Kolumne Denkanstoß Am Adventskranz

Mönchengladbach · Wie der Lichtschein der Kerzen wirkt und der Kranz für unseren Autor zu einem wichtigen Ort der Begegnung wird: „Zeichen der Verbundenheit sollte gerade in diesem dramatischen Jahr bei dem einen oder anderen möglich sein.“

 Der Adventskranz ist für Klaus Hurtz zum wichtigsten Utensil vor Weihnachten geworden.

Der Adventskranz ist für Klaus Hurtz zum wichtigsten Utensil vor Weihnachten geworden.

Foto: bauch, jana (jaba)

Alle Jahre wieder feiern wir Advent; doch heuer scheint er mir anders als sonst. Dabei spielt der Umstand, dass im Licht der 4. Kerze der neue Fußballweltmeister ermittelt wird, noch die geringste Rolle. Stärker wirkt das unterschwellige Bedrohungsgefühl, das Krieg und Pandemie im Menschen auslösen. Dabei dachte ich, dass ich mich mittlerweile an die schweren Sorgen und Nöte im Makrokosmos der Welt mehr oder minder gewöhnt hätte. Doch scheinen sie mittlerweile auch in den Mikrokosmos des eigenen Lebensbereiches hinein zu spiegeln. So häufen sich wie selten zuvor in unserer Gemeinde Hiobsbotschaften, und auch aus dem persönlichen Umfeld gibt es zu viele irritierende Nachrichten.

In solchen wirren und verwirrenden Lebenslagen, so ist meine Erfahrung, tut man gut daran, Überflüssiges abzustreifen und sich auf das Eigentliche zu besinnen. Natürlich unterliegen wir alle den Zwängen und Notwendigkeiten der Arbeit und des Alltags, aber keiner von uns ist ohne Handlungsspielraum. Der Advent lädt uns ein, sich auf die Ankunft des Kindes zu Bethlehem vorzubereiten; der gute alte Adventskranz ist dazu für mich zum wichtigsten Utensil geworden. Denn ohne Gewissensbisse können seine Kerzen auch in energetisch schwierigen Zeiten leuchten und sein Licht strahlt obendrein Ruhe und Kraft aus. Im Lichtschein des Kranzes schreibe ich gerne meine Weihnachtspost, denn jeder Gruß zu den Festtagen ist eine Begegnung mit dem jeweiligen Adressaten. Oft ist ein Jahr zu kurz, um alle Beziehungen in gleicher Intensität zu pflegen, aber ein kleines Zeichen der Verbundenheit sollte gerade in diesem dramatischen Jahr bei dem einen oder anderen möglich sein. Man staunt, wie viele Begegnungen an einem Adventskranz Platz finden!

Natürlich kann es geschehen, dass die Gedanken irgendwann abschweifen, und plötzlich ist man in ganz anderen Welten. Aber auch das tut der Seele gut, im Chaos der Wirklichkeit über seine eigenen Wünsche und Hoffnungen, über seine eigenen Bedürfnisse und Ziele sich im Klaren zu werden. Dabei hilft der Kerzenschein, dass man sich selber gegenüber ehrlich bleibt. Denn nur solche Erwartungen sind erstrebenswert, die wahren Werten folgen.

Um dies zu prüfen und zu ergründen, sind mir die alten Adventslieder treue Helfer; und so ertappe ich mich manchmal, dass leise summend ich mir die Texte in Erinnerung rufe. Der Übergang zu einem stillen Zwiegespräch mit Gott ist dann fließend. Immer wieder erfahre ich eine große Entlastung, einen solchen Gesprächspartner haben zu dürfen! Denn ihm kann man alles anvertrauen, und nichts und niemand geht bei ihm verloren. So endet oft meine Zeit am Adventskranz mit der Empfindung einer tiefen Dankbarkeit; und dieses Gefühl schwingt nach, wenn ich die Kerzen auslösche. Wie dunkel ist die Welt. Aber gerade deswegen will Gott Mensch werden – alle Jahre wieder.

Klaus Hurtz ist Pfarrer von St. Marien und vom Trostraum St. Josef, Grabeskirche.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort