Probenbesuch des Theaterstücks „Elling“ Zwei Sonderlinge auf dem Weg ins Leben

Mönchengladbach · „Elling“, das Stück des norwegischen Dramatikers Axel Hellstenius nach dem Roman „Blutsbrüder“ von Ingvar Ambjørnsen, kommt am Samstag auf die Bühne des Theaters. Die RP durfte schon mal exklusiv in eine Probe schnuppern.

 Die Darsteller proben eine Szene des Stücks „Elling“ im Theater Mönchengladbach.

Die Darsteller proben eine Szene des Stücks „Elling“ im Theater Mönchengladbach.

Foto: Bauch, Jana (jaba) und Krebs, An

Das erste Trauma eines Mannes ist seine Mutter. Das hat Elling am eigenen Leib erfahren, der Antiheld der vier diesem Sonderling gewidmeten Romane des norwegischen Autors Ingvar Ambjørnsen. Und trägt nach deren Tod seine in 40 Jahren erworbenen Deformationen in die Psychiatrie. Dort lernt er Kjell Bjarne kennen, mit dem er nach zwei weiteren Jahren in eine eigene, betreute Wohnung zieht.

Nach erfolgreicher Verfilmung vor fast 20 Jahren ist die dramatisierte Fassung von Axel Hellstenius nun auch auf der Bühne des Gladbacher Theaters angekommen. Ein Stück über das Menschsein, das, was wir „normal“ nennen. Eine anrührend „melancholische Komödie“, wie Regisseur Matthias Gehrt sagt, über Liebe und Freundschaft.

Das Ei. So haben die Theaterleute den kreisrund gelben Schaumstoff-Boden auf schiefer Ebene getauft, die Bühnenbildnerin Gabriele Trinczek gebaut hat. Gerade mal zwei Betten, ein Hocker und ein Katzenkorb haben Platz in diesem Zirkel, den Gehrt „Kokon“ nennt. Drumherum Schwarz. Die Welt, das Draußen, der Boden dicht belegt mit schwarzem Split, der unter jedem Schritt knirscht, ins Rutschen kommt, vielleicht sogar weh tut unter den Füßen der beiden Protagonisten, die sich zu einer der ersten Proben an die letzte Szene des Stücks begeben.

Matthias Gehrt, Schauspieldirektor des Hauses, steht ganz nah an der Rampe an einer Schreibtischlampe, die aufs Textbuch leuchtet, und gibt Adrian Linke das Stichwort für die große „Scheiße“-Szene, bei der er sich in schlotternder Latzhose die Hände vors Gesicht schlägt und laut brüllend auf den Rücken wirft, weil er gerade von seiner Herzensdame eine Einladung zum Beischlaf erhalten hat. Für Kjell Bjarne, die dazugehörige Bühnenfigur, geht ein 40-jähriger, bislang unerfüllter Traum vom „Ficken“ wenige Momente später in Erfüllung. In Form von rhythmischen „Ah, ah, oh“ aus dem Off, wohin Linke inzwischen entschwunden ist, und deren Tonhöhen und Pausen in der Folge Gegenstand penibler Diskussionen zwischen Regisseur und Schauspieler darstellen. Nicht zuletzt, weil während des unsichtbaren Aktes auf der Seitenbühne Bruno Winzen, der die Titelfigur spielt, in rund 20 Sauerkrautpackungen, die er aus zwei Einkaufstaschen auf den Boden des Zimmers geschüttet hat, Zettel mit seinen Gedichten verteilen muss.

Beide, Elling und Kjell Bjarne, mussten nach ihrer, von Sozialarbeiter Frank betreuten Freisetzung in die Zivilisation soziale Fertigkeiten wie Telefonieren, Einkaufen, Essengehen mühsam lernen – über all ihre Ängste hinweg. Dabei ist Ellings überbordende, manchmal absurd komische Fantasie nicht gerade hilfreich. Aber sie führt dann doch zu einem Zustand, in dem Beziehungen zum Außen möglich werden.

Es ist dieser Schluss von „Elling“, der die beiden Anti-Helden einerseits in einer umwerfend emotionalen wie komischen Szene zu ewiger Freundschaft zusammenschweißt, andererseits auch die getrennten Richtungen vorzeichnet, in die sie gehen werden: ihrer beider Weg aus der Psychiatrie hin zum Erwachsenwerden hat sie in dem Theaterstück zu Vater beziehungsweise Dichter reifen lassen. Und dabei dem Publikum einen Spiegel vorgehalten, der übers Humane an sich, das Kind im Manne, die Absurditäten unserer Welt nachdenken lässt.

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