Studie der Hans-Böckler-Stiftung Wohnen als Armutsrisiko?

Mönchengladbach · Analyse 45 Prozent der Mönchengladbacher müssen laut Böckler-Stiftung mindestens 30 Prozent ihres Einkommens fürs Wohnen aufwenden. Das ist viel zu viel und zeigt, wie sehr preisgünstiger Wohnraum in der Stadt fehlt.

 Wohnungen (hier in Eicken) werden immer teurer.

Wohnungen (hier in Eicken) werden immer teurer.

Foto: Theo Titz/Titz, Theo (titz)

Dass Wohnen auch in Mönchengladbach immer teurer wird, ist keine bahnbrechende Neuigkeit. Eine Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung legt jetzt allerdings Zahlen vor, die eine ganz neue Dramatik nahelegen. Demnach müssen die Mönchengladbacher 45 Prozent der Mönchengladbacher mindestens 30 Prozent ihres monatlichen Einkommens inzwischen für die Bruttokaltmiete aufwenden, hat die gewerkschaftsnahe Stiftung errechnet. Damit liegt die Stadt bundesweit von den 77 größten auf Rang 8. An der Spitze liegt Neuss mit einer Quote von 50 Prozent. Die Stiftung bezieht sich auf Ergebnisse des Mikrozensus aus dem Jahr 2013. Natürlich ist diese Berechnung nur schwer zu verifizieren. Der Trend allerdings, den diese sicher nicht zufällig in der DGB-Aktionswoche „Bezahlbar ist die halbe Miete“ veröffentlichte Studie nahelegt, ist unbestreitbar: Wohnen ist in Teilen der Gesellschaft zum Armutsrisiko, mindestens aber zum Überschuldungsrisiko, geworden.

Das hat die Auskunftei Creditreform in ihrem Ende vergangenen Jahres veröffentlichten Schuldneratlas für 2018 festgestellt. Die Entwicklung von Kaufkraft, die nur noch langsam steigt, und Kosten für Immobilien haben sich demnach in vielen Regionen Deutschlands deutlich entkoppelt. „Eine Mietbelastung oberhalb von 30 Prozent des Haushaltseinkommens gilt bei Immobilienexperten, Wohnraumforschern und Sozialwissenschaftler als problematisch, weil dann nur noch relativ wenig Geld zur sonstigen Lebensführung zur Verfügung bleibt, insbesondere bei Menschen mit kleineren Einkommen“, warnt Creditreform. Man stelle sich vor: Vom nicht pfändbare Einkommen in Höhe von 1140 Euro (so die aktuelle Pfändungsgrenze) gehen 513 mindestens 342 Euro (also 45 30 Prozent) nur fürs Wohnen drauf. Und dabei handelt es sich nur um einen Durchschnittswert, der von starken Einkommen verwässert wird. Das betrifft in Mönchengladbach aber mehr Menschen, als man glaubt. Denn immerhin sind 16,4 Prozent aller Gladbacher über 18 Jahren überschuldet.

Muss man für diese Menschen nicht mehr Wohnungen schaffen, die sie auch bezahlen können? Ja, sagt der DGB, der auf einer Demonstration in dieser Woche am Sonnenhausplatz verkündet hat, 16.049 bezahlbare Wohnungen fehlten in der Stadt. Ja, sagt auch die NRW-Bank. In ihrem jüngsten Wohnungsmarktprofil vom Januar 2019 für Mönchengladbach zeigt die Landesbank auf, dass die Zahl der Wohneinheiten in Mönchengladbach insgesamt auf 82.423 gestiegen ist (im Jahr 2017), 6000 Unterkünfte mehr als im Jahr 2008. In demselben Zeitraum ist der Anteil an preisgebundenen, weil öffentlich geförderten, Wohnungen in der Stadt um 21,2 Prozent auf 7122 Wohnungen zurückgegangen. Bis zum Jahr 2035 werden weitere 3800 Wohnungen aus der Mietpreisbindung fallen. Wegen des weiter günstigen Zinsniveaus werden nicht mehr alle Fördermittel für neue Wohnungen abgerufen. Die Folge: Der Bestand schrumpft.

Der Anteil an Sozialwohnungen liegt in Mönchengladbach bei nur rund 8,6 Prozent, landesweit sind es 9,4 Prozent. Und das obwohl in Mönchengladbach viele Menschen nur ein geringes Einkommen haben. Es gibt rund 19.300 Bedarfsgemeinschaften (also Familien, die Hartz IV beziehen). 14,9 Prozent der Gladbacher leben von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II, NRW-weit sind das nur 9,4 Prozent. Allein im Jahr 2017 beantragten 1722 Haushalte einen Wohnberechtigungsschein neu und waren demnach auf der Suche nach günstigem Wohnraum.

Die Stadt braucht eine Wohnungsstrategie. Dabei ist auch die Kreisbau AG als städtische Wohnungsbaugesellschaft gefordert. Planungsdezernent Gregor Bonin hält nicht viel von einer verbindlichen Quote etwa bei Neubauprojekten wie Seestadt, Maria-Hilf-Gelände, Reme-Gelände. In anderen Städten gibt es eine solche Quote. „Wir wollen fachlich wissen, wie es um den Wohnungsmarkt bestellt ist und in allen Stadtteilen klären, was genau eigentlich gebraucht wird“, sagt Bonin. Dazu hat das Rathaus den Planungsbereich „Wohnraumbeobachtung“ eingerichtet, der im laufenden ersten Halbjahr 2019 eine Untersuchung vorlegen soll.

Die Zeit drängt, denn die Realität beim Wohnungsbau zeichnet ein eindeutiges Bild: Im Jahr 2018 wurden insgesamt Baugenehmigungen Baugenehmigung für 209 neue Wohngebäude erteilt in Mönchengladbach, wie das statistische Landesamt it.NRW mitteilte. Davon waren 163 Einfamilienhäuser (plus 28,3 Prozent) und 14 Zweifamilienhäuser. Die Zahl der genehmigten günstigeren Wohnungen in Mehrfamilienhäusern fiel um 43,3 Prozent auf 228. Das sind Momentaufnahmen, weil immer mal wieder Großprojekte die Genehmigungen verwischen. Aber sie gehören zum Gesamtbild dazu: Gladbach hat ein Wohnungsproblem, Wohnungsproblem.

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