiten eng mit der Stadt zusammen und melden unsere Ergebnisse an die Führerscheinstelle. Im Jahr 2018 war in 60 Prozent der Fälle, in denen durch die Behörde die Fahrerlaubnis entzogen wurde, Drogenmissbrauch der Grund, nur bei fünf Prozent war es Alkoholmissbrauch.

Es sind wirklich erschreckend viele, die unter Drogen Auto fahren. Woran liegt das? Haben die Konsumenten kein Risikobewusstsein?

Hoff Die Wirkung von Drogen wird oft unterschätzt. Bei Alkohol wissen die Leute, wie er abgebaut wird und wann man sich wieder hinter das Steuer setzen darf. Bei Drogen ist das anders. Sie lassen sich sehr lange nachweisen und bauen sich sehr viel langsamer ab. Jemand, der eine Woche nach dem letzten Konsum wieder zur Droge greift, baut sozusagen auf einem vorhandenen Niveau auf, er fängt nicht bei null an. Das ist den meisten nicht bewusst. Auch Flashbacks sind eine reale Gefahr. Wir kontrollieren meist tagsüber, das heißt, einige haben nicht frisch konsumiert, sondern wir stellen auch die lang anhaltenden Nachwirkungen fest.

Können Sie sich an besonders krasse Fälle von Alkohol- oder Drogenmissbrauch erinnern?

Hoff Es kommt vor, dass Autos mitten in der Nacht an grünen Ampeln stehen, weil der Fahrer eingeschlafen ist. Wenn man ihn weckt und die Tür öffnet, fällt er heraus. Da ist meist Alkohol der Grund.

Die Polizei sagt, es gebe in Mönchengladbach keine Raserszene. Aber viele Menschen beschweren sich über nachts aufheulende Motoren und halten Raser für den Grund. Was sagen Sie dazu?

Hoff Wir haben in Mönchengladbach keine echte Raserszene. Es gibt keine entsprechende Unfalllage und wir haben auch keine Infrastruktur, die Raserei begünstigt. Dazu gibt es zu viele Ampeln. Um es deutlich zu sagen: im Rasertempo von A nach B quer durch die Stadt zu kommen, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Natürlich wird auch zu schnell gefahren, aber das nicht unsere Hauptunfallursache in Mönchengladbach. Den Lärm, über den sich Anwohner nachts beschweren, hören wir natürlich auch. Und wir kontrollieren, aber wir haben es hier oft mit einer Gesetzeslücke zu tun. Wie laut ein Motor sein darf, wird in einer Messsituation geprüft. Die Hersteller sorgen dafür, dass dann auch die Normen erfüllt werden. Es wird aber nicht getestet, wie laut der Motor ist, wenn man beispielsweise mit 50 im ersten Gang fährt. Das ist erlaubt genauso wie Klappen-Auspuffanlagen, die viel Lärm machen und in anderen Ländern längst verboten sind. Als Polizei haben wir in den Kontrollen keine Handhabe dagegen, solange die Fahrer nicht zu schnell sind oder selber die Fahrzeuge manipuliert haben. Auch durch den Lärm entsteht der subjektive Eindruck einer Raserszene.

Es gibt also keine Raserszene, aber doch überhöhte Geschwindigkeit.

Hoff Es gibt natürlich Fahrer, die viel zu schnell fahren. Es gibt in der Stadt auch Intensivtäter, die wir kennen und die wir auch gezielt ansprechen. Wir wissen auch, wo sie beispielsweise nachts gern unterwegs sind und sind vor Ort. Wir sind keineswegs wehrlos in diesem Bereich. Bürger, die beobachten, dass zu schnell gefahren wird, rate ich, die Kennzeichen aufzuschreiben und an uns weiterzugeben. Wir schauen dann gezielt nach und führen auch in den entsprechenden Fällen Gefährderansprachen durch. Hinweise zu entsprechenden Verstößen nehmen wir auch regelmäßig online über „Unfallfrei sei dabei“ entgegen. Das haben wir zusammen mit der Stadt ins Leben gerufen und stehen auch da in engem Kontakt.Generell ist das Geschwindigkeitsniveau in Mönchengladbach aber durchschnittlich unter 50 Stundenkilometern.

Finden Sie es richtig, dass Teilnehmer an illegalen Autorennen strenger bestraft werden? Sind höhere Strafen bei Verkehrsdelikten abschreckend?

Hoff Ich fürchte, schnelles und rücksichtsloses Fahren liegt auch in der Natur des Menschen. Wenn jemand einen schlechten Tag hat und gleichzeitig unter Druck ist, setzt er sich schneller über Regeln hinweg. Ich glaube schon, dass spürbare Sanktionen zum Nachdenken führen. Vor allem wenn neben Geldstrafen auch Fahrverbote drohen.

Es gibt Event-Data-Recorder, mit denen sich bei Unfällen auslesen lässt, wie schnell der Wagen unterwegs war, ob der Fahrer angeschnallt war und vieles mehr. In den USA sind sie seit 20 Jahren Pflicht. Würden Sie sich so etwas auch in Deutschland wünschen?

Hoff Damit würde ich persönlich gern arbeiten. Teilweise liegen die Daten den deutschen Herstellern auch vor, aber sie geben sie nicht frei. Event-Data-Recorder würden es für die Polizei einfacher machen, aber auch für die Opfer. Es gäbe eine saubere Beweislage und unter Umständen nicht die Diskussion um eine Mitschuld der Opfer. Wir sind in NRW jetzt dabei, bei schweren Unfällen die Fahrzeuge in geeigneten Fällen zu beschlagnahmen und die relevanten Daten auszulesen, die wir auslesen können. Dafür gibt es ein spezielles Projekt. NRW ist hier Vorreiter.

Es gibt immer mehr Berichte über Angriffe auf Uniformierte. Wie sieht das in Mönchengladbach aus? Werden Ihre Kollegen nett behandelt?

Hoff Es werden Feuerwehrleute angegriffen, Sanitäter und auch Polizisten. Autorität wird immer weniger akzeptiert. Ich bin seit 35 Jahren bei der Polizei und auch heute noch oft mit den Kollegen auf der Straße. Was einem heute teilweise begegnet, ist mit früher nicht vergleichbar. Wenn ein Polizist früher jemanden aufforderte, stehen zu bleiben, dann blieb derjenige auch stehen. Heute wird das auch mal ignoriert. Jeder macht sein Ding und Situationen eskalieren schnell. Den Kollegen geht es oft nicht gut dabei.

Bleibt es bei Beleidigungen oder kommt es auch zu tätlichen Angriffen?

Hoff Ich stelle fest, dass Beleidigungen häufiger sind, die Sprache teilweise deutlich verroht und die Uniformträger gezielt respektlos behandelt werden. Es ist gut, dass die Justiz seltener wegen Geringfügigkeit einstellt, sondern mit Strafbefehlen von bis zu einem Monatsgehalt empfindliche Strafen verhängt, wenn Polizisten beleidigt werden. Aber auch Aggressionen gegenüber Polizeibeamten sind allgegenwärtig. Darüber hinaus müssen Polizisten in Konfliktsituationen nah an aggressive Menschen heran, die auch unter Drogen und Alkohol stehen können. Hier kommt es auch zu tätlichen Angriffen und Verletzungen.

Was möchten Sie den Verkehrsteilnehmern noch mit auf den Weg geben?

Hoff Etwas Allgemeines und etwas ganz Konkretes. Zuerst das Konkrete. Es ist bei Rad fahrenden Jugendlichen scheinbar noch nicht ganz durchgedrungen, dass sie auf dem Fahrrad nicht telefonieren oder Nachrichten schreiben dürfen. Viele sind ganz entrüstet, wenn sie angehalten werden. Aber es ist gefährlich, verboten und kostet 55 Euro. Ganz allgemein wünsche ich mir, dass im Verkehr mehr Rücksicht auf Fußgänger, Radfahrer, Senioren und Kinder genommen wird, die ihrerseits für mehr Sichtbarkeit beispielsweise durch Reflektoren sorgen sollten.

(arie/gap)
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