Serie 160 Jahre Hephata Menschengesichter – Menschengeschichten

Mönchengladbach · Die evangelische Stiftung Hephata feiert ihr 160-jähriges Bestehen. Ihre Aufgaben sind so vielfältig wie die dort tätigen Menschen.

 Mathilde Cremer hat einer Erkrankung zum Trotz nie die Leidenschaft fürs Malen verloren.

Mathilde Cremer hat einer Erkrankung zum Trotz nie die Leidenschaft fürs Malen verloren.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Die Gladbacher kennen den Namen Hephata – als Bushaltestelle, als Bezeichnung des Kerngeländes der Stiftung oder der Werkstätten. Aber hinter dem Namen stehen Menschen, die in den Hephata-Einrichtungen leben, arbeiten, unterstützt werden, sportliche oder künstlerische Fähigkeiten entwickeln oder ausleben können. Wir zeigen vier Porträts:

Mathilde Cremer ist in Gladbach groß geworden, zur Marienschule gegangen und hat später an der Pädagogischen Hochschule Neuss Kunst und Geschichte studiert. „Das hat mir viel Freude gemacht“, sagt sie. Ihre Aktzeichnungen aus dieser Zeit existieren noch und zeigen ihre großen technischen Fähigkeiten. Dann warf eine schwere Erkrankung die Frau aus der Bahn. Die Kunst bleibt dennoch ihre große Leidenschaft. Heute kommt sie regelmäßig ins Atelier Strichstärke, das von den Hephata-Mitarbeiterinnen Barbara John und Yvonne Klaffke geleitet wird. Hier findet sie Anregungen und die Möglichkeit des Austauschs. Zum Thema Textil malt sie eine kunstvolle Vergrößerung des Faltenwurfs einer Statue. Im Atelier malt sie sonst auch großformatige Landschaftsbilder wie das der Bergkapelle im Frühling, hinter der ein bedrückend düsterer Himmel zu sehen ist. „Dennoch sind die Aussichten für den Menschen positiv“, betont sie. Zu Hause, wo sie mit Filz- und Tuschestiften arbeitet, illustriert sie die Texte der Evangelien, die an den jeweiligen Sonntagen im Gottesdienst gelesen werden. Mehr als 150 dieser liebevollen und detailgetreuen Zeichnungen hat sie schon angefertigt. Eine frohe Botschaft in Bildern. Dazu passt, dass sie die Texte auch gern als Lektorin in den Gottesdiensten in St. Anna und im Treff am Kapellchen vorträgt.

 Ralf Beier siegte vor Jahren beim europäischen Musikfestival für Menschen mit Behinderungen.

Ralf Beier siegte vor Jahren beim europäischen Musikfestival für Menschen mit Behinderungen.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Ralph Beier rührte vor Jahren mit einem Liebeslied einen Saal mit 1000 Zuhörern und siegte beim ersten europäischen Musikfestival für Menschen mit geistiger Behinderung im niederländischen Apeldoorn. „Meine Freundin Sabine und ich, wir sind schon so lange zusammen“, sang Ralph auf der Bühne und nahm dabei seine Freundin Sabine, die im Rollstuhl neben ihm saß, liebevoll in den Arm. Begleitet wurde er von Hephata-Mitarbeiter Andreas Neugebauer auf der Gitarre, der auch das Lied für ihn geschrieben hatte. „Wir sind damals hingefahren, ohne zu wissen, worauf wir uns einließen“, erzählt Neugebauer. Das Ganze entpuppte sich als groß aufgezogenes Festival, über das auch das niederländische Fernsehen berichtete. Musiker aus zwölf europäischen Ländern traten an und eine Jury kürte den Sieger. „Wir waren ungefähr in der Mitte des Festivals dran und die ersten Künstler vor uns hatten durchaus musikalisches Potenzial“, erinnert sich Neugebauer. Aber das Lied für Sabine im Dreivierteltakt erwies sich als Ohrwurm, das Publikum ging mit – und Ralph Beier gewann den Pokal. Er hat viele Jahre Musik gemacht, auch Schlagzeug gespielt. Heute hat sich der 53-Jährige aufs Musikhören verlegt. Früher lebte er auf dem Hephata-Gelände, wo er auch Sabine kennenlernte. Seit 2015 ist er mit Ursula verheiratet und wohnt mit ihr in einer Wohngruppe. Der Pokal ist ihm beim Umzug heruntergefallen und zerbrochen. Aber das Lied und die Erinnerung bleiben.

 Natascha Wermelskirchen gibt beim Fußball alles – und beim Klettern in der Kletterkirche.

Natascha Wermelskirchen gibt beim Fußball alles – und beim Klettern in der Kletterkirche.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Natascha Wermelskirchen spielt seit ihrer Schulzeit Fußball. Sie liebt den Sport. „Ich habe immer mit den Jungs gespielt“, erzählt die 24-Jjährige, „damals in der Abwehr.“ Heute steht sie am liebsten im Tor. Zum Beispiel im Hephata-Frauenfußball-Team, das regelmäßig in der Halle auf dem Hephatagelände trainiert. Angst vor dem Ball? Doch nicht Natascha! Auch vor Fouls fürchtet sie sich nicht. „Einfach aufstehen und weitermachen“, sagt sie. Das Hephata-Team tritt bei vielen Turnieren an. In der Hephata-Liga zum Beispiel, wo an einem Tag drei Spiele absolviert werden, um den Sieger zu küren. Oder bei den nationalen Vorausscheidungen zu den Special Olympics, wo ein gemischtes Team antritt. Oder jetzt in Nürnberg, wo im Rahmen einer Fachmesse für Behindertenwerkstätten ein Turnier stattfand. Und obwohl Natascha viele Erfolge vorzuweisen hat, bedauert sie: „Wir haben noch nie die Deutsche Meisterschaft der Werkstätten gewonnen.“ Aber es müssen ja auch Ziele bleiben. Am Fußball mag sie den Teamgedanken. „Man macht etwas zusammen“, erklärt sie. Genauso wichtig: Freunde kennenzulernen. Natascha Wermelskirchen arbeitet in der Gärtnerei, ist aber auch mit dem Hephata-Gartenservice unterwegs. Wenn sie nicht Fußball spielt oder arbeitet, steht auch mal Klettern in der Kletterkirche auf dem Programm. Auch hier ist sie angstfrei. „Heute bin ich von der Wand gefallen“, sagt sie und lacht. „Es hat Spaß gemacht, den Flieger zu machen.“ Sie war ja auch gesichert.

 Kein Spiel der Borussia ohne den ehrenamtlichen Ordner Heiner Felske – und das seit 25 Jahren.

Kein Spiel der Borussia ohne den ehrenamtlichen Ordner Heiner Felske – und das seit 25 Jahren.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Heiner Felske ist ein Mann, der gern lacht. Bei der Borussia weiß man ihn zu schätzen, denn er ist seit 25 Jahren als Ordner ehrenamtlich im Einsatz. . „Heiner ist für mich ein fester Bestandteil von Borussia. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich ihn im Borussiapark sehe und ein paar Worte mit ihm wechseln kann“, sagt Weltmeister und Borussiaspieler Christoph Kramer. „Man merkt ihm an, dass der Ordnungsdienst bei Borussia für ihn nicht nur ein Job, sondern eine echte Herzensangelegenheit ist.“ Tatsächlich – ob es regnet, stürmt, schneit oder gerade eine Hitzewelle herrscht – auf Heiner Felske ist immer Verlass. Zuverlässig steht er in seiner Ordneruniform am Fahrstuhl, begleitet die Rollstuhlfahrer und alle, die nicht laufen können, nach oben, weist ihnen den Weg zu den sanitären Anlagen und überprüft in der Pause, ob alles in Ordnung ist. Es gibt kaum ein Heimspiel in den letzten 25 Jahren, das er verpasst hat. Aber der 64-Jährige hat noch viele andere Interessen: er ist in einer Karnevalsgesellschaft und bei den Schützen, er spielt Badminton, Tischtennis und Mundharmonika, er grillt bei den Sommerfesten der Hephata-Werkstätten, wo er seit Jahrzehnten arbeitet, und er hilft bei der Organisation des Hephata-Motorrad-Gespann-Treffens. Vor etwa einem Jahr ist er aus einer Hephata-Wohngemeinschaft in eine eigene Wohnung gezogen – eine große Veränderung in einem Alter, in dem andere in Rente gehen. Er hat es gewagt.

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