Denkanstoß Ein Fest der Dankbarkeit

Mönchengladbach · Wer dankt statt sich zu ärgern, lebt optimistischer und zufriedener, findet unser Autor.

 Am Sonntag wird das Erntedankfest gefeiert: „Wir danken für alles, was wir als Gottesgeschenk entdecken“, schreibt unser Autor.

Am Sonntag wird das Erntedankfest gefeiert: „Wir danken für alles, was wir als Gottesgeschenk entdecken“, schreibt unser Autor.

Foto: dpa/Hauke-Christian Dittrich

Vielleicht haben Sie es zuletzt auch wieder mal erlebt: Beim Metzger bekommt ein Kind eine Scheibe Schinkenwurst über die Theke gereicht und nimmt sie fröhlich entgegen. Nach einer kurzen erwartungsvollen Pause fragt die Mutter: „Und was sagt man?“ „Danke“ sagt das Kind. Der Hinweis der Mutter ist ja nicht nur die Erinnerung an eine Floskel oder an ein Gebot der Höflichkeit (obwohl Hinweise darauf ja gelegentlich auch nottun…). Die Frage der Mutter ist eine Hilfe für das Kind, denn mit dem Dank merkt das Kind, dass ein Geschenk nicht selbstverständlich ist und dass es sich lohnt, auf Geschenke zu achten.

Solche Hinweise haben wir alle vermutlich immer wieder nötig. Es braucht nicht allzu viel Achtsamkeit, um zu merken, dass eigentlich nichts von dem selbstverständlich ist, was wir sind und haben. Auch das, was wir (nicht einmal zu Unrecht) für redlich verdient halten durch unseren Einsatz und unsere Arbeit, verdankt sich im Ursprung den Kräften und Gaben, die der Schöpfer uns mitgegeben hat für unser Leben, und den Umständen, in denen wir unsere Begabungen einbringen konnten. Nichts ist selbstverständlich, wir haben keinen Anspruch auf gelingendes Leben. Dankbarkeit kann also bewahren vor dem dauernden Blick auf alles Schlechte und Beklagenswerte, und damit vor der Gefahr, an allem rumzumäkeln und vor zu viel Anspruchshaltung, die zu Frustration und Aggression führt.

Psychologische Studien bestätigen dies: Bei einem Experiment wurde eine Gruppe von Menschen gebeten, 10 Wochen lang jeden Abend fünf Dinge aufzuschreiben, für die sie dankbar sind. Die Vergleichsgruppe schrieb auf, worüber sie sich geärgert hatte. Sie ahnen das Ergebnis: Die Menschen, die sich Dankenswertes bewusst gemacht und aufgeschrieben hatten, waren schon bald optimistischer und zufriedener, hatten weniger Kopfschmerzen, begannen Sport zu treiben und kamen besser miteinander aus.

Die Theologin Dorothee Sölle hat einmal ihre Erfahrung weitergegeben, dass für sie die abendliche Erinnerung an drei Dinge, für die sie gedankt hat, auch eine geistliche Übung wurde. Die Dankbarkeit wurde zur Dankbarkeit gegenüber Gott.Am Sonntag feiern wir das Erntedankfest. Wir danken nicht nur für die Ernte, sondern für alles, was wir als Gottesgeschenk entdecken. In der Hauptkirche feiern wir diesmal mit eritreischen Geflüchteten zusammen, die ihren besonderen Dank für ihre Helfer, für Frieden und Freiheit in Deutschland beisteuern – und auch uns dabei wieder entdecken lassen, dass auch unser politisches System alles andere als selbstverständlich ist.

Manchmal klingt es in der Metzgerei nach Anspruchshaltung, wenn Kunden ihre Wünsche äußern: „Ich kriege…“ Aber das ist wohl doch nur eine Form niederrheinischer Sprachgewohnheit. Die Verkäuferin bleibt jedenfalls sehr freundlich, auch dafür bin ihr dankbar.

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