Mönchengladbach
Mönchengladbach · Die Menschen bleiben auf der Hindenburgstraße stehen. Der Abriss des Theaters ist ein Schauspiel, das sie staunen lässt. Vielleicht ist es der Riesenbagger, der sie als Hauptdarsteller anzieht. Sein scharfes Maul frisst sich durch das Gebäude. Er knackt den Beton wie wir die Nüsse zum Advent. "Es sieht ja aus wie im Krieg", meinen die Alten. Als Kinder haben sie die Tage mitbekommen, an denen sie durch die Ruinen ihrer zerbombten Stadt kletterten. Andere vergleichen das Gesehene mit den aktuellen Bildern aus Syrien und Gaza. Seien wir dankbar, dass bei uns kein Krieg herrscht. Menschen können zuschauen, ohne angegriffen zu werden. Es ist "nur" ein Abriss.
Was heißt nur? In Mönchengladbach fiel vieles der Spitzhacke zum Opfer. Manche Häuser, die der II. Weltkrieg verschont hatte, mussten der Verkehrsplanung weichen. Teile einer Straße gerieten aus dem Gleichgewicht. Auf der einen Seite blieben stolze Bürgerhäuser stehen, auf der anderen Seite wurden sie abgerissen. Noch vor kurzem verschwand das alte Bauamt, und beinahe wäre auch vom Torbogen in Rheydt nur Schutt übrig geblieben.
Das Stadttheater war eine bedeutende Nachkriegsarchitektur, die im Stadtbild fehlen wird. Ich will keine neue Diskussion vom Zaun brechen. Die Argumente für und gegen die Arcaden sind ausgetauscht, und die Stadt hat sich entschieden. Nachkarten hilft nicht. Trotzdem sorgen sich viele, wie manchmal in unserer Stadt die Vergangenheit vergessen wird. Sobald geplant wird, spielt die angebliche Zukunft eine Rolle. Vierspurige Straßenführung und unbegrenzte Einkaufsmöglichkeiten steuern die Ideen und schnell verschwinden ein paar alte Häuser.
Ich bin der christlichen Tradition verpflichtet. Sie weiß um die Bedeutung der Vergangenheit. Die Jesusgeschichten von gestern tragen das Leben heute und beflügeln die Zukunft morgen. Ohne Vergangenheit keine Gegenwart und erst recht keine Zukunft! Unsere Stadt dürfte ihre Vergangenheit ruhig pflegen. Dadurch geht ihr die Zukunft nicht verloren. Im Gegenteil.
