Kolumne Denkanstoß Plädoyer für Entschleunigung

Mönchengladbach · Unsere Autorin beschreibt das Gefühl, dass sich die Welt immer schneller dreht. Nun kann die Energiekrise dafür sorgen, sich von außen getrieben zu fühlen. Was dagegen hilft.

 Aktuell dreht sich alles um Energieengpässe: Auch das kann das Gefühl auslösen, von außen getrieben zu sein, schreibt Ulrike Wellens.

Aktuell dreht sich alles um Energieengpässe: Auch das kann das Gefühl auslösen, von außen getrieben zu sein, schreibt Ulrike Wellens.

Foto: dpa/Hauke-Christian Dittrich

Zuhause liegen an vielen Stellen noch Urlaubsreste: Strandschuhe und Badesachen; die wärmeren Jacken für die kühlen Abende, die in diesem Jahr aber doch nicht gebraucht wurden; die Bücher, die man gelesen hat und diejenigen, die man nicht mehr geschafft hat. Nicht zu vergessen sind die diversen Mitbringsel und neue Musikschnipsel aus der Urlaubsregion. Es dauert immer einige Zeit, bis wieder alles an Ort und Stelle ist.

Es sind auch nachklingende Erinnerungen an die geruhsame und entschleunigte Zeit. Denn meist holt einen der Alltag doch schnell wieder ein. Im Büro muss ich „148 Mails checken, wer weiß, was mir dann noch passiert, denn es passiert so viel“. So singt es Tim Bendzko schon vor gut zehn Jahren. Wir haben das Gefühl, dass so viel passiert und sich die Welt noch schneller dreht und vielfach definitiv nicht zum Vorteil der Menschheit.

Vieles ist natürlich auch angenehm durch immer weiter entwickelte smarte Techniken, das sollte man nicht außer Acht lassen. Und doch – wir werden immer mehr hin und her geschleudert zwischen gesundem Menschenverstand, selbst oder fremd ernannten Experten, zwischen neuen Techniken, die im zivilen oder medizinischem Gebrauch segensreich sind, im militärischen Bereich aber oft auch verheerend. Blicken wir als einzelne, als „Normalos“ noch durch, wenn es um sinnvolle Corona-Maßnahmen geht? Aktuell dreht sich alles um die anstehenden Energieengpässe, und wieder werden Ratschläge erteilt und Maßnahmen apodiktisch genannt, für die es in vielen Fällen allerdings  mehr als eine wahre Option gibt.

Das hätten wir ja so gerne: die eine Wahrheit, die definitiv gültig ist. Dabei ist jede und jeder der sicheren Überzeugung, dass seine These die richtige ist. Als Christen schauen wir gerne in das Evangelium und lesen: „Jesus sagt: ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Also eine klare Sache: in der Spur Jesu bleiben. Auch nach 2000 Jahren  sind Christen immer auf der Suche nach dieser jesuanischen Wahrheit und miteinander im Dialog darüber, wie das genau zu verstehen ist. Mir scheint eine der wichtigsten Komponenten, dass man im Dialog miteinander bleibt, im Gespräch über die verschiedenen Ansichten, sodass man nicht ständig das Gefühl hat, hin und her geschleudert zu werden und nur von außen getrieben zu sein.

So wünsche ich mir, etwas mit in den Alltag zu nehmen vom Urlaubsgefühl des Müßigangs und der Entschleunigung, etwas von der Musik der Urlaubsregion, von der Sicht auf das Leben anderswo, Ideen aus der Urlaubslektüre oder kleine Inseln im Alltag für solche Momente zu finden.

Ulrike Wellens ist Pastoralreferentin im Regionalteam der katholischen Region Mönchengladbach.

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