Serie: Was macht eigentlich? Der Traum vom großen Reitsport

Wickrath · Wickrath in der Reihe der großen Turniere Deutschlands: Acht Jahre durften die Mönchengladbacher Pferdesportfreunde hoffen, doch dann war Schluss. Das Schlosspark-Turnier als Großereignis war nicht mehr zu finanzieren.

 Große Attraktion: die Flutlichtkür. Hier 2006 mit Isabelle Werth, der sechsfachen Olympiasiegerin, auf Apache.

Große Attraktion: die Flutlichtkür. Hier 2006 mit Isabelle Werth, der sechsfachen Olympiasiegerin, auf Apache.

Foto: Knappe, Jörg (jkn)/Knappe, Jörg (knap)

Die Olympiasieger Isabell Werth, Nicole Uphoff und Ulrich Kirchhoff sind hier gestartet. Das Wickrather Schlossparkturnier galt als eine der bedeutendsten Reitsport-Veranstaltungen im Rheinland, hinter dem weltweit bekannten CHIO in Aachen. Und es war nicht nur ein sportliches Ereignis, sondern auch ein Volksfest, das mit erstklassigem Reitsport und Unterhaltung Zehntausende Besucher anzog  – und von noch Größerem träumen ließ. „Unser Turnier soll als gesellschaftliches Ereignis in Mönchengladbach in Zukunft im gleichen Atemzug genannt werden wie die Spiele der Borussia. Langfristig können wir uns sogar vorstellen, den Fußball zu toppen“, schwärmte im Jahr 2006 Rolf Ehlers, Chef der deutschlandweit tätigen „Sportmarketing-Agentur Rolf Ehlers Bremen“ und gerade als Fachmann für das Schlosspark-Turnier engagiert.

Die Idee, die traditionellen, aber seit zwei Jahren ausgesetzten Wickrather Reitertage wiederzubeleben und in größere Dimensionen zu führen, hatte Horst Tuma. Der Inhaber einer international tätigen Spedition, begeisterter Reiter, Besitzer der Reitsportanlage neben dem Schloss und gerade zum Vorsitzenden des Zucht-, Reit- und Fahrvereins Wickrath und Umgebung gewählt: „Ich bekam die Information, dass Schloss Wickrath 2002 Standort der dezentralen Landesgartenschau Euroga würde und dafür insgesamt zehn Millionen Euro öffentliche Mittel fließen sollten. Das wäre doch eine große Chance für den Pferdesport in Wickrath, das schon Sitz des Rheinischen Pferdestammbuchs war“, sagt der heute 79-Jährige.

Er nahm Kontakt zu Norbert Bude auf, damals Vorsitzender des Sportausschusses im Stadtrat und später Oberbürgermeister. Tumas Idee kam an, auch wenn dafür Geld in Hand genommen werden musste. „Der Zucht-, Reit- und Fahrverein hatte kein Geld und konnte finanziell auch nicht in Anspruch genommen werden“, so Tuma. Es wurde die Turniergemeinschaft Wickrather Schlosspark-Turnier gegründet, die städtische Marketinggesellschaft MGMG ins Boot geholt. Als professioneller Partner kam zunächst die niederländische Gesellschaft BCM hinzu, 2006 an ihrer Stelle die Sportmarketing-Agentur Ehlers.

 Nina Speis beim Turnier 2008 auf Gut Kappelshof. Heute ist sie Vorsitzende des Vereins.

Nina Speis beim Turnier 2008 auf Gut Kappelshof. Heute ist sie Vorsitzende des Vereins.

Foto: Offermanns, Paul (off)

Ein gewichtiges Argument bei der Partnersuche war der Standort des Turniers. „Die Kulisse und Atmosphäre des Schlosses aus dem 17. Jahrhundert kann man nicht kaufen. So etwas hat man oder man hat es nicht. Darum ist unser Turnier auch bei den Reitern aus ganz Deutschland so beliebt, ist es Jahr für Jahr Treffpunkt der Dressur- und Springreiterelite längst nicht mehr nur aus dem Rheinland, sondern auch international“, sagte Horst Tuma. Dressurgelände und Reitplatz wurden aufwändig nach Wünschen der Sportler saniert. Die Dressur-Wettbewerbe unter Leitung Ilja Waßenhovens lockten sogar Olympiasieger an. Auf dem LKW-Parkplatz des Reitsportgeländes wurde jedes Jahr eigens ein Stallzelt mit 100 Pferdeboxen errichtet.

Das Schlossparkturnier wuchs, nicht nur sportlich, sondern auch drumherum: als Attraktion für Familien samt Kindern, mit Verkaufsständen für Pferdefachleute ebenso wie für Marktbummler, mit Imbiss-Ständen, einem Oldtimertreffen, der Flutlichtkür, die jedes Mal fünf-, sechstausend Besucher anlockte, und einer großen Party für alle am Abend mit Bands wie Booster. Das Schlossparkturnier wuchs auf vier Tage. Kurzum: Es wurde zu einem Volksfest mit so viel Andrang, dass das Lokalradio 90,1 Empfehlungen oder Warnmeldungen für Autofahrer sendete.

 Christmas Jumping 2018: Natalie Destree-Kradepohl mit Wolfgang Oertel.

Christmas Jumping 2018: Natalie Destree-Kradepohl mit Wolfgang Oertel.

Foto: Dennis Owens

Wickrath war also eine Erfolgsgeschichte – eigentlich. Doch es gab ein Problem: die Finanzen. Da waren die Preisgelder, die 50.000 Euro und mehr ausmachten – der Große Preis allein war mehrmals mit 20.000 Euro dotiert. Doch ausgerechnet der Punkt, der genügend einbringen sollte, erwies sich als schwierig: Sponsoren. Die fanden sich zwar. Doch sie stellten Ansprüche und kamen etwas teuer zu stehen. Der Bereich für die besonders wichtigen Leute, kurz VIPs, wuchs. Was es dort gab, brauchte sich hinter dem Angebot für die VIPs bei Borussias Spielen nicht zu verstecken. Alles war für die Gäste kostenfrei und vom Feinsten: gerne auch Champagner und Austern, andere Speisen sowieso. Das gesamte Turniergeschehen wurde auf Fernsehmonitoren übertragen, bis in die Toiletten des VIP-Zeltes auf dem Abreiteplatz.

Unter dem Strich kostete das Turnier zuletzt gut 150.000 Euro – weit mehr, als hereinkam. Und als Sponsoren, zum Teil auch noch kurzfristig, absprangen, sich keine neuen fanden, die finanziell klamme Stadt nicht einspringen konnte und das Turnier die Vereinskasse nicht belasten durfte, wurde das Schlossparkturnier 2011 abgesagt. Und kam auch 2012 nicht mehr zustande. „Es ist nach 2010 nicht mehr gelungen, die Mittel aufzutreiben. Es war kein Partner zu finden“, sagt Horst Tuma.

 Internationales Flair mit vielen Flaggen bei der Siegerehrung des Schlossparkturniers 2007.

Internationales Flair mit vielen Flaggen bei der Siegerehrung des Schlossparkturniers 2007.

Foto: Raupold, Isabella (ikr)

Er hat aufgegeben. Doch der Zucht-, Reit- und Fahrverein Wickrath und Umgebung, der 2014 sein 90-jähriges Jubiläum feierte, wollte das traditionsreiche Turnier nicht einfach verschwinden lassen, sondern wieder zu einer Größe im Rheinland machen. Ein neuer Vorstand unter Führung von Wolfgang Oertel, Chef des erfolgreichen Wickrather Zucht- und Ausbildungsstalls und Pensionsbetriebs für Pferde, Gut Kappelshof, und dem Rheinischen Meister Jochen Bender ging den Neubeginn an. Schon 2013 gab es die Wickrather Reitertage wieder: etwas kleiner, als reines Springturnier, aber mit einem immer noch sportlich ehrgeizigen Angebot: drei Turniertage, 15 Prüfungen, 400 Reiter und 1000 Starts, auch aus den Niederlanden, Belgien und Bulgarien. Dem guten Namen und Ruf hatte die zweijährige Pause nicht nachhaltig geschadet. Und 2016 gab es auch den Namen Wickrather Schlossparkturnier wieder.

Nina Speis, Tochter Wolfgang Oertels, selbst erfolgreiche Reiterin und beim Neubeginn engagierte Geschäftsführerin des Vereins, hat Anfang des Jahres den Vorsitz übernommen. „Wir haben uns Jahr für Jahr etwas gesteigert, bis zum Zweisterne-S-Niveau“, sagt sie. Fünf Jahre gab es das Turnier im Schlosspark, weiter erfolgreich, auch nach der Verlegung vom angestammten September auf die Pfingsttage: „Da konnten wir das Turnier auf vier Tage ausdehnen.“

2017 versuchte der Verein etwas Neues: den Wechsel in die Hallen des Rheinischen Pferdestammbuchs am Schloss. Ein mutiger Schritt. „Es gibt unheimlich viele Turniere im Freien, aber im Winter kaum welche. Wir wollten mal probieren, ob so ein Angebot angenommen würde“, sagt Nina Speis. Es wird, wie sich zeigte. Das vorweihnachtliche Turnier „Christmas Jumping“ im Dezember wurde auf Anhieb ein Erfolg und erlebt in diesem Jahr vom 13. bis 15. Dezember seine dritte Auflage. Schlossparkturnier und Christmas Jumping zusammen wird es aber wohl nicht geben. „Zwei Turniere im Jahr, das wäre mir zu viel“, sagt Nina Speis.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort