Versorger in Mönchengladbach Weiterer Deal der NEW wirft Fragen auf

Mönchengladbach · Anfang Juni 2019 wurde der Anteil der NEW an einem Anbieter von Car-Sharing-Plattformen auf 20 Prozent reduziert. Dabei hatte der Rat nur wenige Tage zuvor das genaue Gegenteil beschlossen: Der Versorger sollte die Mehrheit übernehmen. Hat die NEW damit gegen die Gemeindeordnung verstoßen?

 Für ihren Carsharing-Dienst „Wheesy“ benötigt die NEW Plattformen, wie sie das Unternehmen eShare.one GmbH entwickelt. An diesem ist die NEW mit rund 20 Prozent beteiligt. Der Rat hatte für eine Mehrheitsbeteilung votiert.

Für ihren Carsharing-Dienst „Wheesy“ benötigt die NEW Plattformen, wie sie das Unternehmen eShare.one GmbH entwickelt. An diesem ist die NEW mit rund 20 Prozent beteiligt. Der Rat hatte für eine Mehrheitsbeteilung votiert.

Foto: NEW AG/NEW AG/Detlef Ilgner

Die Ereignisse des 5. Juni dieses Jahres könnten folgenreich werden. Denn an diesem Tag wurde in der NEW-Zentrale unter Anwesenheit eines Gladbacher Notars ein Geschäft vollzogen, über das der Rat der Stadt Mönchengladbach eine Woche vorher entschieden hatte – und dabei aber das genaue Gegenteil von dem beschlossen hatte, was an jenem Tag besiegelt wurde. Nach der umstrittenen Beteiligung der NEW an der Entwicklung des Elektroautos „Sven“ und der aus Sicht der Stadt zu schleppend verlaufenden Rückabwicklung hat Oberbürgermeister Hans Wilhelm Reiners nun auch in diesem Fall NEW-Vorstand Frank Kindervatter um Stellungnahme gebeten.

Konkret geht es um eine Beteiligung der NEW AG an einem Unternehmen namens eShare.one GmbH. Dabei handelt es sich vereinfacht gesagt um einen Spezialisten für Carsharing, der auch Plattformen dafür entwickelt – so wie sie die NEW für ihren Dienst „Wheesy“ benutzt. Am 29. Mai beschloss der Rat der Stadt, dass die NEW Anteile von einem Mitgesellschafter an der eShare.one GmbH in Höhe von knapp 25.000 Euro Stammkapital übernehmen und weitere Geschäftsanteile in Höhe von 51.000 Euro über eine Kapitalerhöhung zeichnen darf. Der Plan: Die NEW AG sollte dann 50,1 Prozent an dem Unternehmen halten. Weil die Stadt Mönchengladbach, die Stadt Viersen und die Kreiswerke Heinsberg an der NEW beteiligt sind, müsse dem aber erst noch die Bezirksregierung zustimmen. Genau dies war bei der Beteiligung am Elektroauto „Sven“ missachtet worden.

Am 5. Juni 2019 allerdings, nur eine Woche nach dem Ratsbeschluss, trafen sich die drei Gesellschafter der eShare.one GmbH bei einem Mönchengladbacher Notar und vollzogen folgenden Deal: Das Stammkapital wurde um 51.000 Euro erhöht, aber nicht die NEW übernahm diese Anteile, sondern einer der beiden anderen privaten Gesellschafter. Auch kaufte die NEW keine Anteile von ihrem Partner. Die Besitzverhältnisse sind deshalb laut Handelsregisterauszug vom vergangenen Freitag folgende: Der Privatmann besitzt 60 Prozent, eine andere Aktiengesellschaft 20 Prozent und die NEW auch nur 20 Prozent. Dabei hatte der Rat beschlossen, dass die NEW 50,1 Prozent halten soll. Statt der Mehrheit an dem Unternehmen erreicht die NEW somit nicht einmal mehr die Sperrminorität, die notwendig ist, um grundlegende Änderungen im Unternehmen zu verhindern.

Die Gladbacher FDP, die auf diesen Widerspruch gestoßen war, hat deshalb von OB Reiners  Klärung verlangt: „Auf den ersten Blick wirkt das, als hätte die NEW erneut gegen die Gemeindeordnung verstoßen – konkret gegen Paragraph 115. Wir haben deshalb einen Fragenkatalog zu diesem Vorgang an den Oberbürgermeister geschickt, um dies abschließend bewerten zu können“, teilen die Liberalen mit.

Reiners hegt ebenfalls Bedenken. „Bei der Beteiligung an der eshare.one GmbH stehen viele Fragen im Raum. Ich habe deshalb den NEW-Vorstand um Stellungnahme gebeten“, sagte Reiners unserer Redaktion. „Ich kann im Moment nicht erkennen, dass die Veränderung der Gesellschafteranteile übereinstimmt mit dem Beschluss, den der Rat der Stadt Mönchengladbach Ende Mai gefasst hat.“ Ein solcher Vorgang, wie er laut Handelsregisterauszug von der Gesellschafterversammlung gefasst wurde, sei laut Reiners anzeigepflichtig bei der Bezirksregierung. Dies ist etwa dann der Fall, wenn durch ein Rechtsgeschäft der Einfluss der Gemeinde auf das Unternehmen gemindert wird. Reiners weiter: „Wir sehen diesen Vorgang durchaus kritisch, vor allem in einer Phase, in der die Beteiligung an der Share2Drive GmbH von der Bezirksregierung bereits als äußerst kritisch bewertet wird.“

Wie die Bezirksregierung mitteilte, sei dort bisher die Kapitalerhöhung von der Stadt Mönchengladbach als Gesellschafterin der NEW AG bereits angezeigt worden. „Von den weiteren Gesellschaftern liegen noch keine Meldungen vor, so dass das Verfahren hier noch nicht abgeschlossen werden konnte“, sagte eine Sprecherin  der Bezirksregierung.

Der Rat in Viersen, der wie sein Gladbacher Pendant auch zustimmen muss, war noch gar nicht mit dem Thema befasst. Eigentlich sollte dies am Montagabend Thema im dortigen Hauptausschuss sein, doch Bürgermeisterin Sabine Anemüller zog die Beratungsvorlage wegen der unklaren Situation zurück. Nun wird sie direkt im Rat behandelt.

Die NEW teilte auf Anfrage zu dem Vorgang mit, man warte noch auf die Bestätigung der Anzeige bei der Kommunalaufsicht. „Erst nach der positiven Bestätigung durch die Kommunalaufsicht wird die NEW Smart City GmbH die Geschäftsanteile zeichnen“, sagte eine Sprecherin. „Nach nochmaliger Prüfung des Sachverhaltes gehen wir weiterhin davon aus, dass unser Vorgehen mit der Gemeindeordnung und dem Gesellschaftsrecht vereinbar ist.“ Die Frage, warum derzeit jemand anders Mehrheitsgesellschafter ist, ließ die NEW unbeantwortet.

Im Finanzausschuss der Stadt Mönchengladbach war der Fall eShare.one GmbH am Mittwochabend kurz Thema. „Die Anteile der NEW liegen jetzt unter der Sperrminorität“, begründete Reiner Gutowski (FDP) seine Anfrage. Damit sei es möglich, dass wesentliche Entscheidungen ohne Beteiligung der NEW – und somit ohne den Einfluss der kommunalen Gesellschafter getroffen werden könnten. Weshalb der Rat weder beteiligt noch informiert worden sei, wollte er wissen, und ob die Bezirksregierung eingebunden wurde. Es sei eine Sachlage, „bei der wir Klärungsbedarf sehen“, bestätigte Rathaus-Chef Reiners: Die Bezirksregierung sei informiert, den Vorstand der NEW habe er um Stellungnahme gebeten. Im Zuge des weiteren Verfahrens würden die Fragen der FDP beantwortet.

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