Serie „Was macht eigentlich?“ Vom Guinness-Buch zur Weisweiler Elf

Mönchengladbach · Sein Traum von der großen Karriere im Profi-Fußball hat sich nicht erfüllt. Doch der Borusse Jörg Jung hat etwas geschafft, das noch keinem anderen deutschen Fußballer vergönnt war: den Sprung ins Guinness-Buch der Rekorde.

 Europapokal-Jubel am Bökelberg beim 0:0 gegen Glasgow (v.l.): Jörg Jung, Ulrich Borowka  und Michael Frontzeck, im Hintergrund Hans-Günter Bruns.

Europapokal-Jubel am Bökelberg beim 0:0 gegen Glasgow (v.l.): Jörg Jung, Ulrich Borowka  und Michael Frontzeck, im Hintergrund Hans-Günter Bruns.

Foto: imago sportfotodienst

Der heute 53-Jährige liefert damit bei Veranstaltungen Borussias eine gerne gestellte Quiz-Frage: Welcher Spieler hat doppelt so viele Europapokal-Spiele wie Bundesliga-Einsätze? Eben dieser Jörg Jung, nämlich mit der kürzesten „Laufbahn“ in der Bundesliga und im Europapokal. 27 Minuten spielte der „echte Gladbacher Jung“ 1986 bei seinem einzigen Einsatz in der deutschen Elite-Klasse, später dann noch 55 Minuten bei zwei Auftritten im Uefa-Cup für Borussia. „Diesen Eintrag ins Fußball-Geschichtsbuch kann mir keiner mehr nehmen“, sagt der heute 53-Jährige, ein bisschen selbstironisch und ohne Groll. Zwei Spielzeiten, von 1985 bis 1987, war er im Gladbacher Bundesliga-Kader, dann ging er für eine Saison in die Zweite Liga zum SC Freiburg. Es folgte ein Vierteljahrhundert als Spieler und Trainer im höchsten Amateurbereich.

Auch wenn es im Fußball nicht gelaufen ist wie erhofft, Jörg Jung hat seinen Weg gemacht: als selbstständiger Versicherungs-Mann. Und schließlich doch noch ein bisschen mit Borussia: als Geschäftsführer der Weisweiler Elf, „der beliebtesten Traditionsmannschaft Deutschlands“, sagt er. In dieser Funktion ist er so doch ein Stückchen zu einem „Gesicht Borussias“ geworden.

 Jörg Jung und die stolze Pokalsammlung in der Geschäftsstelle der Weisweiler Elf.

Jörg Jung und die stolze Pokalsammlung in der Geschäftsstelle der Weisweiler Elf.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Dass es als Spieler in der Bundesliga nicht geklappt hat, schreibt der gebürtige Eickener sich selbst zu – genauer: „Meiner Ungeduld. Wir hatten 1986/87 einen stark besetzten Kader, in der Defensive mit Leuten wie Uli Borowka, Michael Frontzeck, Hans-Günter Bruns, Kai-Erik Herlovsen oder Andre Winkhold. Es war das letzte Jahr von Jupp Heynckes als Trainer am Bökelberg. Wir waren am Ende Dritter hinter dem FC Bayern und Hamburg, hatten das Halbfinale von DFB-Pokal und Uefa-Cup erreicht.“

Doch der Abwehrspieler, 1,92 Meter groß, hatte in dieser Saison zwar seine zwei Kurz-Einsätze im UEFA-Cup: auf dem Bökelberg mit einem 0:0 gegen die Glasgow Rangers und beim Aus im Halbfinale mit dem 0:2 gegen Dundee United. Und er war auch nach dem Ausscheiden gegen Dundee noch begeistert: „Europapokal auf dem Bökelberg war einfach toll. Volle Ränge, Flutlicht – mehr geht nicht für einen Fußballer.“ Aber in der Bundesliga kam er nach seinem Debüt 1985 beim 1:1 in Uerdingen nicht über eine Rolle auf der Ersatzbank hinaus.

„Einmal stand ich, und das beim FC Bayern in München, zehn Minuten vor dem Anpfiff noch auf dem Zettel von Jupp Heynckes für die Startelf, ich sollte gegen Dieter Hoeneß spielen. Doch dann verletzte der sich beim Aufwärmen, und der Trainer stellte um.“ Auch am letzten Spieltag der Saison 1986/87, am Bökelberg gegen Nürnberg, sollte Jung spielen, aber dann entschied Jupp Heynckes sich doch für Richard Sieburg, der vom 1. FC zu Borussia gekommen war. Jung: „Auch für ihn war es sein erstes und das letzte Bundesliga-Spiel. Er hat kurz danach aufgehört. Ich jedoch wollte mehr spielen, und dann kam das Angebot aus der Zweiten Liga von Freiburg und seinem damaligen Trainer, dem leider viel zu früh verstorbenen Jörg Berger. Da habe ich zugesagt“, erzählt er. Dann sagt er aber auch: „Ich hätte mit meinen gerade mal 21 Jahren nach nur zwei Spielzeiten am Bökelberg vielleicht doch weiter auf meine Chance bei Borussia warten sollen …“

 In Reih und Glied aufgestellt: Die Weisweiler Elf präsentiert sich 2013 für ein Mannschaftsfoto.

In Reih und Glied aufgestellt: Die Weisweiler Elf präsentiert sich 2013 für ein Mannschaftsfoto.

Foto: Archiv

Von der hatte er schon als kleiner Junge geträumt: Er ist zunächst in Eicken an der Mathiasstraße in der Nähe des Bökelbergs aufgewachsen, wo Borussia 1965 in die Bundesliga aufstieg – Jörg Jung wurde fünf Monate später geboren. Fast jeden Tag kickte er, kaum dass er richtig laufen konnte, auf dem Bolzplatz direkt gegenüber dem Elternhaus. Sein erster Verein war dann aber nach dem Umzug der Familie nach Geneicken mit sieben Jahren die Jugend des SV 08 Rheydt: „Mein erster Trainer war Herr Ophüls.“

Jung spielte bis zur D-Jugend bei Rheydt 08, schaffte es in die Jugend-Kreisauswahl sowie Niederrheinauswahl, wechselte in der C-Jugend zum RSV, landete ab der B-Jugend bei Borussia, spielte am Bökelberg mit einem Fördervertrag bei den Amateuren unter Georg Krahwinkel und bekam 1985 den Profi-Vertrag.

Die Träume vom Profifußball haben sich nicht ganz richtig erfüllt. Der Fußball hat Jörg Jung dennoch nicht losgelassen – 35 aktive Jahre lang nicht. Er spielte in der Zweiten Liga achtmal für Freiburg, wechselte zur Saison1988/89 in die drittklassige Oberliga Nordrhein zum damals sehr erfolgreichen Rheydter Spielverein, 1992 zu Alemannia Aachen, 1993 zum SC Jülich und spielte zum Abschluss seiner aktiven Karriere noch ein Jahr für den 1.FC Viersen.

1997 startete er als examinierter Fußball-Lehrer (mit ihm hat 2000 u. a. Dieter Hecking die Prüfung abgelegt) seine Trainer-Laufbahn, die erst 2013 endete. Seine Stationen: SuS Dinslaken, Schwarz-Weiß Essen, Rheydter Spielverein, SV Straelen, Sportfreunde Siegen, KFC Uerdingen, dreimal GFC 09 Düren („Ich habe immer selbst aufgehört, doch sie haben mich immer wieder zurückgeholt“), und schließlich viermal Wuppertaler SV, als Co-, Jugend- und Interims-Cheftrainer, bis 2013. Dann war Schluss. Aber er hatte schon eine andere Aufgabe, man könnte auch sagen, einen neuen Nebenjob als Geschäftsführer der Weisweiler Elf: Borussias Traditionsmannschaft.

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