Bereits zu Fukushima und Tschernobyl befragt worden Chefärztin aus Mönchengladbach berät Bund zum Strahlenschutz

Mönchengladbach · Bei einer Katastrophe mit radioaktiver Strahlung ist das Fachwissen der Chefärztin Ursula Nestle gefragt. Die in den Kliniken Maria Hilf tätige Professorin gehört einer Kommission an, die bei Unfällen in Atomkraftwerken berät.

 Prof. Ursula Nestle arbeitet in den Kliniken Maria Hilf und ist ehrenamtlich Mitglied der Strahlenschutzkommission des Bundes.

Prof. Ursula Nestle arbeitet in den Kliniken Maria Hilf und ist ehrenamtlich Mitglied der Strahlenschutzkommission des Bundes.

Foto: bauch, jana (jaba)

Bei einer Katastrophe mit radioaktiver Strahlung käme Prof. Ursula Nestle nicht unmittelbar zum Einsatz. Aber das Wissen der Chefärztin der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie an den Kliniken Maria Hilf zu solchen Themen ist durchaus gefragt. Im Ehrenamt zählt Nestle nämlich zum Experten-Gremium der Strahlenschutzkommission (SSK), die das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz bei Fragen zum Schutz vor den Gefahren von ionisierender und nicht ionisierender Strahlung berät. Kürzlich war das Gremium wegen des Krieges in der Ukraine eingebunden zur Klärung der Situation um den stillgelegten Reaktor in Tschernobyl. Die Experten konnten Entwarnung geben. „Es gibt ein System, wo wir Gewehr bei Fuß stehen, um eine Expertise zu geben. Wir würden aber keine Strahlenbelastung messen. Das machen Kräfte vor Ort“, erklärt die Ärztin. Nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima sollte das Gremium klären, welche Lehren aus dem Unfall gezogen werden können.

Klingt spannend für den Laien, gleichwohl sagt Nestle: „Die Mitgliedschaft in der Strahlenschutzkommission ist an einen beratenden Einsatz gebunden und ein eher trockenes Thema.“ Die Strahlenschutzkommission sei ein bisschen vergleichbar mit der Ständigen Impfkommission oder den Wirtschaftsweisen, die Empfehlungen geben. Es gehe zum Beispiel darum, ob EU-Normen umgesetzt werden und EU-Recht in deutsches Recht übersetzt wird. „Die Kommission berät in fachlichen Fragen, doch der Gesetzgeber legt den Rahmen mit Gesetzen fest“, erklärt Nestle. Sie ist eine von drei stellvertretenden Vorsitzenden und zurzeit die einzige Ärztin im Vorstandskleeblatt, das auf einem rotierenden System beruht.

Nestle beschreibt die Kommission als ein Gremium aus zwanzig Experten mit besonderen Erfahrungen auf einem der Gebiete Strahlenmedizin, Radioökologie, Strahlenbiologie, Strahlenrisiko, Strahlenschutztechnik, Notfallschutz und nicht ionisierende Strahlung. „Bei Themen von gesellschaftlicher Relevanz bittet das Ministerium die Kommission um Stellungnahmen. Die Kommission hat viele Arbeitsgruppen und schaut, welche davon die Frage behandeln sollte. Die Antwort geht schriftlich als Beratung zurück an das Ministerium. Wir wenden uns nicht direkt an die Öffentlichkeit“, so Nestle. Zu weiteren Aufgaben der SSK zählt die Mönchengladbacherin zum Beispiel die Beratung zu elektromagnetischen Feldern, zur Anwendung von Ultraschall im nicht medizinischen Bereich, zum UV-Schutz für Hautschutzprophylaxe und zur Atomkraft, die in Deutschland zurückgebaut wird. Nestle ist überzeugt, dass die Entscheidung zum Rückbau einen guten Weg vorgebe. „In Fukushima hat man gesehen, dass es für das Umfeld nicht ungefährlich ist, wenn eine besondere Lage eintritt“, sagt sie. Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem radioaktiven Edelgas Radon, das zum Beispiel im Erzgebirge und im Bayerischen Wald in erhöhter Konzentration vorkommt, sei wichtig. Als Beitrag zum Krebsrisiko werde es vielfach unterschätzt In betroffenen Regionen sei es sinnvoll, auf die Bauweise zu achten und Keller immer gut zu lüften, empfiehlt sie. Das Thema Strahlenschutz beschäftigt Nestle schon lange. Es war auch 2007 Thema ihrer Antrittsvorlesung an die medizinische Fakultät als Abschluss des Habilitationsverfahrens. Zu ihrer Motivation sagt Nestle: „Es ist mir wichtig, dass mit dem Thema vernünftig umgegangen wird. Es ist ebenso ein politisches Thema, und – genau wie bei den Viren – sollte es objektiv mit wissenschaftlichen Methoden angegangen werden.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort