Serie Anders Wohnen Bökelberg liefert Erdwärme und Erinnerung

Eicken · Architekt Tom Bolzen hat in Eicken eine energieneutrale Stadtvilla gebaut. Das Haus wurde mit dem Umweltpreis der Stadt ausgezeichnet.

 Angelika und Tom Bolzen mit zwei ihrer drei Kinder, Katina und Linus, im Treppenhaus.

Angelika und Tom Bolzen mit zwei ihrer drei Kinder, Katina und Linus, im Treppenhaus.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

An der Ecke Eickener Höhe/Am Spielberg kommen zwei Dinge zusammen. Zum einen seine Liebe zur Borussia. Und zum anderen das erste zertifizierte Effizienzhaus+ in Nordrhein-Westfalen (2013). Gebaut von ihm, Tom Bolzen, geboren in Eicken. Schon als Sechsjähriger hat der gelernte Schreiner und Architekt am Bökelberg „Günter Netzer einen Elfer versenken“ sehen, wie er sagt.

Tom Bolzen gehörte mit seinem Team auch zu den Preisträgern des Wettbewerbs zur Umgestaltung des Bökelberg-Geländes. Die Realisierung der Pläne scheiterte zwar am damaligen politischen Willen. Aber er hat zumindest dort sein Traumhaus gebaut: „Unser Grundstück ist für mich das schönste hier oben. Allein schon wegen des gewachsenen Grüns.“ Gebaut auf dem ehemaligen Parkplatzgelände und in Sichtweite der historischen Südkurve: „In den Bäumen da hinten beim Nachbarn haben damals die Fußballfans gesessen.“

 Das Haus der Familie Bolzen: Das markante Dachgeschoss scheint über dem Quader zu schweben.

Das Haus der Familie Bolzen: Das markante Dachgeschoss scheint über dem Quader zu schweben.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Wer das Haus betrachtet, denkt unweigerlich an die Tradition des Dessauer Bauhauses. Und genau der fühlt er sich mit seinem Architekturbüro Bolzen + Mehring verbunden. „Wir haben beide, Katja Mehring und ich, in Aachen studiert.“ Aus den Studieninhalten habe sich eine eigene moderne, puristische Architektur entwickelt.

Die Formensprache ist daher entsprechend klar. Die mögliche Strenge des Baukörpers aufgebrochen durch die Kombination aus Putzfassade und Wandflächen aus Trespa Platten. Von vorne gesehen scheint das markante Dachgeschoss über dem aufgebrochenen Quader förmlich zu schweben. Für das Auge unsichtbar sind dort Module der Solaranlage angebracht.

 Das Wohnzimmer der Familie Bolzen bietet Platz für die fünfköpfige Familie.

Das Wohnzimmer der Familie Bolzen bietet Platz für die fünfköpfige Familie.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Im Inneren des Hauses dominieren ebenfalls klar gegliederte Flächen und Räume. Und das sehr konsequent. Wie es wohl nur Architekten für ihre eigenen vier Wände umsetzen können. Die Holztreppe etwa wirkt trotz ihrer Breite leicht und damit unangestrengt. Es gibt nicht einmal das klassische Geländer. Mehr um den lichten Raum im Eingangsbereich dennoch sicher zu gestalten, wurden Drahtseile senkrecht wie Harfensaiten an die Stufen gespannt. Das Klima in den Räumen ist auffallend erfrischend.

Aber das ist nicht der eigentliche Clou. Das Haus hat etwa 300 Quadratmeter Wohnfläche. Selbst für eine fünfköpfige Familie vielleicht ein wenig üppig, könnte man meinen. Das planerisch Pfiffige ist, dass das Haus „auf die Zukunft hin gebaut ist“. Absolut barrierefrei, selbst einen Aufzugschacht gibt es, sollten die Bewohner einmal aus Gesundheits- oder Altersgründen darauf angewiesen sein. Und: „Unser Haus ist als Zweifamilienhaus konzipiert. Die Etagen können unabhängig voneinander bewohnt werden. Mit einer Haustechnik, die für beide Systeme ausgelegt ist“, so Architekt Tom Bolzen.

 Insgesamt bietet das Haus 300 Quadratmeter Wohnfläche, die in zwei Wohnungen aufteilbar sind.

Insgesamt bietet das Haus 300 Quadratmeter Wohnfläche, die in zwei Wohnungen aufteilbar sind.

Foto: Ilgner Detlef (ilg)

Das Wohnhaus der Familie Bolzen hat eine eigene Lüftungsanlage mit mehreren Filterstufen. Die Grundvoraussetzung, um den Gedanken eines Effizienzhauses+ überhaupt umsetzen zu können: „Alle drei Stunden erneuert sich die Luft komplett. Die Filter nehmen zudem den ganzen Dreck auf. Feinstäube, Allergien auslösende Pollen.“ Der Luftaustausch ist nötig, denn das Haus ist absolut dicht: Dreifachverglasung, durch die hohe Bauqualität gibt es keine Leckagen, die Wärmedämmung ist 30 Zentimeter dick, große Dachstärken. Für Tom Bolzen Komponenten, „die in der Architektur gut und schön umsetzbar sind“.

Ein gutes Jahr haben sie an dem Konzept getüftelt: „Jede Stunde, die wir mehr in die Planung investiert, jedes Detail, das wir bedacht haben, hat uns weitergebracht und Einsparungen möglicher Folgekosten.“ Durch den Einbau einer Erdwärmepumpe etwa „fallen insgesamt lediglich fünf kw für das Warmwasser und die Heizung an.“ Und: Über Batterien kann der Strom aus der Photovoltaikanlage so lange gespeichert werden, bis er gebraucht wird. Über Energiekosten machen sich die Bolzens keine Gedanken. Die Energiebilanz sei insgesamt positiv und das Haus erwirtschafte am Ende eines Jahres sogar ein kleines Plus: „Das KWF 40 Plus Effizienzhaus sollte aus meiner Sicht für die Zukunft der Standard für alle Bauherrn bei Neubauten sein.“

Für den Sohn eines Innenarchitekten war der Umweltgedanke schon vor seinem Examen 1997 Thema. „Ich bin mit der Ökologiedebatte groß geworden, mit Fragen nach Einsparmöglichkeiten von Energie und anderen Ressourcen.“ Dazu kam der Reiz der technischen Herausforderung, auszuloten was machbar ist. Und diesen Reiz verspürt er immer noch. Es gebe heutzutage sehr viele und hochwertige Werkstoffe, sowie neue digitale Technologien. „Man muss sich immer wieder mit solchen Dingen auseinandersetzen“, plädiert Tom Bolzen für ein lebenslanges Lernen.

Wenn er die Kosten für all die Dinge gegenrechnet, die sein Haus von herkömmlichen Bauten unterscheidet, kommt er auf eine einfache Rechnung: „Durch die Förderzuschüsse gibt es nicht nur keine Nebenkosten, sondern sogar einen Mehrwert.“ Sein wohl stärkstes Argument, wenn der passionierte Rennradfahrer mit interessierten Bauherrn spricht. Aktuell werden in Neuwerk die bereits dritte Klimaschutzsiedlung des Architekturbüros mit 25 Wohneinheiten, und in Bettrath und Venn zwei weitere Energieeffizienzhäuser+ mit insgesamt 35 Wohnungen gebaut. Zudem kann er nicht nur Referenzobjekte im Wohn- und im gewerblichen Bereich vorweisen. Sein eigenes Heim, 2013 ausgezeichnet mit dem Umweltpreis der Stadt, sei Beweis genug, dass Umweltschutz nicht nur bezahlbar ist, sondern der Gedanke Effizienzhaus+, auch funktioniert. Die Familie wohnt inzwischen fast sieben Jahre dort.

Tom Bolzens Verantwortung für die Umwelt macht nicht vor seiner Haustür halt. Zusammen mit anderen sorgt er dafür, dass die Nachbarschaft weiterhin grün bleibt: „Wir haben zusammen 4000 Stauden gesetzt und 10.000 Blumen gepflanzt.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort